Mucha Sangre
Spanien 2002, Regie: Pepe de las Heras, mit Jacinto Molina, Rodolfo Sancho, Txema Sandoval, Isabel del Toro u.a.
Von Thomas Harbach
Mit „Mucha Sangre“ kehrt das phantastische spanische Kino fast zu den Wurzeln seiner Erneuerung zu Beginn der neunziger Jahre zurück und ehrt den großen Paul Naschy, der in den sechziger und siebziger Jahren fast im Alleingang die Fahne hochgehalten hat. Wenn der Name des Regisseurs nicht deutlich in den Credits genannt worden wäre, könnte diese Splatterkomödie eines der Frühwerke von Alex de la Iglesia („Aktion Mutante“, „El Dia de la Bestia“, „Perdita Durango“) sein. Er stammt allerdings von seinem spanischen Landsmann Pepe de las Heras, der mit seinem abgedrehten Humor allerdings nicht nur diese frühen Werke würdigend imitiert, sondern dessen Spektrum bis zu den inzwischen durch seine „Herr der Ringe“-Trilogie überschatteten provozierenden Arbeiten eines Peter Jacksons reicht.
Aber wenn es inzwischen um Blutfontänen geht, steht las Heras dafür ein, während zum Beispiel Jaume Balaguero inzwischen für stimmungsvolle, aber effektive Geistergeschichten steht. Siehe „The Nameless“, „Darkness“ oder jetzt „Fragile“. In diesem lässt sich der Titel sich auch schlicht und einfach übersetzen: viel Blut.
Die Handlung des Filmes ist ziemlich schnell erzählt: Zwei Verbrecher entkommen einer Strafanstalt und entführen auf ihrer Flucht eine vollbusige Spanierin, samt ihres Citroen (einer alten Ente). So macht sich das Dreiergespann auf den Weg, ausstehende Schulden einzutreiben. Zwischendurch wird aber noch ein Freund abgeholt und das Busenwunder in dessen schäbiger Behausung gefesselt zurückgelassen. Der Schuldner, gespielt von der Legende Paul Naschy, stellt sich erstens als nicht bereit, die 10 Millionen Euro zu zahlen und zweitens als Anführer einer Alien-Zombie Truppe heraus. Und los geht es zu einer der abgedrehtesten Geschichten, die das Genre Fun-Splatter je hervorgebracht hat.
Gleich zu Beginn in einer fiktiven Wochenschau zeigt der Film den Absturz eines Meteoriten ins Meer vor Spaniens Küste. Trotz der Aufregung wegen radioaktiver Strahlung erweist sich zumindest einer der Politiker als mutig genug, um im Meer zu baden. Was will man als unschuldiger Bürger mehr von einem korrupten Politiker erwarten.
Vielleicht noch die normalste Szene dieses Films, der im Laufe seiner geradlinigen Handlung mehr und mehr zu einer Science Fiction Splatter Hommage natürlich á lá „From Dusk Till Dawn“ wird. Dazu ist es aber notwendig, überzeugende – nicht unbedingt realistische, aber zumindest leicht zu identifizierende - und vor allem im positiven wie negativen charismatische Figuren zu etablieren. In beiden Fällen ist die fast klischeehafte Krimihandlung nur der Katalysator für eine abgedrehte Horrorkomödie. Für die Schauspieler ist es nicht einfach gewesen, die schrägen, oft überzeichneten Dialoge wirklich überzeugend wiederzugeben. In ihrem Filmdebüt gibt Isabel del Toro eine gute Figur ab, im wahrsten Sinne des Wortes. Die dralle, dunkelhaarige Schönheit hat mehr Sexappeal als so manches Hollywoodsternchen und ihre Dialoge bringt sie zudem sehr ordentlich über die Lippen. Natürlich gibt es für sie im Filmuniversum auch entsprechende Vorbilder. Wie schon lange nicht mehr wirkt sie wie eine Frau direkt aus einem Russ Meyer-Film. Das zeigt sich nicht nur bei ihrer Figur – die abrupt beendete Liebesszene zeigt ihr Vorzüge sehr deutlich – sondern vor allem ihrer Kleidung – schwarz mit einem schönen und vor allem weiten offenen Ausschnitt – und natürlich ihrer entschlossenen, beherzten Art. Im Gegensatz zu Russ Meyers Helden fährt sie allerdings eine Ente. Das wohl bekannteste Gesicht dürfte das von Jacinto Molina („Highway zur Hölle“, „Heart Beat“) sein, da er in vielen, vor allem spanischen, Horrorproduktionen Rollen übernommen hat. Molina arbeitete zudem in seinen auch heute noch bekanntesten und als Kult gehandelten Streifen unter dem Pseudonym Paul Naschy. Rodolfo Sancho („Allein unter Nachbarn“, „Im Schutze der Nacht“) übernimmt in seinem Part als Choro langsam aber sicher die Hauptrolle im Verlaufe des Films und macht einen guten Eindruck als Actiondarsteller. Letztlich sei noch Txema Sandoval genannt („Die Last mit der Lust“,“„A Ciegas“) der als Cortaojos das Trio im Kampf gegen die Außerirdischen vervollständigt. Kaum hat sich zumindest das Duo gefunden, präsentiert man unterlegt mit nerviger Hardrock-Musik in einem Nachtclub – wieder eine deutliche Anlehnung an den Vampirstreifen – ein Feuergefecht, das in seiner Inszenierung John Woo und seinem „Hard Boiled“ nicht nur alle Ehre macht, sondern phasenweise wie eine zu klein geratene Kopie wirkt. Es ist aber nicht die einzige Anspielung an das populäre Szenekino. Im Gegensatz zu einer wirklich überzeugenden Hommage wirken hier viele Szenen eher wie Plagiate als überzeugende Würdigungen. Eine der blutig-lustigen Szenen ist noch eine Parodie auf die Zahnarztszenen aus dem „Little Shop of Horror“, der seine Qualen – das zu Brei schlagen – zwar nicht liebt, aber möglichst schnell hinter sich bringen möchte, um dann zu entscheiden, ob es sich lohnt, die richtigen Informationen zu geben. Der schnelle Schnitt zwischen dem Analliebenden außerirdischen Außerirdischen und Naschy auf den Vollmond inklusiv des Wolfsheulens fasst die Karriere in diversen Horrorfilmen sehr gut zusammen. Später kommen noch Camerons „Terminator“ oder leider auch Zuckers „Die nackte Kanone“ in diesem Film vor. Natürlich ist es schön, auf Peter Jacksons „Braindead“ hingewiesen zu werden und wenn die Heldin zum ersten Mal unter pastoraler Musik einen sabbernden Zombie sieht, ist es zumindest für den Augenblick lustig. Die Schwierigkeit ist, die einzelnen Szenen zu einem überzeugenden Film zusammenzufügen. Der Scheißefressende Polizist als Running Gag ist allerdings nicht unbedingt lustig.
Obwohl nur knappe achtzig Minuten lang und mit Effekten versehen, die eine FSK 16 herausfordern, gelingt es dem Film, sehr kurzweilig zu unterhalten und nicht selten zu überraschen. Knapp zur Hälfte des Geschehens entpuppen sich zwei der drei Mitglieder des Teams als Polizisten und zwingen den „Schlitzer“, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Diese Wendung ist zwar auf den ersten Blick überraschend, auf den zweiten unterstreichen solche Irrungen die oft fehlende Stringenz des Drehbuchs. Rückblickend ist es nicht notwendig gewesen, einen alternden Verbrecher aus dem Gefängnis herauszuholen, um ihn zu einem Mitglied des Teams zu machen. Ein vernünftiger Untergrundfahnder hätte diese Aufgabe auch übernehmen können.
Die Kameraführung ist teilweise extrem überzeichnet – alleine wie die drei sehr unterschiedlichen „Helden“ über den Zombie gebeugt überlegen, wie man diesen erstens zum Reden bringen und zweitens Töten kann – ohne die manchmal wenig subtile Komik zu unterstreichen. Was den Film auszeichnet, ist die nicht immer gelungene Suche nach einem eigenen Platz im Universum. Ganz bewusst wird auf die Gesetzmäßigkeit des Zombiefilms verzichtet. Er ist fest verankert im Entertainment-Bewusstsein seiner Zuschauer. Wenn im Hintergrund die Hymne eines Italowestern ein Duell zwischen den Protagonisten ankündigt, fügen sich in dessen Phantasie – fälschlicherweise – die entsprechenden Teile zu einem Bild zusammen. Mit einem Schwenk de Kamera wird diese Theorie wieder ad absurdum geführt. Leider wird jede gute Szene von einer überzeichneten und oft billigen Klamaukszene begleitet, so dass der Film teilweise zu uneinheitlich wirkt. Wenn bei einer Passage mit der Motorsäge und einem filetierten Zombie die Ode an die Freude eingespielt wird und damit der Bogen zum „Texas Chainsaw Massacre“ perfekt ist, dann lebt der Film – seinem Titel Ehre machend – tatsächlich auf. Allerdings ist diese Passage aus „Men in Black“ freundschaftlich gesagt entliehen, ehrlicherweise deutlich kopiert worden. Es trägt zwar nicht dazu bei, die Handlung voran zu bringen, aber zumindest funktionieren die Trickeffekte. Das Dinner am Ende der Films ist allerdings zu viel des schlechten oder guten Geschmacks. Geschmatze und Furzen wirken eher wie kindisches Benehmen – auch wenn im gleichen Augenblick beim Eindringen/Vordringen der Guten die „Mission Impossible“-Melodie läuft – und negieren insbesondere zu Beginn der Endschlacht einen Teil der skurrilen Atmosphäre.
Musikalisch wird fast der komplette Film mit harten Gitarrenriffs und Akkorden untermalt und es wirkt ein wenig wie der Soundtrack von „From Dusk Till Dawn“, wobei die Musik deutlich härter abgestimmt ist.
„Mucha Sangre“ ist eine uneinheitliche Splatterkomödie mit sehr guten Szenen, packenden und manchmal sehr pointierten Dialogen, skurrilen überdrehten, nicht immer wirklich überzeugenden Charakteren – allerdings guten Schauspielern – und vor allem einer Idee, die fast dreißig Jahre zu spät kommt und doch mehr als einmal ein Lächeln auf das Gesicht eines Filmfans zaubern kann. Als Doppelfeature mit „From Dusk Till Dawn“ am besten zu ertragen oder zusammen mit „Perdita Durango“ ein ideales Drive In-Erlebnis, irgendwo in einem einsamen Kaff nahe der spanischen Autobahnen.
Die Doppel-Edition kommt in einer schönen Metallbox mit einem allerdings eher abschreckenden Cover daher. Der Hauptfilm auf der ersten DVD ist in sehr guter Qualität, die oft künstlich aufgemotzten Farben werden sehr gut wiedergegeben – insbesondere die Grünstiche und Rotlichtszenen überzeugen. Der Ton ist sauber, es lohnt sich insbesondere die Originaltonspur mit den deutschen Untertiteln zu wählen. Die deutsche Synchronisation wirkt manchmal ein weniger schwerfällig zu der fließenden spanischen Wortinvasion.
Die Extras der zweiten DVD lassen wohl bei jedem wissbegierigen Filmfan das Herz höher schlagen. Die Interviews sind zwar vom gestalterischen Gesichtspunkt eine Katastrophe, so sitzt beispielsweise Paul Naschy auf einem deutlich niedrigeren Stuhl, als der Mann, der die Fragen stellt und auch die Tonqualität ist nicht die beste. Doch abgesehen von diesen kleinen Kunstfehlern, die ja auch keinen Einfluss auf die Qualität der gestellten Fragen haben, sind es sehr tolle und informative Interviews.
Den Anfang macht der Regisseur, Pepe de las Heras. In diesem ca. 34 Minuten langen Gespräch werden Themen wie Zensur, Dauer der Dreharbeiten, sein künstlerischer Werdegang und noch einige andere angeschnitten. Und eine kleine Anekdote zu dem Dreh gibt es auch.
Beim zweiten uns sogleich auch längsten Interview (47 Minuten) steht Paul Naschy Rede und Antwort. Dieser sympathische alte Kauz, plaudert über seine Karriere, die vor über 40 Jahren begann und inzwischen an die 100 Filme hervor brachte. Beeindruckend im Vergleich zu vielen anderen Interview ist das Fachwissen, das der Interviewer an den Tag legte – der kannte sich mit Paul Naschys Biographie wirklich gut aus.
And last but not least, die Geldgeberin, Isona Passola. In 11 Minuten erzählt sie, wie es zu der Zusammenarbeit zwischen ihr und Pepe kam.
Letztes Extra der zweiten DVD ist eine Trailer-Show mit 14 OriginalKinotrailern.
Die Interviews sind sehr gut geführt, die Fragen im Vergleich zu vielen anderen Extras fundiert und vor allem hat man auf das oft zu werbetechnisch aufgemotzte Beiwerk wie ein Making Of verzichtet.
DVD-Facts:
Bild: 1,85:1 (anamorph, 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, spanisch Dolby Digital 2.0 Stereo
Untertitel: deutsch, englisch, spanisch
DVD-Extras:
Interviews, Trailer