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Sacred: Das Elfentor, Michael J. Parrish (Buch)
Sacred
Michael J. Parrish
Das Elfentor
Panini/Dino, 2006, Taschenbuch, 280 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 10: 3-8332-1391-4 bzw. ISBN 13: 978-3-8332-1391-5
Von Frank Drehmel
Als ihn eine geheimnisvolle, in schwarzes Leder gekleidete Frau namens Niashra ein Leben in Freiheit in Aussicht stellt, falls er sie auf einer Quest, über deren genaueren Umfang und Ziel sie leider nichts näheres sagen könne, begleitet, zögert der Sklave und Gladiator Thrax nicht lange.
Kurz darauf reiten die Lady und der Krieger Seite an Seite durch ancarianisches Öd- bzw. Orkland in Erwartung eines weiteren Helden, der sich laut Niashra ihnen anschließen will. Doch statt jenes Mitstreiters kreuzt zunächst ein riesiger Lindwurm ihren Weg. Während des unweigerlich folgenden Kampfes auf Leben und Tod legt die düster gekleidete Frau für Thrax’ Gefühl ein geradezu überirdisches Waffengeschick an den Tag, was aber angesichts der Dimension des Monsters dennoch zu wenig scheint. Zufälligerweise erreicht im letzten Moment der angekündigte dritte Gefährte, ein Zwerg mit Namen Ulvur, den Ort des Geschehens und jagt das Ungeheuer mit einer Art tragbarem Raketenwerfer -genannt Fafnirs Kanone - in die Luft.
Nun, da die Gruppe komplett ist, offenbart Niashra die sagenumwobene Nebelinsel als Ziel ihrer Reise. Alles, was sie noch tun müssen, ist ein Ork-Boot zu kapern, um damit auf das Eiland „überzusetzen”. Überraschenderweise scheint der verwegene Plan trotz der unerklärlichen, unterschwelligen Feindschaft und der damit verbundenen ständigen Kappeleien zwischen Thrax und Ulvur zu gelingen.
Allerdings haben sie ihre Rechnung ohne die Piraten und Seeungeheuer gemacht, die das Meer um die Insel als ihr Revier betrachten.
Es kommt, wie es kommen muss: ihr Boot wird von dem berüchtigten Freibeuter Vernon geentert und die drei Helden überwältigt. In Ketten gelegt harren sie in einem Frachtraum einer Zukunft als Sklaven. Doch das Schicksal hat Anderes im Sinn und verschlägt sie in die Fangarme eines riesigen Kraken und von dort in die unterseeische Stadt der Meereselfen, der Marinari, die in den drei Gefährten die vor Äonen prophezeiten Erlöser sehen.
Tatkräftig unterstützen die freundlichen Unterwasserbewohner die Gefährten, da ein Erfolg der Quest auch ihnen Freiheit und die lang ersehnte Rückkehr an die Oberwelt verspricht. Doch dazu muss das legendäre Elfentor, jenes Portal, das ein interdimensionales Reisen ermöglicht, zunächst aus den Klauen des Bösen befreit werden, um es dann zu zerstören. An dieser Aufgabe jedoch sind seit Jahrhunderten die größten Krieger vieler Generationen gescheitert.
Zum dritten Mal beweist die Spiele-Schmiede Ascaron bei der belletristischen Umsetzung ihres PC-Game-Bestsellers „Sacred” ein wenig glückliches Händchen hinsichtlich der Autorenwahl. Zeichnete für die ersten beiden Bände noch ein gewisser Steve Whitton verantwortlich (Nobody, Pseudonym oder Beides?), so durfte diesmal Michael J. Parrish die Feder schwingen. Bei informierten Lesern sollte dieser Name Assoziationen an die - zu recht - kurzlebige Roman-Heft-Serie „Torn - Wanderer der Zeit” wecken, welche nach ihrem Bastei-Aus beim Zaubermond Verlag nunmehr ein verdientes Hardcover-Nischendasein fristet. Darüber hinaus verfasste Parrish einige „Maddrax“-Romane, die bei der Leserschaft auf ein - wohlwollend ausgedrückt - geteiltes Echo stießen. Dass sich nun ausgerechnet dieser Autor aus der dritten Reihe an der durchaus interessanten Spielewelt „Ancaria“ versuchen darf, verwunde(r)t nicht nur den Fantasy-Fan.
Von der ersten Seite an traktiert Parrish den der Leser mit unerträglich stereotyopen, eindimensionalen Charakteren, mit grunzenden, blutrünstigen Orks, gemeinen Dämonen, edlen Elfen, griesgrämigen, Axt schwingenden, Zopf-bärtigen Zwergen und todesmutigen Kriegern. Fantasy-Klischee reiht sich an Fantasy-Klischee und nichts - rein gar nichts - durchbricht jene Langeweile, die sich zwangsläufig immer dann einstellt, wenn einem etwas zum zweihunderteinunddreißigsten Mal begegnet.
Besonders deutlich spiegelt sich die Primitivität der Protagonisten in ihren uninspirierten und klischeeüberladenen Dialogen wider: nicht tiefsinnig oder wenigsten mit einem Quentchen Esprit und Wortwitz, sondern dröge Wortgefechte zwischen – hauptsächlich - Zwerg und Mensch, deren Bärte so lang sind, dass sich damit eine Heerschar von Weihnachtsmännern ausstaffieren ließe und deren Simplizität ihres Gleichen sucht.
Der Versuch, Niashra eine geheimnisvolle Aura zu verleihen, um so wenigstens ein klein wenig Spannung zu generieren, scheitert schon im Ansatz an der simplen Tatsache, dass der Leser dank eines überflüssigen Prologs jederzeit genau weiß, wer sie ist und was sie will, sodass ihr wiederholtes „Ich sag nicht, wohin wir gehen und was wir suchen!”-Getue einfach nur nervtötend ist.
Zu schlechter Letzt mangelt selbst diesen einfachen Figuren an Kohärenz, verhalten sie sich zum Teil irrational und unerklärlich. Wenn die Orks einerseits schlau genug sind, den Gefährten eine relativ raffinierte Falle zu stellen, andererseits jedoch im nächsten Moment kaum mehr Intelligenz als eine Amöbe auf Drogen an den Tag legen oder Thrax völlig unvermittelt und hirnrissigerweise das Elfentor an den Meistbietenden verscherbeln will, so beschleicht den Leser unweigerlich ein ungutes „Out-of-Character”-Gefühl.
Die Story selbst wäre durchaus geeignet gewesen, den Ancaria-Hintergrund zu bereichern, da insbesondere die Marinari - aber auch die Zwerge - viel exotisches Potenzial bieten. Bedauerlicherweise jedoch gelingt es dem Autor zu keinem Zeitpunkt, die surreale Unterwasserwelt der Meeres-Elfen auch nur im Ansatz phantastisch zu skizzieren. Statt fesselnder Atmosphäre präsentiert er billigste Fischkloppereien, deren Darstellung und Choreografie aufgrund der weitgehenden Missachtung des speziellen Mediums “Wasser” zwischen naiv und vollkommen infantil schwanken. Und wenn unsere Helden über den Meeresgrund spazieren, unterseeische Klippen hoch- und runterklettern, dann erinnert dieses in dem beharrlichen Ignorieren der physikalischen Gegebenheiten eher an den Filmklassiker „Le Voyage Dans La Lune” aus dem Jahre 1902 als an einen zeitgemäßen Roman mit ernst zu nehmendem Anspruch.
Auch die zweite Möglichkeit, Ancaria durch den Ausbau des zwergischen Hintergrundes lebendiger zu gestalten, lässt Parrish ungenutzt verstreichen. Außer der Feststellung, dass die Barträger während ihrer Hochkultur mechanische Dingsbumse gebastelt haben und nun so gut wie ausgestorben sind, bleibt beim Leser nichts hängen.
Unterm Strich sind die herausragendsten Kennzeichnen der simplen Handlung - abgesehen von dem eher skurril erscheinenden Unterwasser-Eskapismus - Linearität und weitgehende Vorhersehbarkeit.
Fazit: In Heft-Romanen mag das stupide Zusammenbasteln von Text-Bausteinen und Fantasy-Versatzstücken Gang und Gäbe sein, in „echten” Büchern jedoch sollte es schon sehr viel origineller zugehen und sich der erkennbar kreative Beitrag des Autors nicht nur auf das Entwerfen der Protagonisten-Namen beschränken.
Empfehlenswert für 10-Jährige, die erst ein oder zwei Fantasy-Romane (ohne Zwerge oder Elfen) gelesen haben.
hinzugefügt: September 23rd 2006 Tester: Frank Drehmel Punkte: zugehöriger Link: Panini Comics Hits: 3207 Sprache:
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