Kazuki Sakuraba
Gosick 1
(Gosick, 2003)
Aus dem Japanischen von Jens Ossa
4 Farb- und 11 Illustration von Hinata Takeda
Tokyopop, 2006, Taschenbuch im Kleinformat mit Klappbroschur, 304 Seiten, 7,50 EUR, ISBN 978-3-86580-916-2
Von Christina Zurek
Die Geschichte spielt 1924 in dem fiktiven kleinen europäischen Staat Sovurien. Kazuya Kujo, der Sohn einer japanischen Soldatenfamilie, wird auf dem Eliteinternat St. Margueritte wegen seines fremdartigen Äußeren von seinen Mitschülern gemieden. Nur Avril Bradley, eine englische Austauschschülerin hält offen zu dem Jungen, obwohl dieser sich mit ihrem Faible für Geistergeschichten nicht so ganz anfreunden kann. Doch Kazuya hat noch eine andere, geheimnisvolle Freundin.
In den Gewölben der alten Bibliothek, zu der man nur über eine wackelige, alte Treppe gelangt, lebt das mysteriöse, adlige Mädchen Victoria. Da diese stets dem Unterricht fernbleibt, ranken sich um Victoria in der Schule die abenteuerlichsten Legenden. Kazuya, der Victoria zufällig kennen lernte und sie nun mit Schulaufgaben versorgt, ist von Anfang an fasziniert von dem ungewöhnlichen Mädchen. Victoria ist klein für ihr Alter und wirkt zart und zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe, verfügt aber auch über ein schnippisches Mundwerk und einen messerscharfen Verstand.
Dieser Verstand wird auch von dem eingebildeten Inspektor Greville de Broix sehr geschätzt, der sich ständig von Victoria bei seinen Ermittlungen helfen lässt. Genauer gesagt löst Victoria die Fälle, während der arrogante Ermittler ständig die Lorbeeren erntet. So auch in dem jüngsten Fall um eine ermordete Wahrsagerin. Dies geht Kazuya, der von de Broix ständig als Mittelsmann benutzt wird, da der Inspektor seltsamer Weise nie direkt mit Victoria kommunizieren will, ganz gehörig auf die Nerven.
Doch so schnell gelöst, wie es den Anschein hatte, ist das Rätsel um die Wahrsagerin dann doch nicht. Die Ermittlungen führen Victoria und Kazuya auf die „Queen Berry”, ein Schiff das Kazuya nicht ganz unbekannt ist, schließlich soll dieses laut einer von Avrils Schauergeschichten schon vor zehn Jahren im Meer versunken sein. Sind die beiden etwa auf einem Geisterschiff gelandet? Die Wahrheit ist noch um einiges grausiger und hängt mit dem Schicksal von mehreren Kindern zusammen, die vor Jahren spurlos verschwanden.
Bei diesem Buch handelt es sich um eine Light Novel, die sich wegen ihres handlichen Formats in Japan äußerster Beliebtheit erfreuen. Tokyopop wagt nun das Experiment, diese Bücher auch in Deutschland zu vermarkten.
Hoffentlich wird dieses Experiment von Erfolg gekrönt sein. Denn die „Gosick” Reihe hätte dies auf jeden Fall verdient.
Der Roman richtet sich an die Lesegruppe ab 13 Jahren und bedient sich daher einer einfacheren Sprache, die sehr flüssig und angenehm zu lesen ist. Der Übersetzer hat hier ganze Arbeit geleistet. Die Geschichte verbindet sehr geschickt klassischen Krimi mit Horrorelementen. Die Handlung ist unglaublich spannend, aber auch unheimlich und brutal, was gewisse Morde betrifft. Da kommt der in passendem Maße beigesteuerte Humor gerade recht. Meistens wird er durch Victorias recht kauzige und exzentrische, doch stets liebenswerte Art beigesteuert, die den armen Kazuya oft an den Rande der Verzweiflung bringt.
Die beiden Figuren sind gut charakterisiert. Kazuya ist der typische liebenswerte Außenseiter aus einem fremden Land, der sich für seine Freunde einsetzt. Ansonsten geht sein Charakter nicht besonders in die Tiefe, und auch über seine Vergangenheit erfährt der Leser nicht all zu viel. Dies stört aber auch nicht sonderlich, denn schließlich bietet die Reihe noch mehr Bände, in denen sich der Junge noch weiterentwickeln kann.
Der wirklich interessante Charakter ist Victoria, die viele Widersprüche in sich vereint. Sie wirkt klein, zierlich und verletzlich, hat dabei aber die Stimme einer alten Frau. Verstand und Kombinationsgabe sind bei ihr so einzigartig, dass sie sich in der Bibliothek, die sie bewohnt, häufig langweilt. Da sie diese kaum verlassen darf, kennt das einsame Mädchen die Außenwelt nicht und würde sich dort ohne ihren Freund Kazuya überhaupt nicht zurechtfinden. Trotzdem legt sie ihm gegenüber häufig ein herablassendes oder schnippisches Verhalten an den Tag. Doch im Laufe der Geschichte bröckelt diese Maske, und man sieht, wie sehr sie Kazuya mag. Victoria umgibt eine traurige Vergangenheit, die sie zur Einsamkeit verdammt. Am Ende des Buches wird diese nur zum Teil gelüftet, denn schließlich soll ja noch genug Stoff für kommende Geschichten da sein.
Der Fall selbst ist recht simpel gestaltet, und einiges, aber nicht alles, ist für ein älteres Publikum schnell herauszufinden. Dies tut der Spannung und dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch. Schließlich richtet sich das Buch ja an junge Leser, und diese sollen mit dem Kombinieren nicht überfordert werden und auch Erfolgserlebnisse im Ermitteln verbuchen können.
Trotzdem gibt es am Ende doch einige Überraschungen, wenn der ganze Fall aufgeklärt wird und ein entsetzliches Drama offenbart wird, bei dem man nicht mehr weiß, wer nun eigentlich die Opfer und wer die Täter sind.
Nach jedem Kapitel folgt ein Monolog, in dem die Vergangenheit vor zehn Jahren aus der Sicht einer unbekannten Person geschildert wird, welcher die Spannung ins unermessliche steigert. Dies verwirrt nicht im Geringsten, sondern gibt der Geschichte eine vernünftige Gliederung.
Besonders gelungen sind die hübschen Zeichnungen von Hinata Takeda. Neben mehreren Schwarzweiß-Bildern gibt es am Anfang auch vier wunderschöne Farbseiten.
Die Altersempfehlung ab 13 Jahren ist passend gewählt, da die Horrorelemente und einige Morde zu grausam für jüngere Leser sein könnten. Alle anderen erwartet eine spannende Geschichte mit einem liebenswerten Ermittlerduo. Bleibt nur zu hoffen, dass der zweite Band das Niveau des ersten Bandes halten kann.