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Schweer, Ralf: Abgeholt und auf ins All (Buch)
Abgeholt und auf ins All
Ralf Schweer
Titelbild: Mario Moritz
Elfen-Verlag, 151 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 3-937410-01-5
Von Oliver Naujoks, mit Dank an Jake Magnus für das Rezensions-Exemplar.
Ralf, das Alter Ego des Autors, wird eines Nachts von Außerirdischen entführt und darf fortan bunte Abenteuer im All erleben, wo Sterne explodieren, große Ameisen sprechen und der Replikator auf Kommando immer Weizenbier produziert.
Tischlein deck dich.
Der Roman wird als „erfrischend natürlich“ beworben, wobei der Hauptprotagonist keiner der „üblichen Helden“ sein soll, sondern ein Mensch wie „Du und ich“. Diese Angaben sind nicht falsch, sie sind sogar noch untertrieben. Das ‚erfrischend natürliche’ an der Handlung ist eine geistige Schlichtheit, die man so selten gelesen hat. So bestehen nicht unerhebliche Teile des Textes aus Beschreibungen, was der Charakter Ralf an einem der Replikatoren an Bord des Schiffes bestellt, sei es ein gegrilltes Hähnchen, sechs Frühstücksbrötchen, oder immer mal wieder ein Weizenbier, von dessen Geschmack Ralf auch einen der Außerirdischen vollends überzeugt. Dieses insistierende Beharren auf Ess-Szenen ist, gerade in der extremen Häufung, schon irritierend. Dann legt Ralf sich oft schlafen und wacht am nächsten Morgen wieder auf, hat keine große Lust zu arbeiten und verliebt sich nebenbei noch in eine der Außerirdischen. Diese Aliens sind so, wie man sie sich in der Klischee-Mottenkiste vorstellt (und sind alle fähig zur Telepathie, was der Autor gelegentlich aber vergisst) und haben Namen wie „Tin“ „Lim“ und „Tek“, die man als zu abgelutscht bereits in den 50er Jahren den damaligen Autoren aus den Manuskripten gestrichen hätte. Richtig viel passiert eigentlich nicht in diesem Roman, es wird mal eine Alien-Rasse besucht, dann auf verblüffend verklemmte Weise eine aufkeimende Liebe zu einer Außerirdischen geschildert und am Ende die Erde vor Umweltkatastrophen gerettet, mit einem Plan, der an Schlichtheit (da ist das Wort wieder) seines gleichen sucht.
Zwar ist Ralf wirklich ein Mensch wie Du und ich, aber schon das Zentrum der Handlung, der, auf den die Außerirdischen schon immer gewartet haben und eigentlich schon ein zwar bescheidener, aber toller Hecht. Das mit dem Hecht geht in einigen Szenen aber nach hinten los, und damit wären wir wieder bei der geistigen Schlichtheit: Wenn einer Außerirdischen es nach einem süß-sauren Gericht gelüstet, stellt der Autor Ralf den Protagonisten Ralf als in kulinarischen Dingen schwer bewandert hin und lässt ihn ein „Chinamenü“ bestellen. Bei Worten wie „Chinamenü“ schreit der Leser gequält auf und stellt fest, dass es mit dieser Bewanderung wohl doch nicht so weit her sein kann.
Ach, um das noch fürs Protokoll festzuhalten: Einige der oben genannten Beschreibungen lassen auf eine Parodie schließen, dies ist der Roman aber keineswegs. Zwar wird oft gelacht, aber immer „über Kreuz“: Entweder lachen die Protagonisten über Sachen, die der Leser nicht lustig findet, oder der Leser lacht über unfreiwillig komische Stellen, die der Autor garantiert nicht als Lacher intendiert hat. Letzteres, das sei zugegeben, besitzt einen geringen Unterhaltungswert, weswegen sich der Roman durchaus zügig liest.
Esel streck dich.
Der Autor Ralf Schweer liefert hiermit ersichtlich sein Erstlingswerk ab. Das macht auch nichts. Was sehr wohl etwas macht, ist, dass er sich offensichtlich keinerlei Gedanken darüber gemacht hat, wie man einen Roman schreibt. Das ganze Buch ist in einem schrecklichen Plauderton geschrieben, auch noch im Präsens, allerdings muss man dem Autor konstatieren, dass er sich innerhalb des Romans steigert. Sind die Anfangs-Kapitel, insbesondere das erste noch durchsetzt von Stilblüten und unlesbaren Sätzen, wird es gegen Ende leicht besser, aber leider immer noch weit entfernt von dem, was man veröffentlichen sollte, könnte und dürfte.
Immerhin interessant an dem Band ist die Atmosphäre, denn eigentlich ist es kein SF-Roman, sondern eher ein Märchen, oder ein Traum. Möglicherweise unbewusst gelangt der Autor in diesen Bereich auch durch seine mangelnde Fähigkeit, Atmosphäre zu erzeugen, es bleibt alles seltsam diffus - und dadurch, dass er physikalische Phänomene beschreibt, die Fans von wissenschaftlich fundierter SF zu Heulkrämpfen bewegen würden; da explodieren plötzlich Sterne und katapultieren das Raumschiff wie von einer Kanonenkugel weg oder, wenn man schneller als das Licht fliegt, sieht man die Sterne nicht mehr, weil man ja schneller als das Licht ist. Diese ‚märchenhafte’ Atmosphäre ist schon etwas ungewöhnlich.
Von den im Klappentext genannten (und dort grammatikalisch in dem Satz verunglückten) „philosophischen Ansätzen“ merkt man im Roman eigentlich nicht viel. Einmal wird die Frage nach der Existenz Gottes gestellt und deswegen bejaht, weil jede Kultur Gott anders sieht. Was das eine mit dem anderen...ach, lieber noch ein Weizenbier am Replikator bestellen.
Es sei dem Autor ja gegönnt, dass er jetzt auch mal ein Buch veröffentlich hat, aber die schon aggressiv machend-belanglose Handlung und jegliche Ignoranz dessen, was man Schreibhandwerk nennt, vergällt einem jegliches Vergnügen an dem Roman. Auch wenn das Buch bei Bekannten und Verwandten gut ankam (wie der Autor im Vorwort schreibt), sollte er doch mal bedenken, dass der Sympathie-Bonus des persönlichen Kennens für Fremde nicht vorhanden ist, und vor allem, dass der Verlag 14 Euro für dieses Werk verlangt.
Knüppel aus dem Sack.
In enormen Maße ärgerlich ist die Gestaltung des Buches. Ist die Verarbeitung noch BOD-typisch durchaus gut und das Coverbild sogar sehr gelungen, hört es dann aber auch auf. Der Satz spottet wirklich jeder Beschreibung, das Buch ist 1 ½-zeilig(!) gesetzt, besitzt gigantische Ränder rechts und links, so dass man eigentlich (nur) von einer Mittelspalte sprechen sollte, ist voller Satzfehler (Trennungen nach einem Buchstaben, Schusterjungen und Hurenkinder), besitzt viel zu viele Rechtschreibfehler und schlicht Lächerlichkeiten, wie Seitenzahlen auf dem Titelbild oder ein „Ende“, das auf eine eigene Seite gerutscht ist. Schon beim ersten Aufschlagen des Buches weiß man nicht, ob man wegen des Druckbildes lachen oder weinen soll. Eine unglaubliche Frechheit. Auf der Homepage des Elfen Verlags ist die Rede davon, dass es sich bei diesem Unternehmen nicht um einen Verlag im klassischen Sinne, sondern um ein ‚Dienstleistungsunternehmen’ handelt, sprich: Ein Druckkostenzuschussverlag. Hier bezahlen der Autor die Herausgabe des Buches, nicht der Verlag den Autor, was natürlich Rückschlüsse auf die Qualität zulassen kann. Genannt wird eine Summe von 900 Euro, u.a. auch für ein Lektorat, das ersichtlich nicht statt gefunden hat. Man kann dem Autor nur wünschen, dass diese Vereinbarung nicht Grundlage für die Publizierung dieses Buches war. Wenn Ralf Schweer nichts bezahlt hat, dürfte er sich aufgrund der bodenlosen Gestaltung „nur“ im Stich gelassen fühlen, sollte er den eben genannten Betrag aber bezahlt haben, sollte er vielleicht mal einen Anwalt konsultieren...
Nicht nur, weil Ralf das Alter Ego des Autors ist, kommt der Autor irgendwie zwischen den Zeilen, bei allen Schwächen des Buches, durchaus sympathisch rüber. Oft sind ja brillante Autoren etwas eigenartige Gestalten, deren Bücher man gerne liest, die man aber nicht zum Kaffee einladen möchte. Bei Ralf Schweer ist es genau anders herum: Den würde ich durchaus gerne mal zum Kaffee einladen (auch wenn er nach Lektüre dieser Zeilen wohl nicht kommen würde), aber, hmm, hoffentlich bleibt „Abgeholt und auf ins All“ sein einziges Buch.
hinzugefügt: July 24th 2004 Tester: Oliver Naujoks Punkte: zugehöriger Link: Elfen-Verlag Hits: 4293 Sprache: german
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