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The Baby’s Room - The Horror Anthology Vol. 1 (DVD)

The Baby’s Room - The Horror Anthology Vol. 1
Spanien 2006, Regie: Álex de la Iglesia, mit Leonor Watling, Javier Gutiérrez, Sancho Gracia, Terele Pávez u.a.

Von Thomas Harbach

Obwohl Alex de la Iglesias unter die Haut gehende Geistergeschichte den Auftakt der Reihe „6 Films to keep you awake“ macht, könnte er thematisch eine interessante Fortsetzung zu Serradors viertem Beitrag „Blame“ sein – einmal die Ängste vor der Geburt inklusiv dem auf den ersten Blick verführerisch einfachen Ausweg der Abtreibung, später die Ängste der Eltern um das Wohlergehen ihres Kindes. Dass Iglesias den ersten Beitrag dieser Serie in Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Drehbuchpartner Jorge Guerricaechevarria, die insgesamt acht Filme gemeinsam erschaffen haben, drehen konnte, ist sicherlich auch eine Verbeugung vor dem originären spanischen Mitglied einer interessanten Gruppe junger Regisseure, die das Phantastische Genre mit ihren oft konträren Arbeiten erweitert haben. Insbesondere Guillermo del Toro und Robert Rodriguez sollten zu dieser kleinen, aber feinen Gruppe gezählt werden. Alle variieren auf sehr intelligente Weise klassische Themen des Horror-Genres. In diesem Fall wird eine typische Haunted House-Story – es gibt zwei hervorragende Hommages an Stanley Kubricks „Shining“ und insbesondere Jack Nicholson – mit Science Fiction-artigen Elementen – Parallelwelten – bereichert. Was auf den ersten Blick innovativ aussieht, ist in Wirklichkeit ebenfalls eine Würdigung des inzwischen fast vergessenen Thrillers „Zeder“ von Pupi Avatis. Sowohl die Idee der Radiowellen, als auch die Bildübertragung – in diesem modernen Thriller allerdings als neuartige Idee per Babyvisophon – in eine andere, schreckliche Parallelwelt stammen aus diesem großartigen Film, werden allerdings intelligent, wenn auch nicht immer konsequent und logisch extrapoliert.

Den am 4. Dezember 1965 in Spanien geborene Alex de la Iglesia als eine Mischung aus Peter Jacksons frühen Filmen und Guillermo del Toros atmosphärischer Dichte und leicht ironischem Tonfall zu bezeichnen, trifft in erster Linie auf seine ersten, humorvoll schockierenden Filme zu. In der zweiten Blütezeit des spanischen Kinos schockierte er mit seinem Splatter-artigen Science Fiction „Mutant Action“ (1993), dem die Gruselkomödie „Day of the Beast“ (1995) und der überdrehte Roadmovie „Perdita Durango“ (1997) folgten. Zwei intelligente Thriller „La Comunidad“ (2000) und „Ein perfektes Verbrechen“ (2004) unterstreichen seine inzwischen errungene thematische Vielseitigkeit. Im Gegensatz zu einigen anderen Regisseuren wie dem Mexikaner del Toro ist es ihm nicht gelungen, ein größeres Publikum in den USA zu begeistern.

„La Habitacion“ – übersetzt das Haus – erzählt eine klassische Geistergeschichte, die Parapsychologie und Parallelwelten zwar nicht aufgemotzt, aber zumindest erweitert worden ist. Es ist die Geschichte von stolzen Eltern, die sich sieben Monate nach der Geburt ihres ersten Sohnes eine renovierungsbedürftige, aber trotzdem prächtige alte Villa kaufen. Juan – Javier Gutierrez mit einer ambivalenten Darstellung, insbesondere zu Beginn des Films wirkt er schon zu überreizt, ein wenig zu arrogant, als das er die Sympathien des Publikums auf seine Seite ziehen kann – arbeitet als Kolumnist für eine der bekannten Sportzeitungen, seine schöne Frau Sonia – Leonor Watling mit einer überzeugenden Leistung, da sie das Geschehen auch mehr reflektieren muss als wirklich zu agieren, hat sie es deutlich leichter als ihr Co- Star – bleibt zu Hause. Gemeinsam richten die beiden dem Sohn ein Babyzimmer ein. Im Gegensatz zu ihnen weiß der Zuschauer, dass etwas mit diesem Haus nicht stimmt, denn die Vorgeschichte auf ein Tor/ein Loch hingewiesen, in das ein Junge gezogen worden ist. Es wäre interessant gewesen, einen entsprechenden handlungstechnischen Bogen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu schlagen, in dem der damals in das Loch gezogene Junge jetzt als Vater unwissentlich an diesen Ort zurückkehrt. Insbesondere in Hinblick auf die später präsentierte sehr offene Lösung wäre ein solcher Bogen wünschenswert, um nicht zu viele rote Handlungsfäden in der Luft baumeln zu lassen. Auf jeden Fall ist mit dieser nicht unbedingt überraschenden Prämisse der Hinweis gegeben, dass alte renovierungsbedürftige Villen mitten in der Stadt zumindest für junge Eltern eher nicht zu empfehlen sind. Kaum haben sich die Eltern schlafen gelegt, beginnen sie aus dem Babyfon Stimmen zu hören. Im Kinderzimmer schläft aber nur ihr Baby friedlich. Die Eltern schieben diese Stimmen auf die schlechte Qualität des Babyfon-Sets und tauschen es gegen eine Monitorüberwachung auf. Sehr interessant sind zu Beginn des Films die fast subtilen Gesten insbesondere des männlichen Protagonisten. Er versucht mit kleinen Lücken durch das Leben zu kommen. So lügt er die Verkäuferin an, dass das Babyfon für seine Freunde ist, seine Frau lügt er an, dass die Verkäuferin in Wirklichkeit ein Mann gewesen ist. Leider wird aus diesen kleinen Nuancen nicht mehr gemacht, sie wären ideal, die Glaubwürdigkeit des Charakters in Hinblick auf die kommenden übernatürlichen Ereignisse zu erschüttern. In der ersten Nacht, als die Kleinkindüberwachungsanlage installiert worden ist, sieht Juan auf dem Bildschirm einen fremden Mann, der sich über seinen Sohn beugt. Die Infrarotaufzeichnung lässt die Augen bedrohlich strahlen – der Fremde wirkt wie direkt aus John Carpenters „Das Dorf der Verdammten“ importiert, allerdings kann der schwarze Anzug und die Frisur eine gewisse Ähnlichkeit mit Luzifer nicht leugnen. Mit einem Frühstücksmesser in der Hand dringt der Vater in den Raum ein und findet nichts. Nur das Misstrauen seiner Frau wird weiter geweckt. Juan scheint mehr und mehr seinen Verstand zu verlieren und schickt Frau sowie das Kind aus dem Haus, um sich alleine dem Unbekannten zu stellen. Hilfe findet er in Person eines exzentrischen Parapsychologen – der inzwischen nicht mehr sein Bett verlässt und der Welt nur noch per Internet und E- Mail folgt -, der ihm einige Hinweise auf Schrödingers Katze und Parallelwelten gibt. Doch noch ist zumindest für seine Kollegen und für seine Frau nicht klar, ob Juan nicht einfach aufgrund des Drucks den Verstand verliert und sich diese Bedrohung einbildet. Da auch die Geschichte des Hauses keine markanten Morde aufweist, deutet viel auf den beginnenden Wahnsinn hin.

De la Iglesias spielt bis auf einen wirklich brutalen und schockierenden Mord die Klaviatur des subtilen Horrors. Fremde Stimmen, ein nicht mehr aufzufindender Eindringling, später eine Reihe von falschen Spuren – ein zugemauertes Fenster und entsprechend eine falsche Wand, die aber dann einen ganzen Flügel des Hauses und nicht nur eine Etage verdecken müsste – und erschreckende Visionen auf dem kleinen, schwarz weißen Monitor des Babyfons. Es häufen sich die Anzeichen für eine böse Bedrohung, ohne dass diese wirklich charakterisiert werden. Mit der gleichen Geschwindigkeit beginnt der psychische Verfall des Protagonisten. Der einzige Charakter, der wirklich etwas zu ahnen scheint, ist eine alte Frau aus dem Altenheim gegenüber, die über ihr Radio – siehe den Auftakt des Films – Stimmen aus der Parallelwelt empfangen kann. Allerdings bleibt sie über weite Strecken der Handlung stummer Beobachter und ihre wenigen pointierten Kommentare fallen auf keinen fruchtbaren Boden. Im Gegensatz zu vielen anderen Horrorfilmen stimmt hier auch das Umfeld. Sowohl Juans nervige ältere Schwester auf Besuch, als auch ein sich unglaublich weise und doch vorwitzig vorkommender Kollege bilden einen guten Kontrast zu den dunklen, unheimlichen Passagen. Immer wieder baut der Regisseur optische und akustische Schrecken die, die trotz einer gewisse Vorhersehbarkeit so souverän inszeniert worden sind, dass sie wirklich funktionieren. Das wichtigste einer guten Gruselgeschichte ist aber, dass sie auch ohne den übergeordneten Schrecken funktioniert und mit einem bodenständigen Thema befindet sich Igleasis natürlich auf der sicheren Seite.

Die Sorge um das Wohlergehen des eigenen Kindes, das sich auf eine ganz andere Lebensweise einstellen und diese vor allem auch zu akzeptieren zeigt uns der Regisseur an einer Reihe von interessanten, sehr bodenständigen und deswegen überzeugenden Szenen. Kaum hat der Zuschauer diese Grundprämisse akzeptiert, beginnt sich der Fokus zu ändern. Nicht nur durch die übernatürlichen Ereignisse steht Juan als Ernährer der Familie plötzlich im Mittelpunkt des Geschehens. Schlaflose Nächte – auch ohne Stimmen und Eindringlinge – führen zu unkonzentriertem Arbeiten und schließlich auch zum Spot der Kollegen. Der Druck, nicht nur eine Familie mit der Hände Arbeit ernähern, sondern ein im Grunde zu großes Hauses abzahlen zu müssen, führt zur Lähmung. Alle diese Elemente behandelt de Iglesias mit einer überraschenden Souveränität und Bodenständigkeit. Hat der Zuschauer diese verschiedenen Prämissen erst akzeptiert, beginnt sich das Geschehen rasant, aber nicht unbedingt überraschend zu verändern. Insbesondere der Mittelteil der Folge leidet unter Vorhersehbarkeit und die Spannungskurve flacht nach einigen anfänglichen sehr gelungenen Überraschungsschocks ganz deutlich ab. Wie auf einem Schachbrett muss das Drehbuch erst die handelnden Protagonisten in neue Positionen bringen, um dann einen fulminanten, teilweise surrealistischen, aber interessanten Schlussakkord zu setzen. Hier gelingt es auch, eine atmosphärisch dichte und vor allem gruselige Geschichte zu erzählen, deren Ende allerdings vorhersehbar und nicht logisch erklärt ist. Zum Teil agieren allerdings die Schauspieler gegen das eigentliche Geschehen und wirken teilweise auch verunsichert. Viele interessante Ansätze werden durch die Kürze der Geschichte – mit 77 Minuten ist de la Iglesias Beitrag allerdings immer noch einer der längsten – in den Hintergrund gedrängt und insbesondere aus der Idee der Parallelwelt hätte man deutlich mehr machen können. Einige kleiner Missverständnisse zwischen den Ehepartner hätten besser ausdiskutiert werden können, als nur die abrupten, fast unverständlichen Reaktionen und Handlungen zu zeigen.
Wenn Juan plötzlich fast apathisch sein persönliches Schicksal akzeptiert, drängt sich leider die beklemmende, brutale Mordszene nicht sofort wieder auf und damit verliert die Geschichte sehr viel von seiner bedrohlichen Vorausschau. In der angestrebten Komplexität fällt es einem Betrachter allerdings auch schwer, eine andere Struktur oder Abfolge vorzuschlagen. Trotzdem ist es immer wieder überraschend, mit welchen im Grunde einfachen Mitteln – Schnitt, Beleuchtung, Kameraführung – Iglesias seinem Publikum eine Reihe von Schocks verabreicht. Alleine diese Rückkehr zu den Wurzeln des Horrors macht insbesondere die Folge trotz einiger drehbuchtechnischer Unerklärlichkeiten sehenswert.

Wie einige andere Episoden dieser Reihe ist „The Baby´s Room“ eine handwerklich solide inszenierte, mit einigen guten Szenen versehene unterhaltsame Gruselfolge in der Tradition Stanley Kubricks „Shining“- nicht mehr, aber auf keinen Fall weniger.

Wie alle anderen Folgen dieser Serie sind als einzige Extras Trailer der anderen Episoden angefügt. Das Bild im 1,78:1-Format – im Gegensatz zur künstlichen Komplettbox anderer DVds dieser Staffel – weist nicht nur eine sehr gute Tiefenschärfe auf, die Farben sind natürlich, die Kontraste sehr scharf und selbst der Übergang zwischen dem Monitorbild und der „Realität“ funktioniert einwandfrei und anstandslos. Wie bei allen Folgen finden sich eine deutsche Tonspur – DTS und DD 5.1 – sowie die empfehlenswertere spanische Tonspur mit deutschen Untertiteln.


DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, deutsch dts 5.1, spanisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch

hinzugefügt: November 7th 2006
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
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