Hell’s Resident (The Horror Anthology 6)
E 2006, Regie: Jaume Balagueró, mit Macarena Gómez, Adrià Collado, Nuria González u.a.
Von Thomas Harbach
Mit Filmen wie „The Nameless“ oder „Darkness“ hat sich der Regisseur Jaume Balagueró einen großen Namen unter Freunden des Horror-Kinos erarbeitet. Beide Filme waren sowohl inhaltlich wie auch vom stilistischen Aspekt her wahre Perlen des europäischen phantastischen Films. Mit „Fragile“ erscheint fast zeitgleich bei Splendid Entertainment in einer opulenten Doppel-DVD sein neuester Film. Fast einfach „Eine Geistergeschichte“ untertitelt geht es ebenfalls um alte Gemäuer – in dem Film im Gegensatz zur vorliegenden Fernsehfolge ein altes Krankenhaus – und die Geister, die dort leben. Lange Zeit hat der Zuschauer auch bei dieser Folge das Gefühl, dass in dem alten Wohnblock Geister leben, doch wie es sich für modernen Horror gehört, ist der größte Feind des Menschen immer noch der Mensch. Der Titel seines Beitrages zu spanischen Fernsehserie „Six films to keep you awake“ lautet „Hell’s Resident“ und kommt diesmal ganz ohne übernatürliches Element aus, ist aber dennoch dem phantastischen Genre zuzurechnen. Er folgt der neuen, nicht unbedingt wohlwollend aufgenommenen Bewegung der „Saw“-Filme, ohne – trotz drastischer Szenen – gänzlich auf eine gute Kamera/Regiearbeit zu verzichten. Jaume Balagueró zeigt sich trotz des offensichtlich geringen Budgets von seiner besten Seite. Dabei kommt ihm im Gegensatz zu seinen in der Dunkelheit spielenden Filmen das großartige Set – es scheint, als wenn es dieses alte Gebäude wirklich in einem der Vororte von Madrid geben könnte – entgegen. Er setzt insbesondere einen scharfen Kontrast zwischen den im Tageslicht spielenden Auftaktszenen – auf diese wird er zu einer besonderen Set in seiner Tragödie insgesamt zweimal zurückgreifen, einmal sogar in einer Hommage an George Sluizer „The Vanishing“ – und der Residenz der Hölle. Dabei lässt sich die Handlung – wie der Presstetext zeigt – sehr schnell und sehr einfach zusammenfassen:
Ein junges Paar sucht eine geeignete größere Wohnung in Madrid. Clara und Mario erwarten Nachwuchs. Jetzt endlich scheinen sie eine passende Wohnung gefunden zu haben. Doch die anfängliche Freude verfliegt schnell, nachdem sie dort eingetroffen sind. Das ganze Haus entpuppt sich als tödliche Falle, aus der es kein Entrinnen zu geben scheint. Wer jetzt aber mit einem klassischen Slasher Sujet rechnet, wird überrascht. Es gibt keine Teenager in diesem Film, die Charaktere werden nicht mutwillig getrennt und wenn das Drehbuch auf ein Klischee zurückgreift, dann dreht Balaguero die Spannungsschraube derart an, dass dem Zuschauer diese kleine Unlogik erst später auffällt. Es ist aber nicht nur so, dass Balaguero seinen eigenen, sehr geschickten Stil weiterentwickelt, in diesem Fernsehfilmen stecken so viele Anspielungen auf die Thriller eines Alfred Hitchcocks oder Brian de Palma auf Speed, dass es sich lohnt, einzelne Sequenzen und ihre Schnittfolgen genauer zu studieren. Löst sich der Zuschauer von diesen einzelnen Würdigungen, kommt eine so groteske Familiengeschichte an Tageslicht, wie man sie seit Wes Cravens unterschätztem. „The People under the stairs“ nicht mehr gesehen hat.
Bereits mit der Anfangssequenz, in welcher eine übel zugerichtete Frau mitsamt ihrem Baby aus einer nächtlichen Wohnung zu entfliehen versucht, bereitet den Zuschauer auf das Kommende vor: einen packenden Thriller ohne Verschnaufpause. Allerdings kann er zu diesem Zeitpunkt die einzelnen Teile der Handlung noch nicht zusammensetzen und glaubt an eine Rückblende, wie für den Horrorfilm inzwischen so typisch. In einer späteren Sequenz wird der Regisseur mit sichtlichem Vergnügen seinem Publikum zeigen, dass es sich nicht um die Vergangenheit, sondern das hier und jetzt mit einer grausamen, aber konsequenten Ausnahme handelt.
Kaum hat der Zuschauer die erste düstere Schreckensszene überstanden, nimmt der Regisseur die Fahrt aus dem Film und konzentriert sich intelligent, intensiv und mit sehr viel indirektem Humor auf seine beiden Hauptpersonen. Er stellt dem Zuschauer – im Gegensatz zum Vermieter, aber das würde eine Überraschung des sich mehr als einmal drehenden Plots vorwegnehmen – die neuen Mieter als Musterpärchen vor. Sie ist in anderen Umständen, er hat die Eigentumswohnung verkauft, in der vergeblichen Hoffnung, schnell etwas Besseres und Billigeres zu finden. Jaume Balagueró gibt sich anfangs betont positiv, zeigt ein helles Bild von Madrid, nur um dann umso schneller auf einen finsteren, schmutzigen Stadtteil umschalten zu können. Mit dem einsetzenden Regen ahnt man schon, dass es auch weiterhin bergab gehen wird. Und als das Paar durch ein heruntergekommenes Viertel fährt, ist endgültig klar – das wird eine ungewöhnliche Reise.
Die Bild- und Farbenkompositionen unterstützen die Reise, indem sie die Farbpalette konsequent von bunt auf trist herunterfährt. Alles wirkt desolat mit den Grau- und Brauntönen, die allerorten die Szenen beherrschen. Schon bevor das Pärchen das Haus schließlich auf penetranten Druck der Maklerin betritt, hat sich die Umgebung diesem tristen Gemäuer angepasst. Der Übergang ist nahtlos, aber die Architektur verblüffend mit dem alten Fahrstuhl in der Mitte, den fast loftartigen Fluren und schließlich den riesigen Wohnungen mit ineinander übergehenden Zimmern. Aber vieles – bis auf die verkommenen Küchen – lässt sich im Halbdunkel nur erahnen und nicht erkennen. Auch ausgefallene Kameraperspektiven und eine extrem unruhige Handkamera betonen in einigen Sequenzen den inneren Zustand der Protagonisten.
Die Spannung steigert sich ins nahezu Unerträgliche, als das Pärchen herausfindet, dass sich einige ihrer persönlichen Habseligkeiten bereits in der inserierten Wohnung befinden. Hat sie die Maklerin dorthin verfrachtet? Und dann durchbricht Balaguero scheinbar die bislang stringente Handlung, um eine Traum/Alptraumsequenz einzufügen. Der Zuschauer ist verwirrt, die Regie gewinnt an dieser Stelle zumindest einen Augenblick Luft, um das Geschehen zu ordnen und auch die siebzig Minuten zu füllen.
Jaume Balagueró ist auch hier wieder eine großartige, aber vor allem stimmungsvolle Regieleistung gelungen. Diese kann aber nur funktionieren, wenn auch die Darsteller ihre Rollen auf beiden Seiten – gut wie böse – ausfüllen. Gleich von Anfang an konzentriert man sich auf die Gesetze des klassischen Kammerspiels. Eine Handvoll Personen in einem abgeschlossenen Raum/Haus. Mario und Claire sind ein typisches, durchschnittliches Pärchen, keine besonderen Merkmale oder Züge. Erst im Laufe der Ereignisse werden sie über sich hinauswachsen, dabei wechselt die Belastung für die einzelnen Charaktere. Zu Beginn liegt die ganze Verantwortung des Überlebenskampfs nur auf den Schultern der schwangeren jungen Frau. Voller Bewunderung sagt die verrückte Maklerin, soviel Courage hätte sie ihr nicht zugetraut. Dann tritt – für den Zuschauer überraschend – wieder Mario auf die Bühne und hat zwei oder drei sehr effektive, aber auch blutige Szenen, bevor er den entscheidenden Fehler macht. Der Zuschauer erfährt von diesem Fehler nur durch das Gespräch der beiden Frauen – Claire hat inzwischen eine weitere Nachbarin und ihr Baby befreien können. Ganz bewusst lässt Balaguero die Handlung auf dem Höhepunkt des Films auslaufen, der Zuschauer sieht nur noch die nihilistischen Konsequenzen.
Mit der Maklerin dieser Alptraumresidenz hat das Drehbuch einen interessierten Charakter geschaffen, der sehr gut gespielt wird. Zu Beginn fast eine Karikatur auf die penetranten Makler, die selbst die letzte Bruchbude als Palast verkaufen, zeigt sich unverkennbar ihr Wahnsinn. Nachdem die Regierung ihr das Vermieten dieser Bruchbude verboten hat, sieht sie sich um ihren Lebensinhalt betrogen und will unbedingt wieder das Haus auf ihre Art mit Familien füllen. Zu den besten Szenen des Films gehören ihre immer langatmiger und verrückter werdenden Erklärungen, auf die Claire nur noch mit schockartigem Unverständnis reagiert.
Neben den Charakteren ist Jauma Balaguero aber auch bei der Darstellung von Gewalt nicht unbedingt zimperlich. Toaster prallen auf Schädel, Essensvernichter werden angestellt, wenn noch eine Hand drinnen steckt, ein Mann wird mit einer Platte mehrmals niedergeschlagen, seine Figuren sind comicartig resistent. Dabei kommt es ihm weniger auf Effekthascherei und endlose Foltersequenzen an, seine Gewalt ist dem Plot und der Inszenierung angepasst und wirkt manchmal eine Entladung der emotional Szenen, zumindest für einen Augenblick wie eine Katharsis in diesem gefängnisartigen düsteren Gemäuer.
Im Vergleich zu einigen anderen der sechs Filme, die einen wach halten sollen, überzeugt die Inszenierung von Beginn an, das Ende ist zwar offen, aber nur konsequent, der Plot originell und wie bei einigen anderen Folgen – siehe „Xmas Tale“ oder „Blame“ – ohne offensichtliche übernatürliche Elemente.
„Hells Resident“ ist ein kleiner, gemeiner Thriller, ein Beweis für den wieder kommenden spanischen Horrorfilm, dessen Tradition weit über die Paul Nashy-Monsterfilme hinausragt und in den sechziger sowie siebziger Jahren eine Reihe außergewöhnlich guter und spannender Filme produziert hat. Filme wie „Hells Resident“ beweisen, dass die spanischen Regisseure und Produzenten seit einigen Jahren federführend auf dem europäischen Markt der unheimlichen Phantastik sind. Zusätzlich ist diese Folge einer der Höhepunkt dieser kurzweiligen und durch die sechs Filme kurzlebigen Serie, die im Durchschnitt deutlich besser unterhalten konnten als zum Beispiel die deutlich höher budgetierten „Master of Horror“.
In der Verleih- oder Kaufversion ist als Zusatzmaterial lediglich eine Trailershow weiterer DVD-Titel von e-m-s zu finden. Es lässt sich spanisch als Sprache noch auswählen sowie die Untertitel an- bzw. abschalten. Die Bildqualität ist gut, die Farben sind ja absichtlich blass gehalten, nur ab und an erkennt der aufmerksame Zuschauer ein feines Rauschen. Durch das Vollbildformat ist die Komposition der Bilder gelungen, sowohl die deutsche als auch die spanische Tonspur können durch die Nutzung der hinter Kanäle in Bezug auf die Geräuschkulisse nicht nur überzeugen, sondern übertragen die unheimliche, stetig bedrohliche Atmosphäre direkt in den Nacken der Zuschauer.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, deutsch dts 5.1, spanisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch