Die Legenden vom Traumhändler 1
Jeong-A Lee
The Tale of the Child Pedlar, 2005)
Aus dem Koreanischen von Christina Youn-Arnoldi
Tokyopop, 2007, Taschenbuch, 220 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-386719-071-8
Von Christel Scheja
Märchen und Legenden haben von jeher die Phantasie der Leser und Künstler angeregt, und so ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder auf alte Quellen zurück gegriffen wird, um die eigentlich vertrauten Geschichten neu zu erzählen. Dabei nehmen die fernöstlichen Interpretationen europäischer Märchen immer mehr zu und lassen sich von modernen Strömungen beeinflussen.
In der Welt der Mythen ist der Traumhändler ein oft ersehnter Gast, denn er gibt den Märchenfiguren die Möglichkeit, ihr Schicksal zu verändern. Er verkauft ihnen besondere Pillen, die zu heiß ersehnten ‚Wunschkindern’ heranreifen. Damit ist nicht unbedingt immer ein reales Kind gemeint - sondern ein Wunsch, eine Idee oder eine Hoffnung. Doch an jede dieser Pillen ist auch ein hoher Preis geknüpft, dessen Tragweite nicht einmal der Traumhändler selbst abschätzen kann. So bleibt ihm nicht mehr, als zu beobachten und am Ende eventuell die Trümmer eines zerborstenen Lebens einzusammeln.
Diesmal taucht er in die Erzählungen um das seit hundert Jahren in einem verzauberten Schloss ruhende „Dornröschen”, die im Wald verloren gegangenen Geschwister „Hänsel und Gretel”, „Die kleine Meerjungfrau” und „Das unendliche Märchen” ein und gibt allen vier Geschichten eine unerwartete Wendung, mit der niemand gerechnet hat, am allerwenigsten der Traumhändler selbst, wie er seinen gelegentlichen Weggefährten immer wieder erklärt. Denn es ist ganz allein die Sache der Empfänger, was sie aus ihren ‚Wunschkindern’ machen. Mit den Folgen müssen sie dann leben.
Die Idee ist nicht neu, und auch diese Art der Umsetzung gibt es bereits im westlichen und östlichen Kulturkreis, man denke dabei nur an „Fables” oder „Sandman”. Allerdings weiß Jeong-A Lee den Geschichten noch eine neue, interessante Facette hinzuzufügen. Das spiegelt sich auch künstlerisch wieder, denn der Zeichenstil erinnert ein wenig an die englischen Kinderbuchillustrationen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und versucht, ein wenig vor deren unwirklichem Zauber einzufangen. Nicht ohne Grund erinnert der Traumhändler an Figuren von Lewis Carroll, denn er ist genauso skurril und kauzig wie viele Wunderland-Bewohner.
Heraus kommt ein melancholisch-mystischer Manwha, der mit zartem Federstrich und feinen Anspielungen auch ältere Leser in dem Bann zu schlagen vermag und vor allem Gothic- und Mystery-Fans gefallen dürfte.