100 % Marvel 27 - Moon Knight: Ganz unten
Charlie Huston, David Finch, Danny Miki u. a.
(Moon Knight Vol. 5: The Bottom, Chapter1 – 6, 2006)
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Petz
Titelillustration von David Finch
Panini Comics, Marvel Deutschland, 2007, Paperback mit Klappenbroschur, 152 Seiten, 16,95 EUR
Von Irene Salzmann
Marc Spector war lange Jahre ein berüchtigter Söldner, der jede Drecksarbeit erledigte. Nach einem Streit mit seinen Kameraden wurde er sterbend liegen gelassen, doch die Macht des ägyptischen Gottes Khonshu gab ihm nicht nur eine zweite Chance, sondern verlieh ihm übernatürliche Kräfte, die er seither einsetzt, um das Verbrechen zu bekämpfen.
Nun allerdings ist er ein gebrochener Mann, verkrüppelt an Geist und Körper. Seine Freundin hat ihn verlassen, Trost sucht er im Alkohol und bei Medikamenten. Das Auftauchen eines Bekannten veranlasst Spector, sich mit einem Freund zu treffen, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Die Begegnung verläuft unangenehm; anschließend wird der Freund überfallen und krankenhausreif geschlagen.
Das reißt Spector endlich aus seinem Selbstmitleid und der Lethargie. Er rächt den Freund, woraufhin die heimlichen Drahtzieher der ganzen Angelegenheit den Task Master auf Spector hetzen. Kann er in seiner gegenwärtigen Verfassung diesen gefährlichen Gegner besiegen und Moon Knight wieder auferstehen lassen?
Moon Knight gehört zu den weniger bekannten Charakteren des Marvel-Universums, obgleich er bereits 1975 erschaffen wurde und sich mehrerer kurzlebiger Serien und etlicher Gastauftritte erfreute. Seine größte Popularität in Deutschland erlangte er als vorübergehendes Mitglied der Rächer (diese Episoden erschienen im Condor-Verlag).
Charlie Huston gilt in den USA als renommierter Autor von Kriminal- und Horror-Romanen. Seit kurzem schreibt er auch für Marvel und nahm sich zusammen mit Dave Finch („Aphrodite IX“, „Cyberforce“, „New Avengers“ u. a.) der Figur Moon Knight an.br>
Für Moon Knight beginnt mit dieser Mini-Serie ein völlig neues Kapitel. Nachdem er von einem Gegner, der ihn in seiner Phantasie noch immer heimsucht, schwer verletzt wurde, ist seine Karriere als Superheld beendet. Er zweifelt an der Macht Khonshus und gibt sich seinem Selbstmitleid, dem Alkohol und wirren Phantasien hin. Schon immer war sein Charakter labil gewesen, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Identitäten, die er annehmen musste, doch keine Krise war so schlimm wie diese. Er distanziert sich sogar von seinen letzten Freunden und vegetiert bloß noch vor sich hin.
Was er nicht weiß, ist, dass Unbekannte alles inszeniert haben und glauben, sein Verhalten vorhersehen zu können. Sie manipulieren ihn, wollen ihn für ihre Zwecke einspannen und ihre Väter übertrumpfen, denen das vor Jahren nicht gelang. Erst muss vieles passieren, bis der Titelheld das Puzzle zusammenfügt und wieder zum Streiter seines rachedurstigen, ungnädigen Gottes wird.
Die Serie ist sehr hart, Actionszenen wechseln sich ab mit dramatischen Einblicken in die menschliche Psyche. Moon Knight alias Marc Spector wirkt dabei zwar tragisch, aber nicht wirklich sympathisch, denn er ist letztlich das Produkt seiner eigenen ehrgeizigen Ambitionen, die von Khonshu ausgenutzt wurden und werden. Die Mittel, die er einsetzt, um seine Gegner unschädlich zu machen, sind nicht weniger fragwürdig und drastisch als die Aktionen der Superschurken.
Von dieser Thematik angesprochen fühlt sich in erster Linie das reifere, männliche Publikum, das Titel wie „Daredevil“, „Punisher“, „Ghost Rider“ oder „Wolverine“ schätzt. Die Zielgruppe bekommt eine in sich abgeschlossene Mini-Serie geboten, für die man keinerlei Vorkenntnisse benötigt. Der Sechsteiler wird ansprechend als Paperback mit Foliendruck auf dem Cover präsentiert. Als kleine Extras enthält der Band zudem eine Cover-Galerie und Informationen über den Autor und Zeichner.
Eingefleischte Sammler werden diesen Comic sicher gern in ihr Regal stellen, und auch die Gelegenheitsleser, die harte Action mögen, werden nicht enttäuscht. Die Story ist nachvollziehbar, und die realistisch-idealistischen Zeichnungen gefallen. Vor allem ältere Leser, die sich wenig aus den üblichen Heile-Welt-Soaps machen, werden ihre Freude an der spannenden Lektüre haben.