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Wilson, F. Paul: Die Gruft (Buch)
F. Paul Wilson
Die Gruft
(The Tomb)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Plogmann Titelillustration: Dave Kendall
Festa Verlag, 2006, Taschenbuch, 462 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-039-5
Von Carsten Kuhr
Seit die damals im Goldmann Verlag erschienene, stark gekürzte Ausgabe vorliegenden Werkes verlagsvergriffen gemeldet wurde, stiegen die Preise, die Fans bei eBay und anderen Auktionsplattformen für den ersten „Handyman Jack“-Roman zu zahlen bereit waren ins Astronomische. Ein wenig verwunderlich ist es daher schon, dass man bei Goldmann, der alle weiteren „Handyman Jack“-Romane in schöner Regelmäßigkeit auflegt hier keinen Nachdruck des lange vergriffenen Bandes publizierte. Des einen Leid, des anderen Freud. Frank Festa als Kenner und Beobachter der Szene mit seinem ambitionierten Verlag immer bemüht dem Leser gehobene Weird Fiction zu präsentieren nahm sich der Sache an, und heraus kam ein rundum gelungenes Buch.
Nicht nur die zum Inhalt passende grafische Umsetzung, auch eine ungekürzte Neuübersetzung aus der bewährten Feder Michael Plogmanns sorgen für rundum gelungenen Lesespaß par Excellenze.
Dem Fan phantastischer Literatur Handyman Jack vorzustellen hieße Eulen nach Athen tragen.
Wie nur wenige Autoren war und ist es F. Paul Wilson mit seiner Figur gelungen ein Unikat zu schaffen. James Bond und MacDonald Frasers Flashman hätten Pate stehen können, als Wilson seinen eigenwilligen Antihelden kreierte. Ein Mann, der sich darum kümmert, dass Dinge die Unrecht sind richtig gestellt werden. Der sich dabei aber auch nicht scheut, nicht ganz legale Mittel zu benutzen, der Gewalt gegen die ausübt, die Schwächere mit Gewalt bedrohen, und der fast schon paranoid darauf achtet, nirgendwo offiziell registriert zu sein. Das heißt keinen Pass, keinen Führerschein, keine Steuernummer aber eben auch keine Krankenversicherung, kein Standesamt - und das macht unserem Filmfan Sorgen.
Die Frau seines Lebens hat ihn verlassen, als sie herausfindet, dass er bei der Ausübung seines Jobs als „Sicherheitsberater“ auch bereit ist, Gewalt gegen andere auszuüben. Bevor er ihr seine Sicht der Dinge erklären konnte, war die Tür zu, es herrscht Funkstille. So ist Jack mehr als erfreut, als Gia sich bei ihm meldet. Eine ihrer beiden begüterten Westphalen-Tanten ist verschwunden, die Polizei ratlos - Jack soll die Vermisste suchen. Gleichzeit wendet sich ein indischer UN-Diplomat an Jack. Dessen Mutter wurde überfallen, brutal zusammengeschlagen und ein altes Familienerbstück, eine Kette gestohlen. Jack hegt keine große Hoffnung in der Megapole New York den Gangster ausfindig zu machen, der die alte Frau überfallen hat. Aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz aber gelingt es Jack, die Kette zu finden und diese Kusum, seinem Auftraggeber zu überreichen. Job erledigt, Geld kassiert - jetzt hat er Zeit nach Gias verschwundener Tante zu suchen - so denkt Jack zumindest. Doch wie sagt man so treffend, denken ist Glückssache. Auf der Suche nach der Verschwundenen stößt Jack auf einen Fluch, der auf den Westphalens liegt. Vor drei Generationen hat ein Vorfahr der beiden Tanten in Indien sein Glück gemacht. Einen ganzen Krug voller Rohdiamanten hat er beim Überfall auf einen Tempel der Kali erobert, und dabei die Hohepriester der Göttin gemeuchelt. Jetzt, so deren Nachfahre, ist die Zeit der Rache gekommen. Alle Westphalen müssen sterben, so hat Kusum geschworen, auch die letzte der Familie, die Tochter von Gia. Und dabei ist der Inder bereit sein Erbe als Bewahrer der Rakoshi einzusetzen. Vor Jahrtausenden von der „Andersheit“ als dämonische Kämpfer im Auftrag des Bösen geschaffen waren die Rkoshi fast ausgelöscht. Jetzt lässt Kasim die grausamen und scheinbar unüberwindlichen Jäger in New York los - doch er hat seine Rechnung ohne Jack gemacht...
Der erste „Rapairman Jack“-Roman weist schon alle Versatzstücke der späteren Bestseller auf. Mehr noch, wir erfahren die Hintergründe für das nennen wir es einmal ungewöhnliche Verhalten Jacks, lernen Gia und ihre Tochter Vicky sowie den Waffenhändler Abe kennen. Dabei ordnen sich diese Elemente der Vorstellung, die Zeichnung und Entwicklung der Charaktere jedoch eindeutig der rasanten, ja atemberaubenden Action unter. Nach einem eher verhalten wirkenden Start geht es mit der Suche nach dem Täter des Überfalls auf die alte Frau gleich in die Vollen. Der Rächer der Unterdrückten, der Rechtlosen zeigt es den bösen Buben - so könnte man es salopp formulieren. Mit der Einführung der Rakoshi und weiterer übernatürlicher Elemente hat Wilson dann dafür Sorge getragen, dass sich sein Action-Hero von den mannigfaltigen Kämpfer für das Gute dann so markant unterscheidet, dass die Reihe bis heute von Fans und Kritikern gleichermaßen geschätzt wird.
Jack steht dem Übernatürlichem zunächst gänzlich ablehnend gegenüber. Er glaubt nicht an solchen Lug und Trug, das kann es einfach nicht geben. Lange verschließt er sich der Erkenntnis, dass es zwischen Himmel und Erde mehr Dinge gibt, als sich wissenschaftlich erklären lassen. Als er dann aber nicht länger umhin kann, die Existenz der Rakoshi zu akzeptieren, als die von ihm vergötterte Vicky gar in Gefahr gerät, rastet der äußerlich so unscheinbare Mann aus, und begibt sich auf seinen Kreuzzug. Diese Entwicklung ist trotz aller wilden Verfolgungsjagden und Kämpfe zwar unauffällig aber sehr sorgfältig in die Handlung integriert worden. Der Leser kann gut nachvollziehen, was Jack zu seinem Ausstieg aus der normalen Gesellschaft getrieben hat, wie und warum er jetzt so lebt wie er sich entschieden hat zu leben, und aus welcher Motivation er den Kampf gegen die übermächtigen Wesen so vehement aufnimmt. Bereits in diesem ersten Band der Abenteuer Jacks klingt die später immer mehr in den Vordergrund tretende „Andersheit“, eine ultimative Kraft des Bösen an. Im ewigen Kampf zweier gottgleicher Mächte droht die Erde, drohen die Menschen unterzugehen, ohne dass sie überhaupt wirksam ja wahrnehmbar in den Konflikt eingreifen können.
Voller Drive, voller atemberaubender Spannung mit einer Prise Übernatürlichem gewürzt bannt das Buch seine Leser förmlich an die Seiten. Dabei sind spätere Romane atmosphärisch dichter, die Charaktere differenzierter ausgearbeitet, doch auch der Auftaktband verspricht dem Leser fesselnden Lesegenuss pur.
Eine Anmerkung noch zum nicht ganz passenden Titel; - Ursprünglich sollte vorliegender Roman unter dem Titel „Rakoshi“ erscheinen. Nachdem der US-Verleger Wilsons sich jedoch von dem zugkräftigerem Namen „The Tomb“ - dt. „Die Gruft“ - eine bessere Annahme bei den Lesern erhoffte wurde das Buch unter dem irreführenden Titel veröffentlicht.
hinzugefügt: December 28th 2006 Tester: Carsten Kuhr Punkte: zugehöriger Link: Festa Verlag Hits: 3249 Sprache: german
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