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Tuttle, Lisa: Das geheime Land (Buch)
Lisa Tuttle
Das geheime Land
(The Mysteries)
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski
Titelgestaltung von HildenDesign, München
Piper, 2006, Hardcover, 394 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 3-492-70123-X
Von Ramona Schroller
Ian Kennedy lebt und arbeitet als Privatdetektiv in London. Sein spezialisiertes Arbeitsgebiet als Detektiv ist dabei das Auffinden von verschwundenen Menschen - vornehmlich solche, die unter mysteriösen Umständen nicht mehr auffindbar sind. Ian weiß nämlich etwas, was die meisten Menschen in der modernen Welt verdrängen:
Es gibt ein geheimes Land, in dem Elfen und Feen leben. Und manchmal verirrt ein Mensch sich durch Tore zwischen den Welten in diese Anderswelt. Manchmal aber...
Ian nimmt den Auftrag der attraktiven Geschäftsfrau Laura an, deren Tochter zu finden, die vor mehr als zwei Jahren unter sehr mysteriösen Umständen verschwand - nämlich aus der gemeinsamen Wohnung der Beiden vor den Augen ihrer Mutter, die sich allerdings weigert, das Erlebte als Realität anzuerkennen.
Ian stellt Ermittlungen an und ist überrascht: Das Verschwinden von Peregrine (der Tochter Lauras) ähnelt sehr einer mythischen Geschichte, einem Märchen, das im gesamten keltischen Raum bekannt ist. Was steckt dahinter?
Lisa Tuttle scheint sich in ihrem Roman selbst nicht so ganz sicher zu sein, was sie eigentlich erzählen will. Ist es die Lebensgeschichte von Ian Kennedy? Oder doch lieber der aktuelle Fall der verschwundenen Peri? Manchmal weiß als Leser da nicht so ganz, was die Autorin im Sinn hat.
Dabei hat sie gut vorgearbeitet. Sie recherchierte in bekannten Vermisstenfällen, die mit dem Übernatürlichem in Verbindung gebracht werden; offensichtlich wühlte sie sich auch noch durch den reichen Sagenschatz der keltischen Welt. Sogar prägnante „Portale“ entnahm sie der Realität.
Um den Roman nicht schlecht zu reden: Das ist er sicher nicht. „Das geheime Land“ ist interessant und spannend geschrieben, es lässt sich gut lesen und enthält auch keine Logikfehler. Dennoch stört da etwas.
Zum einen die doch recht stereotypen Charaktere: Ian, der notorisch klamme Privatdetektiv. Gut, er mag nicht so abgebrüht sein wie seine berühmten Vorgänger, aber dennoch. Laura, die toughe Geschäftsfrau, die aber immer wieder zur liebenden Glucke mutiert und dann zu rein gar nichts mehr zu gebrauchen ist. Fred, die schöne Zauberin, die selbst verführt wurde und nun andere verführt... Die Liste ist noch um einiges länger. Im Endeffekt hat man wieder einmal den gleichen Figurenanstrich, und natürlich fällt keiner auch nur eine Sekunde aus der Rolle.
Das zweite Manko ist die schlichte Tatsache, dass die Anderswelt zwar oft genug erwähnt wird, aber wirklich sehen kann der Leser sie nicht. Auch über die Portale wird nur wenig verraten. Die Phänomene, die sich in der Nähe solcher Tore abspielen, werden nur ein- oder zweimal kurz am Rande erwähnt. Das ist schon schade.
Ebenso wie die Tatsache, dass die Wesen aus dieser Anderswelt zwar auch oft genug erwähnt werden, aber, zumindest für Ian, so gut wie unsichtbar bleiben. Eine handvoll kurzer Auftritte, die eher verwirren als zu erleuchten, mehr gibt es da nicht. Sein Wissen hat Ian letztendlich aus Büchern, die sich jeder, ob Elfengläubiger oder -skeptiker, einsehen kann. Da sind keine Erkenntnisse.
Natürlich kann man argumentieren, dass gerade das Beinahe-Fehlen der Bewohner der Anderswelt den Roman spannend macht. Allerdings überdehnt Tuttle den Spannungsbogen hier nach persönlicher Einschätzung. Irgendwann ist es nicht mehr damit getan, dass der Bösewicht ständig in den Reden anderer auftaucht, er muss schon selbst vorstellig werden. Die kurze Szene, die die Autorin ihm dann tatsächlich gönnt, wirkt allerdings eher wie ein Trostpreis als ein Hauptgewinn. Sie ist dünn, mager und wenig glaubhaft.
Alles in allem bleibt dann doch ein eher enttäuschendes Buch, das mehr verspricht, als es zu halten bereit ist. Einzig die Vermisstenfälle sind hier interessant, doch die bekommt man kompakter in einschlägiger Literatur geliefert.
hinzugefügt: November 16th 2006 Tester: Ramona Schroller Punkte: zugehöriger Link: Piper Verlag Hits: 3391 Sprache:
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