Tarot 2
Rückkehr der dunklen Hexe
(Tarot: Vol. 2)
Autor: Jim Balent
Zeichnungen: Jim Balent
Farben: Holly Golightly
Übersetzung: Christian Heiss
Panini, 2006, Paperback, 128 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 10: 3-8332-1400-7, ISBN 13: 978-8332-1400-4
Von Frank Drehmel
In der kleinen Stadt Salem geht das Leben nach der Konfrontation der beiden Hexenschwestern (vgl. Tarot Band 1) seinen alltäglichen Gang: während Tarot und Jon einige Augenblicke unbeschwerten Glücks genießen, ärgert sich Raven Hex mit einem neuen Hexen-Lehrling, der wissbegierigen Willowry, rum. Doch am Horizont ziehen düstere Wolken auf. Ein kopfloser Dämon auf einem skelettierten Pferd verlangt von der Mutter der beiden Hexen, dass sie ihm ihre Töchter ausliefert, da er andernfalls die Kinder der Normalsterblichen umbringen werde.
Wie es einer guten Hexe ziemt, nimmt Tarot den Kampf gegen das Ungeheuer auf. Und tatsächlich gelingt es ihr, den Dämon zu vernichten, allerdings um den Preis ihres eigenen Lebens. Doch auch wenn Tarot tödlich verwundet wurde, so besteht dennoch ein Funke Hoffnung, solange ihr Geist den Körper noch nicht verlassen hat. Und so schaffen Jon und die Mutter die Tote nach Neu Avalon, die Insel ihrer Schwester Raven; dort wird es sich entscheiden, ob die Hexe in das Sommerland eintreten wird oder in das Reich der Sterblichen zurückkehren kann. In einem Zwischenreich muss ihr Geist eine Reihe von Prüfungen bestehen, durch welche sie Avatare ihrer Tarotkarten - der Hohepriester, die Gehängte, die Gerechtigkeit u.a. - geleiten. Derweil kämpft Jon auf der Insel um sein Leben, da ihn die anderen Hexen unter Führung Ravens nicht in ihrem Refugium dulden wollen.
Wem die hübschen großen fleischfarbenen Luftballons des ersten Teils nicht genug waren, der kann sich in diesem Band, der die US-Ausgaben #7 bis #11 in deutscher Erstveröffentlichung enthält, an Ballons aller möglicher Couleur übersattsehen. Titten ad nauseam! ... und alle haben dieselbe große, runde, glatte Form, die das Herz eines Silikon-Fetischisten vor Freude zerspringen lässt und die von einem frühkindlichen, prägenden Luftballon-Trauma des Zeichners zeugen. Dass diese Riesen-Dinger an Frauenfiguren dranhängen, die sich permanent und vollkommen ungeachtet der Gelegenheit lasziv räkeln bzw. devote Posen einnehmen, welche ihre körperlichen Attribute betonen, macht das Ganze bedauerlicherweise nicht weniger langweilig.
Doch nicht nur Balents Charaktere wirken - rein äußerlich - überladen, auch die Seitengestaltung folgt an vielen Stellen dem Prinzip: bunt, bunter, am buntesten, voller kleiner verspielter, überflüssiger Details, ohne klare Struktur. In seinem Bemühen, den narrativen Aspekt seiner Pin-Ups zu betonen und ihnen eine schon fast allegorische Tiefe zu verleihen schießt der Zeichner viele Brüste weit über das Ziel hinaus, präsentiert überladene oberflächlichste (Pseudo)Symbolik, die eher migräneartige Kopfschmerzen verursacht, als dass sie zum Nachdenken anregt.
Dieses ist um so bedauerlicher, als die Story wider Erwarten eine gewisse Magie ausstrahlt. Damit ist allerdings nicht die peinlich pathetische Tarot-Esoterik gemeint oder die simplifizierende Pro-Wikka-Propaganda, die uns Balent auf jeder Seite um die Ohren haut, sondern der größere Zusammenhang, die Reise nach Neu Avalon, die Selbstfindung der großtittigen Hexe. Aus dieser - zugegebenermaßen nicht sonderlich originellen - Grundstory hätten andere Zeichner und Autoren mit mehr Fingerspitzengefühl und Ambitionen, die über das Zeichnen von halbnackten Frauen hinausgehen, durchaus ein unterhaltsames Comic zaubern können, wie es bspw. Neil Gaiman, Charles Vess, John Bolton, Paul Johnson und Scott Hampton in ihrer vierteiligen „The Books of Magic”-Mini-Serie 1991 unter Beweis gestellt haben.
Zugute halten kann man Balent immerhin, dass er seine Geschichte nicht ganz ohne (selbst)ironische Untertöne erzählt. Wenn er z.B. seinen Helden Jon, der sich nach einem freien Fall im letzten Moment an der erigierten Brustwarze einer haushohen Statue festklammern kann, ausrufen lässt, „JAU - DESWEGEN STEH´ ICH SO AUF BRÜSTE!”, dann spielt hier tatsächlich ein humoristischer Unterton mit, der aber ansonsten zwischen dem esoterischen und pseudophilosophische Gebrabbel eher Mangelware ist.
Bei der „äußeren” Gestaltung des Comics folgt der Panini-Verlag seiner hinlänglich bekannten Qualitäts-Maxime: ein durch Drucklack veredeltes Cover, seidenmatt gestrichenes Papier, brillanter Druck, exzellente Leimung und einige Extras (Vorwort von Balent, umfangreiche Covergalerie).
Fazit: Während das Artwork wohl nur für vorpubertäre Fanboys von Interesse ist, richten sich Text und Story eher an kleine Möchtegern-Hexen und esoterische Querdenker. Damit sind das einzig Runde an diesem Machwerk die Brüste der Protagonistinnen.