Sunshine
GB 2007, Regie: Danny Boyle, mit Rose Byrne, Cliff Curtis, Chris Evans u.a.
Von Oliver Naujoks
Alles eine Frage der Standpunktes.
Während viele Feuilleton-Filmkritiker inzwischen die Nase vernehmlich laut rümpfen, dass ihr einstiger Liebling Danny Boyle nach Kultfilmen wie „Shallow Grave“, „Trainspotting“ und „The Beach“ sich nun zum zweiten Mal an einem reinen Genre-Film versucht, kann es der Verfasser dieser Zeilen nur begrüßen, dass es auch arrivierte (wie auch immer man das versteht) Filmregisseure gibt, die sich gerne mal an einer gekonnten Genre-Variation versuchen. Sicherlich sind die Erwartungen dann hoch, aber warum darf es nicht einfach mal ausreichen, wenn man einfach eine Genre-Geschichte gekonnt erzählt und mit viel Talent inszeniert? Insofern empfand ich die George Romero-Variation „28 Days Later“ (vor einigen Jahren, die von Boyle produzierte Fortsetzung startet diese Tage) als sehr gelungen und sah sehr gespannt der Aussicht entgegen, dass sich Danny Bolye diesmal an einem Science Fiction-Film versuchen würde.
Groß war die Schelte der arrivierten Kritik an „Sunshine“, und reichte von ‚unsympathisch’ (epd film) bis ‚ärgerlich’ (film-dienst), all dies basiert aber auf einem schlichten Missverständnis bzw. einer Fehlannahme. Diese Herren Kritiker können und wollen einfach nicht verstehen, dass auch ein ‚Trainspotting’-Regisseur wie Danny Boyle ein Genre nicht jedes Mal transzendieren, ironisch aufladen oder lediglich als Mittel zum Zweck benutzen muss oder will, sondern schlicht auch einmal Freude daran hat, dem Genre-Kanon einen gelungenen, wenn auch (vielleicht zwangsläufig) nicht neuen Baustein hinzuzufügen – und sich auch mal lustvoll und völlig freiwillig den Regeln und Traditionen des jeweiligen Genres zu beugen.
Es ist deshalb nicht so schlimm, dass sich „Sunshine“ in der Tat anfühlt wie ein Potpourri aus bekannten SF-Klassikern, die da wären: Die Geschichte einer verlöschenden Sonne, die durch eine Crew mittels einer Bombe wieder ‚überbrückt’ werden soll, erinnert entfernt an die Umkehr der 1998er Blockbuster ‚Deep Impact’ und ‚Armageddon’, lehnt sich visuell stark an Kubricks „2001“, De Palmas „Mission to Mars“ und „Solaris“ (eher Soderbergh als Tarkowskij) an und reichert die Story schließlich mit einer großen Dosis „Alien“ und „Event Horizon“ an. Das sind alles wohlbekannte Genre-Klassiker, nur die wenigsten Kritiker konnten dann allerdings noch zwei weitere Vorbilder identifizieren, deren Motive ganz erheblich Pate für die Handlung gestanden haben: Douglas Trumbulls „Lautlos im Weltraum“ von 1972, und das Disney-Epos „Das schwarze Loch“ aus dem Jahr 1979.
Man mag kritisieren, dass die Handlung sich innerhalb der vertrauten Bahnen obiger Klassiker entlang bewegt, aber mal ehrlich, warum auch nicht? Wie viele größere Science Fiction-Filme laufen im Jahr im Kino denn noch, und wenn dann jemand bekannte Klassiker halbwegs gekonnt variiert, darf man als Fan doch schon dankbar sein. Und gekonnt ist „Sunshine“ allemal.
Mit bewundernswert treffsicherem Auge für spektakuläre, fast majestätische Bilder steuert Danny Bolye seine Bild- und Effektemagier und präsentiert insbesondere auf der großen Kinoleinwand Bilder, die zumindest eine Ahnung von der majestätischen Schönheit und Größe des Alls im allgemeinen und unserer Sonne im besonderen liefern – seine Konzentration hierauf und der bis zum Finale entspannte Erzählrhythmus gereicht „Sunshine“ zu seinem größten Vorteil. Die Geschichte ist nicht allzu ausführlich entwickelt, immerhin kann sich Boyle aber auf ein sehr talentiertes Darstellerensemble mit ausdrucksstarken Schauspielern verlassen, insbesondere Cilian Murphy und Rose Byrne hinterlassen da einen großen Eindruck, überraschend und erfreulich auch der starke Fernost-Einschlag, so dass man Action-Heroine Michelle Yeoh als Gärtnerin(!) bewundern darf und als Captain niemand geringeres als Hiroyuki Sanada agiert, den man aus den ‚Ringu’-Filmen, so wie den Epen „Last Samurai“ und „Wu Ji – The Promise“ kennt. Immer noch irritierend, heutzutage aber normal ist, dass die ganze Crew des Raumschiffs nur aus jüngeren Leuten besteht.
Können sich Science Fiction-Fans bis zum Finale an den schönen Bildern und Sets delektieren, wird es danach etwas ernüchternd. Zwingt einen die Prämisse schon dazu, zwei Augen zuzudrücken, wird dann der Bogen der Glaubwürdigkeit überspannt und wirkt insbesondere das bedrohliche Element in seiner mangelnden Zwangsläufigkeit für die Handlung etwas enervierend. So viel (nur begrenzt funktionierende) „Spannung“ im Finale hätte gar nicht Not getan. Ganz offensichtlich wussten die Filmemacher nicht, wie sie den Film befriedigend abschließen sollten und verlassen sich dann ganz auf spektakuläre Effekte und Bilder, die aber leider in ihrer Wirkung mangels Glaubwürdigkeit eher verpuffen. Diese letzten 15-20 Minuten schaden dem Film nicht unerheblich, können den positiven Gesamteindruck aber nicht mehr zerstören.
Vielen arrivierten Kritikern stieß der heiligen Ernst des Tonfalls und die mangelnde Ironie von „Sunshine“ sauer auf - das ist Geschmacksfrage und so soll hier entgegnet werden: Genre-Filme, die sich selbst ernst nehmen, gibt es in unserem ironischen Zeitalter viel zu wenige, insofern soll „Sunsine“ als einer der möglichen Wegbereiter einer post-ironischen Welle mit offenen Armen empfangen werden.
Fazit: Ein bildgewaltiger Science-Fiction Film, der seine unglaubwürdige Prämisse mit höchstmöglichem Ernst zu verkaufen sucht. Schön, dass es solche Filme noch gibt.