Grimms Manga 1
Kei Ishiyama
Tokyopop, 2007, Taschenbuch, 160 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-3-86580-395-5
Von Christel Scheja
Auch Deutschland besitzt einen großen Märchen- und Sagenschatz. Nur ein Bruchteil davon ist heute immer noch der breiten Öffentlichkeit bekannt, noch weniger den Kindern, die sie nie vorgelesen bekommen haben. Daher bieten diese Geschichten genügend Material, um sie den jungen und auch älteren Lesern in einer ganz modernen Form nahe zu bringen.
Und auch wenn der Künstlername japanisch ist, so ist dieser Band doch eine von Tokyopop Deutschland in Auftrag gegebene Produktion.
Man hat sich „Grimms Märchen“ angenommen. Drei der insgesamt fünf Geschichten gehören zu den bekanntesten Märchen überhaupt, werden hier aber ein wenig anders als üblich präsentiert. So ist der böse Wolf in „Rotkäppchen“ gar nicht so fies und gemein, sondern ein ziemlich tapsiger Welpe, der sich erst noch bewähren muss, indem er eine Jungfrau fressen soll. Doch irgendwie läuft nichts so, wie es soll.
Eine alte Hexe ärgert sich über die Bauern, die ihr Rapunzelfeld beraubt haben und nimmt ihnen ihr neugeborenes Kind zur Strafe weg. Sie sperrt Rapunzel über viele Jahre in einen hohen Turm, wo das Kind zu einem hübschen jungen Mann - „Rapunzel“ genannt - heran wächst, der nichts vermisst. Bis zu dem Tage, an dem das fröhlich singende Bauernmädchen Eva des Weges kommt.
„Hänsel und Gretel“ verirren sich im Wald. Auch sie müssen sich einer bösen Hexe stellen, aber diese ist anders, als erwartet, und auch sie müssen mehr List und Verstand zeigen als früher.
Etwas weniger bekannt sind die beiden letzten Geschichten:
„Die zwölf Jäger“ sind die engsten Vertrauten eines jungen Königs, der sein Herz verschlossen hat, nachdem ihn eine Frau schwer enttäuschte. Verbittert regiert er über das Land und will nie wieder ein weibliches Wesen an sich heran lassen, nicht ahnend, dass sich längst eines unter seine Gefährten eingeschlichen hat, um mit Geduld und Verstand sein Herz zu erweichen.
„Die zwei Brüder“ Walter und Volker haben sich geschworen, immer zusammen zu bleiben und nie etwas zwischen sich kommen zu lassen. Bis zu dem Tag, an dem einer der beiden alle Prinzipien über Bord zu werfen bereit ist - wegen einer Frau...
Auch wenn die Geschichten manchmal etwas ungewöhnlich interpretiert werden, so werden sie stellenweise doch zu kryptisch erzählt, um auch für ältere Leser interessant zu sein. Wann immer es dramaturgische Probleme gibt, macht es sich der Künstler einfach und löst die Sorgen der Helden mit einfachsten Mitteln. Das mag zwar Kindern gefallen, erfahrene Leser jedoch werden sich eine etwas komplexere und besser aufeinander abgestimmte Handlung wünschen. Es ist auch schade, das vor allem wieder bekanntere Märchen gewählt wurden, die ohnehin schon jeder kennt, denn gerade „Die zwölf Jäger“ und „Die zwei Brüder“ sind etwas ausgereifter und spannender als etwa „Rotkäppchen“ oder „Rapunzel“
Alles in allem ist „Grimms Manga“ eine Anthologie, die sich von ihrer Konzeption her an jüngere Leser richtet, die die Märchen noch nicht vergessen haben. Ältere werden sich mit den oft sehr naiven Lösungen etwas schwer tun und sollten auch keine bissigen oder zynischen Untertöne erwarten. Die Manga-Anthologie ist genau so, wie ihr Titelbild vermittelt: Vor allem niedlich und harmlos - weniger sarkastisch und böse. Und wenn dunkle Untertöne aufkommen, dann werden sie kindgerecht serviert.