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Kara Ben Nemsi - Season 2 Box (DVD)

Kara Ben Nemsi - Season 2 Box (DVD)

BRD 1974, Regie: Günter Gräwert, mit Karl Michael Vogler, Heinz Schubert, Will Danin, Joachim Regelien, Dieter Hallervorden u.a.

Von Thomas Harbach

Die Präsentation der Handlung in dieser aufwendigen ZDF-Fernsehserie, die Günter Gräwert als Regisseur und Co-Drehbuchautor maßgeblich gestaltete, unterscheidet sich von allen wenige Jahre zuvor produzierten Karl-May-Kinofilmen radikal. So grundlegend, dass viele Gelegenheits-Karl-May Leser mit dieser langsamen Inszenierung im Vorabendprogramm zuerst nichts anfangen konnten. Auch Kritiker waren mit dieser Form der intelligenten, subtilen Unterhaltung überfordert, viele kannten die originären Texte Mays nicht, oder wollten sie nicht kennen.

Anfang der siebziger Jahre – die erste Staffel lief 1973 an, die zweite Staffel 1974/75 – begannen die Karl May-Verfilmungen im Vergleich zu den immer brutaler, nihilistischer werdenden Italo-Western und einer neuen Form des realistischen Western – siehe „Wiegenlied vom Todschlag“ oder „Der Mann, den sie Pferd nannten“ – an Popularität zu verlieren. Allein die Idee, eine neue Karl May-Reihe zu beginnen, galt als grenzenloses Wagnis. Auf der anderen Seite hatte das ZDF mit seinen Advents-Vierteilern sehr gute Quoten erzielt, wenn es um die Umsetzung von klassischer Literatur – Jack London, Jules Verne, Stevenson – in packende Fernsehunterhaltung gegangen ist. Wie bei den Fernsehvierteilern – immerhin rund sechs Stunden Laufzeit – ist es dem Team um Günter Gräwert nicht nur um eine detailgetreue Umsetzung gegangen, die auch viele der May´schen Dialogen bis hin zu seinen manchmal zu belehrenden Monologen umfasst, sondern vor allem dem Zuschauer das Gefühl zu vermitteln, was Reisen am Ende des 19. Jahrhunderts wirklich bedeutet hat. In erster Linie eine körperliche Strapaze in einem fremden, oft lebensfeindlichen Land, dessen Zauber sich lange vor den Augen der Betrachter verbergen kann. Nur wer die Exotik als andere Lebensweise akzeptiert, wird die Wunder des Orients auch wirklich sehen können. Ganz bewusst hat sich Gräwert im May´schen Werk an die zugänglichste Geschichte gewandt und diese minutiös adaptiert. Eine klassische Ausgangssituation – ein Mord ist geschehen, die Täter sind flüchtig und werden von den aufrechten Kräften des Lichts über Meere – den Bosporus – und Berge verfolgt.

Für die Umsetzung der ersten sechs zusammenhängenden Reiseerzählungen – der Bogen spannt sich von „Durch die Wüste“ bis zu „Der Schut“, ohne dass allerdings die von Karl May später niedergeschriebene zweite Begegnung Hadschi Halef Omars und Kara Ben Nemsis in die Handlung als Epilog eingeflossen ist – nahm sich das Team insgesamt sechsundzwanzig Folgen mit je knappen dreißig Minuten Spielzeit Raum. Nicht hektische Action wie in den Kinofilmen steht im Mittelpunkt, sondern auch Bauernschläue, manchmal sehr brachiale Psychologie, die Charakterisierung der Guten, das Kennen lernen fremder Kulturen und eine stimmungsvolle Atmosphäre. Es sind diese verschiedenen Aspekte, aus denen die Serie auch heute noch in erster Linie für Erwachsene ihren Reiz bezieht. Insbesondere die Leser der originären Karl-May-Stoffe in ihren Werksausgaben werden hier die Bücher wiedererkennen können.

Die zweite Staffel, die zwei Jahre später gedreht und gesendet wurde, ist weitaus mehr als die erste Staffel auf Action und eine flotte Handlungsführung bedacht. Das liegt allerdings weniger an den Fernsehmachern, sondern vor allem an den originären Romanen. In den ersten drei Büchern hat sich May bemüht, Land und Leute zu beschreiben. Auch wenn Kara Ben Nemsi inzwischen die Wüste verlassen hat und in jedem der letzten drei Bücher unterschiedlichen Bergstämmen inklusiv ihrer wilden, stolzen, aber auch aufbrausenden Mentalität begegnet, bemüht sich May, nicht nur die intellektuelle Neugierde seiner Leser zu befriedigen, sondern vor allem eine stringentere Geschichte zu erzählen. Zu den Schwächen der ursprünglichen Romane und damit auch dieser Fernsehverfilmung gehören die Schemata, auf die May gerne zurückgegriffen hat. Das Belauschen der Feinde, die Gefangennahme der Comic-Relief-Figuren, die spektakuläre Befreiung und das ganze dann einen Augenblick – oder zwei Folgen später - in umgekehrter Reihenfolge.
Fast in jeder Episode findet eine Schießerei oder zumindest eine Explosion statt. Wenn es nicht ausnahmsweise ein gefährlicher Bär ist. Es gibt nur selten Ausflüge in Nebensachen, so etwa den amüsanten Besuch bei Dr. Marterstein, der die Erfindung des Beingipses sogleich zu einer lukrativen Geschäftsidee umfunktioniert. Der Regisseur Gräwert ließ es sich nicht nehmen, diese Rolle selbst zu spielen.

Beide Staffeln verbindet der rote Faden aus der ersten Episode: Die Mörder von Paul Galingré und Sadek müssen gefunden und der Gerechtigkeit zugeführt werden. Dass dabei auch Halef eine Frau (Hanneh, die Blume des Orients) und Kara einen edlen Rappen namens Rih „erwerben“, gehört zu den reizvollen Schnörkeln der zentralen Handlung. Dabei steht Kara Ben Nemsi für die Rechtsstaatlichkeit, die sich immer wieder mit den archaischen Gesetzen der Blutrache und dem biblischen Motiv von Auge um Auge, Zahn um Zahn auseinandersetzen muss.

Als erste Belohung – die zweite erfolgt im Himmel bzw. im Paradies – erhalten die beiden so unterschiedlichen und doch markanten Helden verschiedene Belohnungen für ihre guten Taten auf der Reise. Dazu gehört natürlich Rih, dazu gehört mit Einschränkungen Hanneh. Die psychologische Charakterisierung der einzelnen Protagonisten ist manchmal – wie auch in Mays Geschichten verblüffend einfach strukturiert, aber effektiv. Halef ist auf der einen Seite der läppische Maulheld, der sich und seinen geliebten Sidhi immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Er verkündet fast arrogant bei jeder sich bietenden Gelegenheit seinen ellenlangen Namen, wächst aber immer über sich hinaus, wenn er nicht denken muss oder braucht.

Kara Ben Nemsi ist im Grunde der klassische Superheld und ideale – wenn auch nicht unbedingt aus kirchlicher Sicht –Oberchrist. Er zeigt gegenüber Halefs Andersgläubigkeit größte Toleranz. Außerdem ist er ein sehr ritterlicher Bursche einfachster Abstammung, der sich um Frauen, Tiere, gebrechliche Menschen und ältere Herren Sorgen macht. Dafür hat er aber keinerlei Mitleid mit korrupten türkischen Beamten, Verbrechern und anderen Halsabschneidern. Wie der Zuschauer weiß, hat Kara Ben Nemsi unter anderem Namen im Wilden Westen wertvolle Erfahrungen gesammelt hat, wie im Fährtenlesen und Spurensuchen sowie im Werfen des indianischen Tomahawks. Dass er auch den skipetarischen Tschakan, ein zum Werfen geeignetes Hackbeil, handhaben kann, verwundert da nicht mehr. Dank der nuancierten Darstellung gelingt es den beiden Hauptdarstellern sehr gut und vor allem überzeugend, diese Übermenschen sympathisch und realistisch bodenständig darzustellen. Manchmal wäre es allerdings sinnvoller gewesen, die umständlichen Dialoge ein wenig zu glätten. Aber sie sind nun einmal Original May.

Wie schon während der zweiten Hälfte der 1. Staffel mangelt es nicht an Figuren auf der Gegenseite. Die Antagonisten sind nicht immer leicht zu unterscheiden. Die Fülle der Figuren, die im Land der Skipetaren verfolgt werden, trägt nicht gerade zur Übersichtlichkeit bei.
Ein von der ersten Minute an herausragendes Merkmal der Serie ist zudem der feine Humor. Das ist nicht der Klamauk eines Eddie Arent aus den Kinostreifen, sondern eine feinere Ironie. Allein schon die Tatsache, dass der kleine Hadschi Halef, der ebenso wie seine Vorväter nie Mekka gesehen hat, in Folge 1 von Staffel 1 seinen Sidhi zum Islam bekehren will, gehört zu den angenehmen Höhepunkten der Serie. Auch Sir David Lindsey, gespielt vom formidablen Ferdy Mayne, hat eine feine Art des Humors. Abschließend erweist er sich in Folge 13 von Staffel 2 auch als Macho und Snob: Er hoffe, dass auch Frauen mal in der Lage sein werden, echten britischen Tee zu kochen.

Der Humor ist das nötige Gegengewicht zum mitunter sehr ernsten Pathos des männlichen Ehrenkodex, wie er zum Beispiel in der Staffel-1-Begegnung mit Scheich Mohammed Emin und seiner Frau Amscha deutlich hervortritt. Auch die Gesetze der Wüste, wie etwa der Racheschwur Omar Ben Sadeks, der das Blut von Hamd und Barud el Amasat fordert, werden nie ins Lächerliche gezogen, sondern stets ernst genommen. Wie May geht die Serie respektvoll mit den von Kara Ben Nemsi selten wirklich nachvollzogenen Riten und Ritualen der Wüstenbewohner bzw. Bergstämmen um. Es ist die Mischung aus Fakten, Fiktion und Exotik, welche Bücher als auch die Fernsehserie dreißig Jahre nach ihrer Entstehung immer noch sehenswert machen. Sie ist weit entfernt von den Hochglanzproduktionen der heutigen Zeit, sondern erzählt komplex, aber nicht kompliziert einen interessanten Plot, ohne das alle fünf Minuten etwas wirklich geschehen muss.

Auf der Seite der Schauspieler gibt es nur eine krasse Fehlbesetzung zu verzeichnen, und das ist der Darsteller des Schut. Diese Figur ist eigentlich jener Endpunkt, auf den alle Ermittlungsbemühungen seitens Kara Ben Nemsis hinauslaufen. Doch als er den Mann, der der Schut sein muss - er nennt sich Kara Nirwan - endlich in den Händen hat, gibt dieser keinen Laut von sich. Diese Nichtdarstellung widerspricht auch den Romanen, in denen der Schut zwar nicht mehr der charismatische Schurke sein kann, den Kara Ben Nemsi erwartet, aber zumindest in seiner Person als Drahtzieher einer scheinbar allmächtigen Organisation überzeugt. Der Schut-Darsteller Eduardo Fajardo gibt in den letzten beiden Folgen keine fünf Wörter von sich, kann allerdings auch nicht als Person überzeugen. Es gibt Schauspieler, deren Präsenz schon alleine überzeugt, da braucht nicht auf umständliche Dialoge á lá „James Bond“-Filme zurückgegriffen werden, in diesem Fall hätte sich das Team allerdings nach einem anderen „Mann“ am Ende der Kette umsehen sollen.

Regisseur und Kameramann haben sich etwas einfallen lassen, um zu kaschieren, dass sie nur so wenige Einstellungen aufgrund des beschränkten Budgets drehen konnten und deshalb die Szenerie ziemlich statisch aussah. Immer wieder späht Kara durch sein ausziehbares Teleskop - entsprechend rund und umgrenzt ist auch das Blickfeld, das die Kamera zeigt. Gleiches gilt für Schlüssellöcher, Wanddurchbrüche, Gitterfenster und dergleichen mehr.

Damit suggeriert der Film, dass der Beobachter mehr weiß als die Schurken, die er im Visier hat und somit eine gewisse informationstechnische Überlegenheit der Gläubigen unabhängig von der moralischen gegenüber den Ungläubigen. Das es weniger um einen Religionskonflikt geht, verschwindet oft im Hintergrund der pompösen Dialoge. Insbesondere von Hadschi Halef Omar das verbale Kommando und in einigen wenigen Fällen die für seine Körpergröße überlebensgroße Peitsche schwingt. In jedem Fall hat derjenige den Vorteil, der mehr sieht als der Gegner. Seltsam, dass die Verbrecher niemals wirklich aufpassen, sich aber stattdessen umso mehr um Alkoholgenuss bemühen.

Beide Staffel von „Kara Ben Nemsi“ werden in erster Linie die May-Leser und die Zuschauer der ersten Ausstrahlungen – die zweite Staffel ist in den neunziger Jahren auf 3sat wiederholt worden – ansprechen. Für eine neue Generation von Zuschauern ist es elementar, den Geist Karl Mays zuerst einzuatmen, damit er von der langsamen – immer am Rand zu langweilig, werden die May Hasser sagen – nicht negativ überrascht wird. Im Rahmen der Wiederveröffentlichungen – siehe auch die Advents-Vierteiler – eine würdige Präsentation des Films vor allem in einer ansprechenden Verpackung und insbesondere in Bezug auf die zweite Staffel eines einzigartigen Geschenks.


Dem Bild merkt man phasenweise sein Alter an. Da insbesondere die Farben sehr kräftig gewesen sind – obwohl die Handlung sich von der Wüste mehr und mehr in das Bergland verlagert und damit die größte technische Schwierigkeit der Digitalisierung ausschaltet - lässt sich nicht mehr alles fehlerlos restaurieren und digitalisieren. Gerade wegen des nicht immer guten Ursprungsmaterials eine ansprechende Arbeit. Auch der Ton ist in solidem Mono, Koch Media hat nicht den Fehler einiger amerikanischer Neuveröffentlichungen gemacht, einen unsäglichen Stereomix zu kreieren.

Als besonderer Bonus für die Fans liegt der DVD-Veröffentlichung der komplette Soundtrack – Laufzeit 80 Minuten mit mehr als fünfzig Tracks – von Martin Böttcher bei. Unvergessen für seine „Winnetou“-Filmmusik gehört seine Arbeit für die vorliegende Miniserie zu seinen besten. Die Schwierigkeit, im Grunde über mehr als eintausend Minuten musikalisch für Spannung zu sorgen, wenn die eigentliche Handlung manchmal abzuflachen droht – in den Büchern sind einige Passagen zu dialoglastig, zu oft wie umständlich erläutert, was weder den Plot noch die augenblickliche Situation wirklich vorantreibt, ein Manko, das Karl May in seinen späteren philosophischen Bücher bis zum Exzess übertreiben wird – hat er souverän gemeistert. Das 24seitige Booklet mit dem entsprechenden Episodenguide ist schön bebildert, liefert einige wichtige Hintergrundinformationen.


DVD-Facts:
Bild: 1,33:1 (Vollbild)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0 Mono

DVD-Extras:
Soundtrack-CD (80 Minuten Laufzeit), Booklet

hinzugefügt: May 2nd 2007
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: Koch Media
Hits: 4130
Sprache:

  

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