The Big Empty
USA 2003, Regie: Steve Anderson, mit Jon Favreau, Adam Beach u.a.
Von Thomas Harbach
Science Fiction-Filme und -Komödien sind nicht immer überzeugend kompatibel. Oft zu gequält lustig, dann wieder im Bereich des Humors unterrepräsentier. Wenn man diese beiden Genres zusammenpackt erhält man im besten Fall ein Filmmeisterwerk, oder im schlimmsten Fall einen Film, den niemand kapiert. „The Big Empty“ ist eine schräge Mischung aus beidem und erinnert nicht von ungefähr an die schräge Komödie „Real Man“ (1987) mit James Belushi, in der dieser einen CIA Agenten spielt, der sich mit einem Kollegen mit Aliens treffen soll, die der Menschheit wahlweise eine mächtige Waffe oder ein Mittel zur Beseitigung der Umweltschäden übergeben wollen. Dafür verlangen die Außerirdischen ein Glas Wasser. Pirandello und Wilson überwinden zahlreiche Schwierigkeiten. Wilson trifft sich mit dem Alien, gibt ihm ein Glas Wasser und bekommt das Mittel. Der Außerirdische lobt die Klugheit der Menschheit, sich für das Mittel entschieden zu haben. Etwas später sagt Pirandello seinem Kollegen, es sei besonders aufregend, die Welt _zum ersten Mal_ gerettet zu haben.
In „The Big Empty“ geht es nicht um die Rettung der Welt, es geht nicht einmal um einen Dienst für die Menschheit, es geht um die Langeweile im Leben gewöhnlicher Menschen und vielleicht, nur vielleicht eine Raumschiffhaltestelle mitten in der Wüste für ausreisewillige Normalbürger in blauen Kapuzenjacken. Autor/Regisseur Steve Andersons Debütfeature ist eine dunkle Komödie, ganz bewusst sowohl in Los Angeles – kaum eine Stadt steht stärker für verlorene Träume als die Stadt der Engel – und Baker, in Kalifornien. Direkt zwischen Las Vegas und Los Angeles am Death Valley beheimatet ist das Nest für das größte Thermometer der Welt bekannt, wahrscheinlich ein „Leuchtfeuer“ für die ansonsten unsichtbaren Außerirdischen. Es ist in dieser Einöde, das atmosphärisch weniger den überdrehten Komödien der neunziger Jahre eine gewisse Ehre erweist, sondern unbewusst die nihilistische Stimmung der Film Noir Werke der vierziger und fünfziger Jahre allerdings mit bizarren Charakteren und vor allem einer für dieses Subgenre so typisch pulpigen Story wieder ins Leben zurückbringt. Obwohl es sein erster Film ist, hat Anderson sein Handwerk als Dokumentarfilmer von der Pike auf gelernt. Für Klienten wie CNN hat er Nachrichten und Unterhaltungsgeschichten aus aller Welt aufgenommen und schließlich bislang sieben thematisch sehr unterschiedliche, aber preisgekrönte Dokumentarfilme gedreht. Einige seiner oft surrealistisch angehauchten Drehbücher sind in Produktionsvorbereitung und zusätzlich werden andere Stoffe in einer Linie in Off-Theatern aufgeführt. Auch wenn ihn das Cover in die Nähe von David Lynch rückt, fehlt ihm die fast schmerzhafte Ernsthaftigkeit und vor allem die Besessenheit, alles und jeden zu verschlüsseln.
John Person, ein Schauspieler ohne richtigen Job aber mit hohen Schulden, erhält die Chance seine Schulden zurückzuzahlen. Alles was er dafür tun muss, ist einen blauen Koffer in ein kleines Kaff mitten in der Wüste bringen und dort einem mysteriösen Mann namens „Cowboy“ übergeben. Dort angekommen muss John feststellen, dass „Cowboy“ schon wieder weg ist, aber bald zurückkommen wird. In der Zwischenzeit lernt er die schrägen Einwohner samt ihren Eigenheiten kennen und merkt, dass an diesem Ort nichts normal zu sein scheint.
Das Grundgerüst der Geschichte hört sich sehr nach Thriller an. Verzweifelter Mann übernimmt brisanten Botenauftrag für zwielichtigen Typen. Dass John Person, dargestellt von Jon Favreau („Very Bad Things“), eigentlich keine Ahnung hat, auf was er sich dabei einlässt, gehört zum amüsanten Teil des Films. Stolz gibt er einer Prostituierten ein Autogramm, die ihn in seinem einzigen wirklich relevanten Fernsehauftritt – einer Sitcom, die es auf drei Folgen gebracht hat – gesehen hat. Person fehlt aber der angeborene Zynismus seiner klassischen Vorbilder, ein wenig naiv, ein wenig hilflos, dann wieder mutig – insbesondere wenn es um Frauen in Gefahr geht – und schließlich ein absoluter, unwissender Dickkopf, der sich gerne möglichst schnell die 27.000 Dollar plus Spesen verdienen möchte.
Anderson beschreibt ihn aber als nicht dummen Ignoranten, sondern er ist sich den Gefahren seines Auftrages bewusst, seine Schuldenfalle lässt ihm keine Alternative.
Es sind diese feinen Nuancen, die „The Big Empty“ von den unzähligen B-Filmen unterscheidet. So steigt er nicht nur mit der minderjährigen Tochter der einzigen Barkeeperin des Nests ins Bett, sondern gewinnt am Ende nicht das Spiel, aber zumindest sein Mädchen. Es ist seine Nachbarin Joey Lauren Adams (Chasing Amy), die zusammen mit Rachael Leigh Cook („Eine wie Keine“) für die allerdings phasenweise unglaubwürdigen romantischen Untertöne des Films sorgen. Dabei ist es schön, auf der einen Seite Joey Lauren Adams in einer nicht bedeutenden, aber signifikanten Rolle zu sehen. Im Vergleich zu ihrer wirklich überzeugenden Darstellung in Kevin Smiths Komödie „Chasing Amy“ kann sie aber ebenso wenig aus ihrer Figur machen wie Rachael Leigh Cook aus der Rolle der naiven Dorfschönheit. Allerdings haben beide im Verlaufe des Films ihrer Momente, in denen sie zeigen, wie viel Spaß die Dreharbeiten gemacht haben. Dazu kommt der Empfänger des Koffers, der mysteriöse Cowboy (Sean „Boromir“ Bean) bringt auch noch ein nicht zu leugnendes Element der Bedrohung in den Film. Anderson schwankt oft zwischen Komödie, Thriller und schließlich Mystery-Film. Wenn Cooks brutal aggressiver Freund schließlich vom Cowboy erledigt wird, lehnt sich das Abenteuer eher an die frühen Thriller der Coen-Brüder an als Komödien wie „Real Man“. Zwar findet Anderson immer wieder schnell zur leichten, unterhaltsamen Erzählung zurück, aber die dunklen Elemente sind stetig direkt unter der Oberfläche der einzelnen, sehr unterschiedlichen Protagonisten zu spüren.
Dazu Daryl Hannah als immer noch sehr erotisch aussehende, bodenständig realistische Frau, die sich um ihre Stieftochter kümmert, dabei aber auch ihre Schwächen toleriert. Wenn die Mutter davon spricht, dass ihre Tochter ein Sixpack Bier am Morgen verträgt, bei Jack Daniels mit Schlagsahne – einer der überdrehten und im Fortschreiten der Handlung störenden Szenen – aber die Grenze zieht, kann der aufmerksame Zuschauer erkennen, wie skurril die einzelnen Figuren gezeichnet und nicht selten überzeichnet sind.
Trotzdem kann der Film nicht ganz überzeugen. Die ersten zwei Drittel des Films sind kurzweilig und unterhaltsam. Zwar werden kleinere Handlungsstränge nicht fortgeführt - was passierte mit dem Kopf des Nachbarn? -, aber immerhin kommt nie Langeweile auf. Um wirklich überzeugen zu können, fehlt ihm vielleicht ein wenig mehr Absurdität, die Anspielungen sind oft zu zart, zu vorsichtig und insbesondere bei diesen guten und sicheren Schauspielern hätte der berühmte Schritt weiter insbesondere plot-technisch dem Film gut getan. Nicht selten bremsen sich Drehbuch und Regie aus. Immer wenn der Zuschauer das Gefühl hat, jetzt werden auch Konventionen angegriffen – Sex mit offensichtlich minderjährigen, alkoholkranken Teenagern und schließlich auch die Hinrichtung des eifersüchtigen Ex- Freundes – schwingt das Pendel zu stark in die andere Richtung.
Stilistisch sehr sicher zeichnet Anderson nicht nur die fatalistische Atmosphäre dieses wirklich am Ende der Welt befindlichen Ortes nach, sondern gibt seinen Bewohnern zumindest kurzzeitig ein Gesicht. Dazu kommen die absurden UFO-Geschichten, die ein wenig Wehmut den achtziger und neunziger Jahren mit ihren oft herausfordernden Fernsehproduktionen aufkommen lassen. Stellenweise fühlt sich der Zuschauer in eine Art Off-Folge der kurzlebigen Fernsehserie „Dark Skies“ versetzt, jeder spricht über UFOs, jeder weiß, dass es UFOs gibt, aber niemand kennt ihre Mission. Anderson ist sich seinem Budget sehr wohl bewusst und so gehört das sehr offene Ende auf der einen Seite zu den am zielsichersten inszenierten Passagen des Films, auf der anderen Seite aufgrund der fehlenden Antworten – ist der Kreis wirklich nur ein Signal, um zu den Sternen zu fliegen oder ein einfacher Trick, naive Menschen auszurauben? – zu den frustrierenden Passagen. Trotzdem wirkt die blaue Wüste genauso eindrucksvoll wie der Regenschirm mit Wassertieren drauf unter der sengenden Sonne. Beim Ende des Films kann Anderson sich zwar auf der einen Seite austoben, für viele Zuschauer dürfte aber das Geschehen zu abgedreht sein. Dazu verliert sich die Spur des zwielichtigen Cowboys im Nichts. „The Big Empty“ ist kein herausragender Film, lässt sich auch schwer mit den oft zu kunstorientierten Arbeiten eines David Lynch vergleichen, am ehesten ließe sich der Film mit der kleinen Bar/Kneipe vergleichen, die Daryl Hannah so vorbildlich führt. Leute kommen dorthin, treffen sich durch einen Zufall, unterhalten sich für einen Moment und gehen zufrieden wieder ihrer Wege. Durch die solide Besetzung des Films – es macht einfach Spaß, den einzelnen Schauspielern auf die Finger zu sehen – und einige sehr gut inszenierte Szenen zeigt Anderson – inzwischen leider fast rückblickend – die Möglichkeiten, aber auch Grenzen des Independentkinos der neunziger Jahre des letzten Jahrtausend auf und haucht einer nicht unbedingt originellen – siehe auch „The Quartermass Conclusion“ aus den siebziger Jahren – kurzzeitig und kurzweilig neues Leben ein.
Auf der eigentliche DVD befindet sich ein eher durchschnittlicher Audiokommentar von Drehbuchautor und Regisseur Steven Anderson. Nur selten gelingt es ihm überzeugend, einen Eindruck von den Dreharbeiten und der Zusammenarbeit mit den einzelnen, nicht unbedingt berühmten, aber markanten Schauspielern wiederzugeben. Insbesondere bei diesen kleinen Low Budget-Projekten erwartet der Zuschauer einfach mehr Informationen und im Falle eines so Genre-überschreitenden Films mit einer nicht erkennbaren Botschaft auch einige relevante Informationen zur Idee, zum Konzept und schließlich zum Plot. Der Audiokommentar ist deutsch untertitelt. Welche Schwierigkeiten Anderson mit dem Ende seines Films hatte, zeigen die Alternativfassungen auf der zweiten DVD der Special Edition. Auch sie wird von einem Audiokommentar begleitet, klärt das Geschehen aber nicht weiter auf. Viel lustiger sind die Outtakes und das Making Of gibt einen besseren Eindruck von den Dreharbeiten wider; als der komplette Audiokommentar. Mit insgesamt 45 Minuten Lauflänge überziehen die Extras nicht die Geduld des Zuschauens und runden ein nostalgisch verklärtes Sehvergnügen ab.
„The Big Empty“ ist kein großes Kino, aber ein Film, der von dem großen Kino lebt und sich seine eigene Nische draußen gegraben hat. Es lohnt sich, die Schaufel in die Hand zu nehmen und trotz der unbarmherzig brennenden Sonne einen ungemein unterhaltsamen kleinen Film auszugraben und zumindest für die Laufzeit ein Heim zu geben.
DVD-Facts:
Bild: 2,35:1 (anamorph 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0 Stereo, deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 2.0 Stereo, englisch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 2.0 Stereo (Kommentar)
Untertitel: deutsch, englisch
DVD-Extras:
Audiokommentar, Outtakes, Making of