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Blame - The Horror Anthology Vol. 3 (DVD)

Blame - The Horror Anthology Vol. 3
Spanien 2006, Regie: Narciso Ibánez Serrador, mit Nieve Dea Medina, Montset Mostaza, Alejandrau Lorenzo, Asuncióne Diaz u.a.

Von Thomas Harbach

Zwischen 1964 und 1982 präsentierte der spanische Regisseur Narciso Ibanez Serrador dem Fernsehpublikum eine lockere Reihe von „Geschichten, die dich walten“. Dazwischen weist insbesondere Serradors außergewöhnliche Biographie ein breites Spektrum auf. In Uruguay geboren und in Argentinien aufgewachsen hat ihn schon seit frühester Kindheit ein enges Band mit Spanien verbunden. In den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren hat er für das spanische Theater als Regisseur und Schauspieler gearbeitet, 1958 kehrte er nach Argentinien zurück und etablierte sich im Fernsehen. Wenige Jahre später wieder auf dem europäischen Kontinent begann er neben der schon erwähnten Fernsehserie unter anderem mit „1,2,3“ eine der populärsten Spieleshow Spaniens zu entwickeln, konzipierte Fernsehfilme und schockierte das Land mit seinen außergewöhnlichen Horrorfilmen „The House that screamed“ (1968) und dem provokanten „Who you kill a child?“ (1976). Für „6 films to keep you awake“ suchte er sich nicht nur etablierte spanische Regisseure, sondern integrierte auch die jungen Wilden wie Alex de la Iglesia in sein Konzept. In sechs unabhängigen Filmen sollen verschiedene Aspekte des Mystisches, des Unheimlichen beleuchtet werden. Er selbst hat den dritten Teil der Serie selbst inszeniert. Da er – ähnlich wie Mike Garris bei den „Masters of Horror“ - nicht nur Produzent, sondern in erster Linie auch treibende Kraft der Serie gewesen ist, steht er mit seinem „Blame“ unter einem besonderen Druck. Im Grunde soll er mit seiner Arbeit nicht nur unterhalten, sondern etwas ähnlich Bahnbrechendes veröffentlichen wie die beiden schon erwähnten und auch heute noch sehenswerten Thriller/Horrorfilme.

Nicht nur aufgrund der intimen Konstellation – zwei erwachsene Frauen und ein Kind auf engem Raum mit allen Gesetzen eines klassischen Kammerspiels – erinnert „Blame“ insbesondere an seinen ausgezeichneten Thriller „The House that screamed“. Insbesondere die ersten zwei Drittel des kurzweilig zu sehenden, aber am Ende unbefriedigenden Films wirken wie eine Zeitreise in die frühen siebziger Jahren – in Spanien mit dem entsprechenden Druck der Franco-Diktatur – und diese extrem konservative Atmosphäre bildet auch den Katalysator der eigentlichen Handlung.

Die Gynäkologin und selbstständige Ärztin Ana lädt ihre Kollegin und Freundin Teresa ein, zusammen mit ihrem Kind bei ihr zu wohnen – nachdem anscheinend ihr Freund sie hat sitzen gelassen - und ihr bei den Operationen zu helfen. Sie hat ihre Praxis auch in ihrem sehr großen Haus, das sich anscheinend in verschiedene – eine Reflektion der inneren Zustände der Bewohner – aufteilt. Während die Wohnräume sehr sauber, hell und doch altbacken wirken, erscheint der Operationsraum sehr distanziert mit einem dunklen Wartezimmer und der Boden besteht aus einer unübersichtlichen, verstaubten Masse alter Möbel und beinhaltet eine Reihe von Geheimnissen, für die das Drehbuch aber im Kern keine Zeit und kein Herz hat. Als Gloria selbst ungewollt ein zweites Mal schwanger wird, stellt Ana sie vor die Wahl, das Kind abzutreiben und weiterhin hier wohnen zu können oder das Haus zu verlassen. Keine der beiden Frauen ahnt, dass diese unter erpresserischem Druck gefällte Entscheidung das labile Gleichgewicht zum Einsturz bringt.

Ganz bewusst mit sehr einfachen Mitteln erzeugt Serrador von Beginn an eine subtile, eine stellenweise erdrückende Atmosphäre, die durch Nahaufnahmen der markanten Schauspielergesichter noch unterstrichen wird. Der Regisseur stellt den Zuschauern aber noch eine weitere Begleiterin an seine Seite. Mittels einer Zwischentür kann eine ältere Nachbarin, die ihre schwerkranke Mutter pflegt, manchmal akustisch, manchmal real am Geschehen teilnehmen. Dabei mischt er bei seiner Bühne ganz bewusst die Stilrichtungen. Ist es Zufall, dass die Treppe auf den Boden an Robert Wieses „The Haunting“ erinnert? Der Weg auf den Boden erinnert auch an den Übergang zu einer anderen Bewusstseinsebene, als wenn die einzelne Charaktere mit dem Treppensteigen ihre oft erdrückende Gegenwart verlassen wollen und sich ihrem nicht weniger deprimierenden Unterbewusstsein zu stellen suchen. Nur die kleine Tochter findet zumindest zeitweise in den Untiefen des riesigen Bodens eine neue Spielwelt. Mit fast simplen Ton- und Bildeffekten erzeugt Serrador zumindest über weite Strecken des kurzen Films eine bedrückende Atmosphäre ohne auf irgendein Element des Horrorfilms wirklich zurückzugreifen.

Ganz bewusst stellt er die eher burschikose, nüchterne und scheinbar emotionslose Ana in den Mittelpunkt des ersten Aktes. Der Zuschauer wird aus ihrem Charakter nicht schlau. Sie scheint eher Frauen als Männer zu schätzen oder gar zu lieben – kein Wunder, beschäftigt sie sich doch den ganzen Tag und manchmal auch in der Nacht damit, die unerwünschten „Früchte“ der Männer zu beseitigen und lernt dabei in erster Linie die persönlichen Schicksale ihrer Patientinnen kennen. Doch entgegen der Erwartungen manipuliert sie ihre Patientinnen, in einer niederschmetternden Szene überredet sie eine junge Frau, die ihr Kind behalten möchte, doch abzutreiben, in dem sie ihr die Schrecken der Schwangerschaft detailliert und mit fast sadistischem Vergnügen erzählt. Auch ihre Freundin Gloria erpresst sie in einer verletzenden direkten Art.
Nieve de Medina („Sie sind unter uns“) spielt die Rolle sehr eindringlich, sehr überzeugend. Zu ihrer facettenreichen Darstellung gehört aber auch eine liebevolle Seite. Kurz vor der Explosion der Ereignisse schlägt sie einen Urlaub an der See vor, einige Zeit vorher kümmert sie sich um ihre Mitbewohner. Einen starken Kontrast bildete die verletzliche Gloria (Monte Mostaza, „Black Serenade“), die mit einer gewissen Erleichterung das Angebot der Freundin annimmt und sich damit einer Reihe von persönlichen Entscheidungen entzieht. Obwohl sie keine leichtfertige Frau ist, sucht sie trotz ihrer schlechten Erfahrungen mit Männern scheinbar in aggressiven, dominierenden Charakteren einen gewissen, aber für sie unsicheren Schutz. Insbesondere ihre Reaktion auf Anas nicht immer subtile Manipulation ist eine schauspielerisch beeindruckende Leistung. Auch ihr endgültiger Zusammenbruch aufgrund ihrer erdrückenden Schuldgefühle nach der Abtreibung – Serrador baut hier sehr geschickt auf einzelne Versatzstücke, die er intelligent kombiniert schließlich zu einem niederschmetternden, aber überzeugenden Bild zusammensetzt – wirkt überzeugend und nicht theatralisch. Zusammen mit der jungen Alejandra Lorenzo, die in erster Linie Resonanzkörper in der Auseinandersetzung der beiden so unterschiedlichen Frauen ist – bilden sie ein sehenswertes Ensemble, das eine Reihe von plottechnischen Schwächen zumindest auf den ersten Blick überspielen kann.

Insbesondere die Verzahnung zwischen den einzelnen, sehr facettenreichen Charakteren, der interessanten, wenn auch klaustrophobischen Umgebung – das Haus ist zwar sehr geräumig und groß, je weiter man sich allerdings dem Dachboden nähert, umso niedriger wird die Decke und Serrador konzentriert sich auf eine Froschperspektive – und schließlich dem zugrunde liegenden Plot funktioniert nur unbefriedigend. Über weite Strecken des Films wird die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Frauen in einer nicht einfachen Zeit geschildert – Abtreibungen waren zumindest zu Francos Zeit verpönt, wenn auch nicht verboten. Dabei werden die einzelnen Plot-Elemente aber wie bei einem optisch reizvollen, aber nicht besonders schwierigem Puzzle schnell in die obligatorischen Positionen geschoben. Kaum ist dieses Versatzspiel aus Schuld und Sühne etabliert, beginnt allerdings die Regie mit den Zuschauern zu spielen. Sie suggeriert einen Eindringling – dabei bleibt man bewusst vage, das Spektrum könnte tatsächlich zumindest zu Beginn von Ratte über lebendige Babys in der Tradition von Larry Cohens „It´s Alive“ -ilmen bis zu einem verrückten Massenmörder reichen. In diesem erdrückenden Szenario wirken einige Szenen besonders eindringlich. So manipuliert der Regisseur die Erwartungen der Zuschauer bei der ersten Konfrontation zwischen Mutter und Tochter auf dem Dachboden und überrascht dann mit einer wirklich ergreifenden, aber nicht kitschigen Auflösung. Das genaue Gegenteil geschieht beim letzten Mord, der Zuschauer weiß schon, was passiert und genau dieses Szenario wird zwar effektiv, nicht unblutig, aber vorhersehbar und leider vor allem unerklärlich auch in Hinblick auf die zu offene Antwort zu Films wird abgearbeitet, aber nicht mehr gelebt. Das Finale wird dann allerdings zuerst effektiv, später verwirrend mit dem klassischen Unerklärlichen präsentiert.

Im Kern ist das Drehbuch nicht in der Lage, Antworten auf eine Reihe von Fragen zu geben und beschränkt sich auf eine effektive, aber nicht befriedigende Möglichkeit, aber nicht unbedingt Wahrscheinlichkeit. Es wäre sinnvoller gewesen, auf die letzte Einstellung zu verzichten und den Film mit einem Kameraschwenk über die Wiege zu beenden. In erster Linie lebt der Film von seinen wirklich sehr guten Schauspielerleistungen – dass es für viele eher Amerika orientierte Horrorfans auch noch unbekannte, aber markante Gesichter sind, erhöht den Reiz -, einigen atmosphärisch dicht und psychologisch sehr effektiv inszenierten Szenen und einem sehr intensiven Einblick in das Gefühlsleben – das Spektrum reicht von Hass bis zu echter Liebe - erwachsener dreidimensionaler Frauen. In ihnen spiegelt sich das dunkle Portrait einer privaten Klinik wieder, in der sich Wahrheit und Lüge, Leben und Tod zu einem undurchdringlichen Netz verbinden. Weder die Patienten noch die Ärzte sind frei von aller Schuld und ihre mannigfaltige Vergangenheit scheint sich in einer bedrohlichen Existenz zu manifestieren.

Das Schöne an dieser spanischen Produktion ist zumindest der Versuch, ein allgegenwärtiges Thema – Abtreibung in seiner gesamten Komplexität – ernst und ernsthaft in eine schnell fesselnde Kammerstudie zu integrieren und dem Zuschauer keine vorgefertigten Antworten zu präsentieren. Das es keine einfachen Antworten auf eine Reihe insbesondere im ersten Drittel des Films aufgeworfener Fragen gibt, zeigt das zu einfache, zu belanglose Ende.


Leider weisen die DVDs dieser Reihe bis auf die entsprechenden Trailer zu den anderen Teilen keine weiteren Extras auf. Insbesondere eine Biographie der stellenweise unbekannten, aber sehr talentierten Regisseure hätte die für eine spanische Fernsehproduktion sehr gelungene Präsentation – sowohl das Bild als auch der deutsche Ton können überzeugen – abgerundet.


DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, deutsch dts 5.1, spanisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch

hinzugefügt: November 7th 2006
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: e-m-s
Hits: 2922
Sprache:

  

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