Karl-Heinz Witzko
Die Kobolde
Titelillustration: Caroline Delen
Piper Verlag, 2007, Paperback, 406 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-492-70127-3
Von Carsten Kuhr
Alles in Deckung, die Kobolde kommen!
Da hat man nun doch wirklich mit den Orks und Zwergen schon so einiges mitgemacht und ausgehalten, gar nicht zu reden von den eingebildeten Elfen und Drachen, aber so ein Tohuwabohu wie bei dem kleinen, ständig zu Streichen aufgelegtem Volk gab es noch nie.
Alles beginnt, wie bei Kobolden so üblich, mit einem Streifzug in die Welt der Menschen. Von Moin-Moin, dem Rechenkrämer, hat unsere wackere Truppe aus vier Kobolden und einer nicht immer ganz zuverlässigen Tür den Auftrag erhalten, ein Kind gegen einen Wechselbalg auszutauschen. Ein Klacks für unsere wackeren Dreikäsehoch, doch auf dem Rückweg treffen sie auf eine Frau in Weiß.
Wer ist sie, was will sie? Zurück im Koboldland-zu-Luft-und-Wasser erwartet sie neben lustigen Streichen ihrer Nachbarn bereits die nächste Mission. Wieder geht es, der guten, alten Tradition folgend um den Austausch eines Menschen gegen einen Wechselbalg. Doch diesmal läuft nicht alles so wie vorgesehen. Nicht genug damit, dass unsere Kobolde auf Ritter mit scharfen Schwertern treffen, auch ihre Tür lässt sie im Stich. Zwar bringt die vorlaute Alte sie noch in die Menschenwelt, dann aber verschwindet sie, und unser kleinwüchsiges Quartett bleibt gestrandet zurück.
Jetzt gilt es zunächst einmal nach einer Schale Milch Ausschau zu halten, sich zu betrinken und dann einen Weg nach Hause zu suchen. Von ihrer Tür verlassen, verdingen sie sich als Holzschuhfabrikanten (nicht geleimt oder genietet, alles fest gefugt!), ziehen mit Ritter Gottkrieg übers Land, treffen auf eine Hexe, die sie ins Land der sieben mal acht Mühlen schickt, besuchen Geister und Burgen, treffen auf Drachen - doch ihr Elfentor, das finden sie nicht.
Einer der Schöpfer der „Gezeitenwelt“ und der Autor des gefeierten DSA-Romans „Westwärts, Geschuppte“ meldet sich – endlich, so ist man versucht zu sagen - mit einem neuen Werk zurück.
Nach alle des Werken um tolkienesque Völker erbarmt sich endlich ein Autor eines Volkes, das durch unsere Sagenwelt geistert.
Kobolde, die kleinwüchsigen Gesellen, die für eine Schale Milch und ein Stückchen Kuchen zu handwerklichen Meisterleistungen imstande sind, deren Lebensmotto aber auch lautet Unfug anzustellen und ihren Mitkobolden - aber auch den Großen - Streiche zu spielen stehen im Mittelpunkt der Handlung.
Wer nun aber erwartet, auf den Spuren der Orks, Elfen und Zwerge eine austauschbare Fantasy-Handlung geboten zu bekommen, der sieht sich getäuscht.
Witzko berichtet uns weder von Königreichen, die durch dunkle Magier bedroht werden, noch von gewaltigen Heeren, die an einem verregneten Tag auf dem Schlachtfeld der Ehre aufeinander treffen. Bei ihm ist alles zwei, drei Versionen kleiner, es geht nur darum, den Weg heim zu finden. Und eigentlich sind unsere vier Kobolde auch nicht ganz unschuldig an ihrer Misere. So begleiten wir sie dann auf ihrer Suche nach einem Tor ins Reich der Feen durch eine mittelalterliche Welt voller Bauern, Dörfer, Dreck und Milch - letztere ist gerade für Kobolde nicht unwichtig - hmm lecker, mehr davon.
Witzko versteht es, uns zum einen, einen ungeschönten Blick auf den bäuerlichen Alltag zu geben, gleichzeitig aber Gestalten und Orte auftreten zu lassen, die dem Leser im Gedächtnis haften blieben.
Der Ritter von der traurigen Gestalt und sein Knappe, die sich vorwiegend von dünner Suppe und Haferschleim ernähren, seien hier exemplarisch erwähnt. Das ist anders, als gewohnt, das liest man eher selten. Meist stehen doch die Reichen und Mächtigen im Zentrum des Geschehens, wie es den armen Bauersleuten ergeht interessiert keinen. Witzko aber gelingt es, auch diese interessant in seine Jagd nach dem Tor zu integrieren.
Immer wieder auch portraitiert er durch die Augen seiner kleinen Freunde die typisch menschlichen Unzulänglichkeiten der Großen, enttarnt gnadenlos ihre Sehnsüchte und Fehler. Munter plätschert die Handlung vor sich hin, immer neuen Fährnissen sieht der Leser sich mit seinen Helden ausgesetzt, ohne dass etwas wirklich Weltbewegendes passieren würde. Diese Konzentration auf das Kleine, scheinbar Beschauliche, auf Intrigen um die Herrschaft eines unbedeutenden Königreiches, um Thronerben und Wechselbälger, Klabauter und Hexen wirkt anheimelnd - aber auch spritzig, lustig und auch ein wenig tiefsinnig.
Ein etwas anderer Fantasyroman voller Humor mit liebevoll gestalteten Protagonisten und einer Welt, wie sie so sein könnte.