100 % DC 6: Batman – Geheimnisse
Sam Kieth, Alex Sinclair u. a.
(Batman: Secrets 1 -5, 2006)
Aus dem Amerikanischen von Steve Kups
Panini, DC Deutschland, 2007, Paperback mit Klappenbroschur, 120 Seiten, 17,90 EUR
Von Irene Salzmann
Der Joker ist geläutert – und wird aus seiner Haft entlassen. Für die Medien ist das eine Sensation, und prompt wird der einstige Kriminelle zu einem beliebten Gast in Talkshows. Noch interessanter aber wird er für die Presse und das Publikum, als Amateur-Fotos auftauchen, die belegen, dass Batman, der Erzfeind des Jokers, den nun friedlichen Mitbürger attackiert hat. Und es bleibt nicht bei diesem einen Vorfall.
Die Zuschauer sind hin und her gerissen: Ist vielleicht Batman in Wirklichkeit der Aggressor und Joker nur ein Opfer? Oder steckt ein ganz gemeiner Trick hinter all den Beweisen, die Batman plötzlich belasten und ihn beschuldigen, der Mörder eines jungen Paares zu sein? Ist es vorstellbar, dass der Beschützer Gothams ein Psychopath ist, der den Joker und seine Freundin niederknüppelte?
Plötzlich sieht sich Batman isoliert und diskreditiert. Er beginnt zu recherchieren, aber er braucht die Hilfe von ausgerechnet jener Person, die den Joker abgöttisch liebt…
Batman und der Joker sind immer wieder für eine Story gut, in der nicht unbedingt Action im Vordergrund stehen muss, sondern viel mehr die Tiefen und finsteren Winkel des menschlichen Geistes ausgelotet werden.
Schon von jeher stand der Joker für den Irrsinn schlechthin. Er ist kein konventioneller Verbrecher, der nach Macht und Reichtum strebt, auch kein fehlgeleiteter Schurke, der auf die schiefe Bahn geriet und nie die Chance erhielt, sich zu rehabilitieren. Stattdessen porträtieren ihn die Autoren und Zeichner als skrupellosen Killer, als einen Psychopathen, der Freude daran hat, andere, vor allem Batman, leiden zu sehen. Dabei ist er nie wählerisch bei seinen Mitteln und verletzt seine Helfer wie sich selbst, ist es dem Zweck dienlich.
Batman reagiert darauf mit seinen eigenen Psychosen, die ihre Ursache in diversen Traumata haben. Trifft er auf den Joker, wird er noch dunkler und härter, kommen seine inneren Konflikte zum Vorschein. Man fragt sich unwillkürlich, wann Batman die Kontrolle verlieren und den Joker selbst richten wird nach allem, was dieser ihm, seinen Freunden und Unschuldigen antat.
Auch andere Personen geraten in den Bann des Jokers wie die Stellvertretende Staatsanwältin Terry Ammons, die zunächst ihre Vorgesetzte hasst und dann der bizarren Faszination, die von dem Verbrecher ausgeht, verfällt. Es ist keine ‚normale’ geschweige denn gesunde Beziehung, auf die sie sich einlässt: Es gibt keinen Sex, dafür einen Thrill, den nur die Bösartigkeit des Jokers in ihr auslösen kann. Um an seiner Seite zu sein und von ihm – auf seine Weise – geliebt zu werden, ist sie bereit, extreme Dinge auf sich zu nehmen und zu tun.
Das ist allerdings nur ein Aspekt der vielschichtigen Story. In erster Linie wird thematisiert, wie sensationshungrig die Medien und die Zuschauer sind, wie leicht sich Informationen manipulieren und fälschen lassen, wie gering manche Journalisten ihre eigenen Arbeit schätzen, indem sie für eine Aufsehen erregende Schlagzeile die sorgfältige Recherche missen lassen, wie leicht sich Menschen beeinflussen lassen.
Der Joker ist gerissen genug, seine Möglichkeiten zu nutzen. In Folge kämpft Batman nicht nur gegen ihn sondern auch gegen die Macht der Medien.
Die Story wird von Sam Keith („The Sandman“, „Aliens“, „The Mexx“ u. a.) aus wechselnden Perspektiven und mit Rückblenden erzählt. Seine Bilder sind so bizarr wie seine Charaktere und wirken stellenweise wie Gebilde aus einem Albtraum. Er verwendet Mischtechniken und verschiedene Arbeitsmittel, so dass manche Seite durchaus an die aufwändigen Bilder von David Mack („Kabuki“) erinnert. Das unterstützt gelungen die Handlung und macht jede Seite zu einem einzigartigen Erlebnis. Es lohnt sich, die Geschichte nicht schnell durchzulesen, sondern auch die Illustrationen aufmerksam zu betrachten, da sie viele Feinheiten und Informationen enthalten.
Der Band wendet sich an ein reiferes Publikum, das komplexe Storys und düstere Szenarien schätzt. Da die Mini-Serie in sich abgeschlossen ist, ist sie für Gelegenheitsleser besonders reizvoll. Man sollte jedoch mit den Charakteren und ihren Hintergründen grob vertraut sein.