Das verlorene Paradies 1: Hölle
Ange, Varanda & Lyse
(Paradis perdu: Enfer)
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
Splitter-Verlag, 2006, Hardcover, 48 Seiten, 12,80 EUR, ISBN 978-3-939823-00-1
Von Irene Salzmann
Der Engel Gabriel ist ein Wächter. Zu seinen Aufgaben gehört es, in Paris die Tore zu hüten, die die Hölle, die Erde und den Himmel miteinander verbinden. Weder feindliche Kreaturen noch Unschuldige dürfen versehentlich oder absichtlich in eine der anderen Welten wechseln.
Gabriel kann verhindern, dass sich der kleine Julien in die Hölle verirrt. Zufällig entdeckt er Anya, die von einer Horde Dämonen abgeführt wird, doch kann er ihr nicht helfen. Da ihm und Julien schon bald die Höllenhunde auf den Fersen sind, bringt Gabriel den Jungen in den Himmel in Sicherheit. Selber möchte er in die Hölle zurückkehren, um Anya zu befreien.
Der Wunsch wird ihm gewährt, und Julien folgt ihm, denn er fürchtet sich vor den Himmelbewohnern. Aber auch in der Hölle hat man Interesse an dem Kind. Anya scheint mehr zu wissen, schweigt jedoch und ist auch nicht allzu erfreut, dass Gabriel sie retten will. Schließlich verrät die Dämonin ein Geheimnis von Julien, das Gabriel und den Jungen zutiefst erschüttert…
Der Kampf von Gut gegen Böse ist das Ausgangsthema von nahezu jedem (phantastischen) Roman oder Comic. Dies trifft auch auf die vierteilige Serie „Das verlorene Paradies“ zu. Das wacklige Gleichgewicht der Kräfte ist bedroht, denn die Bewohner der Hölle sowie die des Himmels rüsten sich zu einer Schlacht, deren Ausgang auch das Schicksal der Menschen beeinflussen wird.
Inmitten dieser Wirren kämpfen der Engel Gabriel, die Dämonin Anya und der Junge Julien um ihr Leben. Julien ist etwas Besonderes, doch was ihn so wichtig macht für beide Seiten, wird nicht verraten. Auch über Anyas Geschichte darf der Leser noch etwas länger spekulieren. Nicht jeder ist das, was zu sein er vorgibt, und auch ob die Engel wirklich ‚gut’ sind, muss sich erst zeigen. Der Band endet mit einem Cliffhanger, einer ersten Enthüllung und Juliens Sturz in die Unterwelt.
Die Handlung ist spannend und bietet viele gute Ansätze. Allerdings gibt es bloß Andeutungen und keine konkreten Informationen über die Charaktere, ihre Motiven, den Konflikt. Das Wenige, das man den Dialogen entnehmen kann, ist sehr vage und nicht wirklich befriedigend. Um die Neugierde anzuregen, hätte es durchaus etwas mehr sein dürfen.
In Folge wirken die Protagonisten wie gängige Genre-Archetypen ohne individuelle Attribute: Gabriel präsentiert sich als mutiger, ehrbarer Engel, der jedoch nichts von den Plänen seiner Vorgesetzten und den Vorgängen in der Hölle weiß. Er ist in Anya verliebt, die er von früher kennt. Die Dämonin hat ihre Erinnerungen verloren, aber wirklich ‚böse’ ist sie scheinbar nicht, selbst wenn sie ihre Kenntnisse für sich behält. Julien wird sogleich zu Gabriels Sidekick und dem Dreh- und Angelpunkt der Story. Was ist ihm zugestoßen? Weshalb wollen Engel und Dämonen seiner habhaft werden? Welches Geheimnis hütet er? Auf die vielen Fragen werden erst die nächsten Bände eine Antwort geben.
Die realistisch-idealistischen Zeichnungen sind ansprechend und sehr schön koloriert. Sie unterstützen die Handlung gelungen, und es bereitet viel Freude, sie zu betrachten. Das Team Ange & Varanda, das bereits bei den Serien „Bloodline“ und „Die Legende der Drachenritter“ zusammenarbeitete, ergänzt sich hervorragend.
Die Fans von (Dark) Fantasy und Horror sollten einen Blick in dieses schöne Comic-Album werfen, denn außer spannender Unterhaltung bietet die neue Serie ausgesprochen aparte Zeichnungen, und für einige Überraschungen werden Charaktere und Plot zweifellos noch sorgen.