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Lukianenko, Sergej: Wächter der Ewigkeit (Buch)

Sergej Lukianenko
Wächter der Ewigkeit
Aus dem Russischen übersetzt von Christiane Pöhlmann
Titelillustration: Dirk Schulz
Heyne Verlag 2007, Paperback, 446 Seiten, 13.00 EUR, ISBN 978-3-453-52255-8

Von Carsten Kuhr

Sergej Lukianenkos Reihe um die Tag- und die Nachtwache Moskaus erfreut sich zwischenzeitlich auch bei uns großer Beliebtheit. Nicht nur die Synergieeffekte der Filme, sondern vornehmlich die ungewöhnliche Ausgestaltung der Handlung haben ihm zwischenzeitlich eine treue Lesegemeinde beschert.
Unsere Welt, die von Anderen, Menschen, mit der besonderen Begabung das Zwielicht anzuzapfen und damit Zauber zu wirken im Geheimen beherrscht und gesteuert wird, ist ein faszinierendes Panorama.
Die Guten, organisiert in der Nachtwache, üben gemäß dem uralten Pakt die Kontrollfunktion in der Nacht aus, die vermeintlich Bösen der Tagwache sind im Sonnenschein unterwegs. Dabei aber gibt es immer wieder Abweichler, Zauberer, Vampire, Gestaltwandler, die die Seiten wechseln, die, obwohl eigentlich einer der beiden Parteien angehörig, untypisch handeln.
Mittlerweile sind unsere Personen eingeführt, kennen wir ihre jeweiligen Lebensumstände und Historien.

Wie bei Lukianenko so üblich beginnt alles mit einem kleinen, eigentlich wenig Aufsehen erregenden Ereignis. Ein russischer Austauschstudent, Sohn eines Mannes, dem sowohl die Tag- als auch die Nachtwache verpflichtet ist, wird bei der Besichtigung des Verlieses in Edinburgh ermordet. Die Boulevardpresse berichtet sensationslüstern von einem Vampirmord, selbst die Inquisition ist alarmiert.
Anton, zwischenzeitlich ein Hoher Magier, der aber seine künstlich gesteigerten Fähigkeiten noch nicht so richtig beherrscht, wird ausgesandt den Vorfall zu untersuchen. Eine Gruppe von Anderen, zu denen ein Lichter, ein Dunkler und ein Inquisitor gehören hat mit Hilfe von angeheuerten Menschen, die mit magischen Amuletten ausgestattet waren, versucht, eines der ältesten magischen Artefakte an sich zu bringen. Den so genannten „Kranz der Schöpfung“, den der große Merlin, der Null-Magier mit der absoluten Kraft angefertigt hat, kurz bevor er ins Zwielicht ging. Die bislang bei ihrem Versuch, das Artefakt an sich zu bringen gescheiterten Hohen, das Licht, die Dunkelheit und die Furcht haben nur eine Möglichkeit in die siebte Ebene des Zwielichts vorzudringen - mit Hilfe eines absoluten Magiers. Und Antons Tochter Nadja Gorodezkaja ist die einzige lebenden Null-Magierin der Welt.
Zunächst führt die Suche nach den Tätern Anton nach Usbekistan. In Samarkand kommt es zum ersten Aufeinandertreffen Antons mit einem der Täter. Anton begegnet einem alten Bekannten, doch dieser erweist sich als viel stärker als er eigentlich sein dürfte ...


Die bisherigen Romane um die Wächter boten gerade aufgrund der ungeschönten Darstellung des alltäglichen Lebens in der russischen Hauptstadt faszinierendes Lesefutter. Durch die Augen unserer Protagonisten erhielten wir einen Einblick, wie es abseits des Roten Platzes in Russland zugeht. Wodka, Fernsehen, Sex und Gewalt, die Säulen, aus denen das Leben der einfachen Leute besteht. Man merkt den Texten an, dass sich Verzweiflung und Frustration zunehmend breit machen. Kaum etwas ist verblieben von den einstigen Träumen der Supermacht UdSSR. Es mangelt an Perspektiven, die russischen Seele weint, und die wenigen, die von der Perestroika profitierten - meist Mafiosi und ehemalige KGB-Mitarbeiter - leben abgeschottet und abgehoben vom Rest der meist innerlich wie materiell verarmten Bevölkerung.
Die Texte verbanden so eine fast schon dokumentarisch zu nennende Qualität mit einem faszinierenden phantastischen Grundgerüst.

Woran aber lag es, dass mich vorliegender Titel nicht so in seinen Bann zu ziehen vermochte, wie die ersten Romane der Serie?
Hat sich die Idee der Tag- und Nachtwachen mit ihren intriganten Magiern totgelaufen, interessiert uns vielleicht auch die Geschichte unseres Protagonisten nicht mehr?

Nun, die Wachen Moskaus treten diesmal In den Hintergrund und Anton, als Held vermag ich diesen meist recht hilflos den Geschehnissen ausgesetzten Lichten nicht bezeichnen, macht diesmal ganz im Gegensatz zu den vorhergehenden Texten keine Entwicklung durch.

Zwar erfahren wir mit und durch ihn ein wenig mehr über das Zwielicht, aus dem die Magier ihre Kräfte schöpfen, aber er selbst reagiert nur, ohne wirklich zu agieren.
Wo bleibt die Auflehnung gegen das Schicksal, das es auch diesmal nicht gut mit Anton meint, wo die Rebellion gegen seinen Vorgesetzten, wo die Reiberei mit seiner Frau und Freunden?

Daneben trägt die Verlagerung der Handlung weg aus Moskau ins schottische Edinburgh und nach Samarkand dazu bei, dass einstige Stärken nicht so zum Zug kamen. Beide Handlungsorte bleiben ohne Leben. Die alte schottische Königstadt wird auf ein paar Pubs und die Burg reduziert, Usbekistan besteht aus nicht näher beschriebenen Basaren und einer wild-romantischen Landschaft. Hier kommt definitiv kein Flair auf, das wirkt uninteressant und leblos.
Wo bleibt der Blick über den Zaun, in das Leben der Menschen, das zumindest - was Usbekistan betrifft - bestimmt faszinierend zu lesen wäre. Hier hätte der Autor durch eine differenzierte Darstellung der Verhältnisse des GUS-Staats die Möglichkeit gehabt, das Bild der ehemaligen Provinzen der Sowjetunion und der Lebensumstände ihrer Bewohner wirklichkeitsnah darzustellen. Stattdessen aber ergeht er sich in Plattitüden, schafft einer Pappkulisse ohne Überzeugungskraft oder Faszination.
Da hilft es wenig, dass vereinzelt durchaus interessante Geschichten eingestreut werden. Hier blitzt ab und an die Stärke Lukianenkos auf, phantastische, gleichzeitig aber auch glaubwürdige Szenarien zu schaffen, und seine Leser zu rühren. Der Kampf der Lichten gegen die Dunklen, der mit einem ultimativen Zauber endete, der die Unterlegenen in Felsen transformierte, in denen deren Geist über die Jahrhunderte dem Wahnsinn anheimfiel, das sind Geschichten, wie ich sie von Lukianenko erwarte und zumindest diesmal viel zu selten zu lesen bekam.

Auch das mehr als kurz gehaltene, etwas chaotische und kitschige Finale ließ zu wünschen übrig. Ausgerechnet Anton soll als Erlöser wirken? Das passt nicht, das wirkt zusammengeschustert und unglaubwürdig.

Was zu Anfang ganz flott begann, das verliert über die Dauer des Buches an Tempo, an innerer Überzeugungskraft und letztlich an Niveau, so dass vorliegendes Werk mit großem Abstand der schwächste Roman des Serie ist, und man sich lieber an Lukianenkos Meisterwerk „Spektrum“ halten sollte, als die Zeit mit diesem letztlich bedauernswerten Buch zu vergeuden.

hinzugefügt: April 13th 2007
Tester: Carsten Kuhr
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