Save the Green Planet
Südkorea 2003, Regie: Jeong Jun-hwan, mit Shin Ha-kyun, Baek Yun-shik, Hwang Jeong-min, Lee Jae-yong u.a.
Von Thomas Harbach
Zwischen den ganzen urbanen, femininen Rachefilmen aus Koreas Filmwerk des letzten Jahre stach mit „Save the Green Planet“ eine Produktion heraus, die sich weder damals noch heute einordnen lässt. Das Cover suggeriert eine überdrehte Komödie mit Alien-Bezügen in der Tradition von „Wahre Männer“ oder natürlich „Men in Black“. Stellt sich der Zuschauer auf diese Richtung ein, wird er auf dem falschen Fuß erwischt und schnell von der absurden, überdrehten, aber brutalen Handlung abgeschreckt. Nimmt er den Film als Portrait eines psychopathischen Massenmörders, der das Motiv der außerirdischen Invasoren als Entschuldigung seiner Taten hernimmt, und dessen Struktur an die Rache- Geschichten eines Park Chan-wooks erinnert, kommt er der Sache näher… bis auf die letzten fünfzehn Minuten. Am ehesten ließe sich ein Vergleich zu Blattys „The Ninth Configuration“ ziehen. In diesem fast in Vergessenheit geratenen Film versucht sich eine Handvoll von Offizieren in einem alten Schloss durch das Vorspielen von Irrsinn vor dem Einsatz im Zweiten Weltkrieg zu drücken. Ein Mann wird in diese abgeschlossene „Anstalt“ geschickt, um zu überprüfen, ob die Verrückten echt sind oder nicht.
Byun-gu ist ein gesellschaftlicher Außenseiter. Seine Mutter liegt seit über fünf Jahren im Koma, verursacht durch das menschenverachtende Vorgehen ihres Arbeitgebers, eines Chemiekonzern. Seit Jahren beschäftigt er sich mit UFOs und liest allerlei Literatur zu diesem Thema. Nach seinen persönlichen Forschungen steht das Ende der Menschheit und ihres Planeten unmittelbar bevor. Spätestens zur nächsten Mondfinsternis wird die Rasse der Andromedaner den Planeten vernichten. Seit vielen Jahren haben sie Spione in die menschliche Gesellschaft eingeschleust. Zu den Spitzenvertretern der Fremden auf der Erde gehört ausgerechnet der skrupellose arrogante Kapitalist Kang Man-shik. In einem Handstreich entführt er den angeblichen Chef der Außerirdischen. Er bringt ihn in sein persönliches Laboratorium, das eher einer Folterwerkstatt ähnelt und will ihn mit körperlicher und psychischer Folter dazu bringen, seine Identität zu offenbaren.
Auch wenn die Ausgangssituation skurril und humorig wirkt, ist der nicht immer stringent strukturierte Film keine wirklich leichte Kost. Das beginnt schon mit den Charakteren. Ganz bewusst entzieht das Drehbuch dem Zuschauer jeglichen Bezugspunkt zu den einzelnen Figuren. Das potentielle Opfer Kang Man-shik wird gleich zu Beginn als egoistischer, arroganter Kapitalist beschrieben. Er unterdrückt und betrügt die einfachen Arbeiter, schafft Geld zur Seite und ist aus Mangel an Beweisen in einem riesigen Aktienbetrugsprozess freigesprochen worden. Kaum ist er sich seiner auswegslosen Situation bewusst, versucht er mit Prahlerei und Schmähungen den Täter einzuschüchtern. Im Mittelteil des Films bricht seine scheinbar undurchdringliche Fassade zusammen. Mehr und mehr leidet er unter der brutalen Folter – von Strom über das Annageln der Hände an einem Holzbalken bis zum Drohen des Knochenbrechens – reicht das Spektrum. Auch wenn einige der wirklich widerlichen Szenen nur angedeutet werden, hinterlassen sie im Zuschauer nicht einen Augenblick das Gefühl, wirklich eine Komödie oder auch nur eine Satire zu sehen. Er beginnt sich mehr und mehr offensiv gegen die Folter zu wehren. Zu den intensivsten Szenen gehört der Augenblick, als er geduldig seine angenagelten Hände befreit. So gewinnt er seine immer noch eingeschränkte Bewegungsfreiheit ein wenig zurück, auch wenn in seinen Händen jetzt zwei große Löcher klaffen.
Im letzten Drittel des Films – als er schließlich erkannt hat, wer wirklich sein Feind ist – geht er auf das Spiel ein. Er stellt sich selbst als Herrscher über die Andromedaner dar. Seine erste Begegnung mit der Erde hat das Aussterben der Dinosaurier verursacht. Als Wiedergutmachung hat sein Volk den Menschen im gentechnischen Labor entwickelt und auf der Erde ausgesetzt. Eine großartige Hommage inklusiv Monolith natürlich an „2001“. Aber der Film begnügt sich nicht mit der Würdigung dieses Meisterwerks, mit authentischem Filmmaterial diverser Gräueltaten der Menschen und Zwischenschnitten auf einen Affen zeigt man, dass der Mensch aus der Bahn gelaufen ist. Verantwortlich soll dafür ein Gewaltgen sein. Die angebliche Rückkehr der Außerirdischen soll die Ausbreitung dieses Gens durch die Ausrottung der Art Mensch verhindern. Je mehr Man-shik seine phantastische Geschichte zu entwickeln beginnt, desto unsicherer wird Byun-gu. Er beginnt, nicht mehr an die Außerirdischen zu glauben. Allerdings demontiert das Drehbuch auch sehr intelligent seine Persönlichkeit. Zu Beginn nimmt ihn der Zuschauer noch als gefährlichen, aber nicht gemein gefährlichen Verrückten wahr, der einen Kapitalisten – also einen Menschen, der ein hartes Schicksal durchaus verdient – entführt und zu foltern beginnt. Diese Tatsache ist zwar ein Rechtsbruch und sollte bestraft werden, aber es scheint sich um einen Einzelfall eines Mannes in einer Extremsituation zu handeln. Erst nach und nach entlarvt der Film – beginnend mit einem verdutzten Blick eines ermittelnden Beamten in eine Hundehütte – Byun-gu als Massenmörder, der die außerirdische Invasion nur als Vorsatz benutzt. Dabei bleibt letzt endlich im Dunkeln, ob die anderen Opfer mit dem Unfalltod seines Vaters, der Ermordung seiner Schwester bei einer der Demonstrationen gegen die ehemalige Militärregierung in Südkorea und das Koma seiner Mutter wirklich in einem engen Zusammenhang stehen.
Ein derart manipulierender Film lässt sich mehr als eine Hintertür zur Interpretation. Die anderen Opfer bleiben ohne Identität. Schon das Filmplakat ist eine einzige falsche Spur. Dort sieht der potentielle Zuschauer den Protagonisten in einer verrückten Alienuniform mit einem leicht unterbelichteten Gesichtsausdruck in die Kamera lächeln, in einer Hand eine Tinktur, mit der er seinem Opfer im eigentlichen Film starke Schmerzen zufügen wird. Auf der DVD sitzt das Opfer in seinem Marterstuhl wie der Kommandant eines fremden Raumschiffs, daneben der Täter wieder in seiner selbst gemachten extravaganten Uniform, auf der anderen Seite seine leicht übergewichtige Freundin und zu Beginn der Entführung Helferin in einem traditionellen Kostüm. Im Verlauf des Films wird der Zuschauer erkennen, dass der Film nur aus Spuren von schwarzem Humor, aber keinem komödienartigen Klamauk besteht. Das einzige Comic Relief sind – wie für Koreas Kino üblich – die Polizisten. In diesem Fall ein Duo, das nicht zusammen ermittelt, sondern eher gegeneinander agiert. Ein junger aufstrebender Polizist voller Bewunderung für seinen Vorgesetzten, dessen größte Fähigkeit des Delegieren von Aufgaben zu sein scheint. Auch wenn ihre Charaktere nicht über das Klischee hinausgehen, unterbrechen ihre Auftritte die deprimierende, nihilistische Atmosphäre in der dunklen Folterkammer. Die Ermittlungen eines dritten Beamten im Haus des Täters sorgen für eine nach dem rasanten Auftakt notwendige Spannung. Dazu wird der Zuschauer vom brutalen brachialen Geschehen ein wenig abgelenkt und der Film wirkt in diesem kurzweiligen Abschnitt wie ein klassischer Cop-Thriller. Die Szene endet zwar nicht in der schon angesprochenen Hundehütte, aber der erste Spannungsbogen findet seinen Höhepunkt an diesem ungewöhnlichen Platz.
Im Vergleich zu den bedrückenden Rachethrillern – „Princess Aurora“ sollte hier ebenfalls hinzugezählt werden – leidet die Charakterisierung der einzelnen Figuren unter dem ambivalenten Drehbuch. Die „Wahrheit“ kann erst am Ende des Films erzählt werden und lässt einzelne Protagonisten rückblickend in einem anderen Licht erscheinen. Diese Einschränkung ist allerdings nur nach der Betrachtung des ganzen Films möglich, bei der direkten Beurteilung der einzelnen Charaktere zeigen sie alle Einzigartigkeiten, wirken unsympathisch, überdreht, im Grunde verrückt. Mit ungewöhnlichen Kameraperspektiven wird dieser nah unter der Oberfläche liegende Wahnsinn noch betont. Der Film hätte effektiver gewirkt, wenn das Drehbuch versucht hätte, zumindest einen der Hauptprotagonisten so normal wie es bei dieser Art des Kinos möglich ist, darzustellen. So wirkt die Zusammenstellung der Darsteller wie der Versuch, die Neuverfilmung von „Per Anhalter durch die Galaxis“ an Exzentrizität unnötig zu übertreffen. Der Plot hat diese Art von übertriebener Zurschaustellung nicht nötig. Das Spektrum reicht vom weite Strecken klassischen Cop-Thriller bis schließlich zur Science Fiction-Satire. Beginnend mit „Over the Rainbow“ in einer Punkversion ist „Save the Green Planet“ im Grunde das Spiegelbild der neutrale Beobachter deprimierenden Menschheit. Das authentische Material von Nazigräuel, zivilen Opfern der Kriege in Vietnam und Korea, das brutale Niederschlagen der zarten Demokratiebewegungen, eine belanglos zusammengestellte und deswegen so beeindruckende Abfolge vom Leid unschuldiger Opfer reduziert die Menschen auf das Niveau von Affen. Die Grenzen zwischen den offensichtlichen Soziopathen und hier sehr deutlich herausgestellt machtgierigen Politikern sind fließend. Spielt es im Kern eine Rolle, ob man direkt oder indirekt nur einen Menschen quält und tötet oder Tausende, wenn nicht Millionen? Lässt sich Leid überhaupt reduzieren?
Auch wenn diese Frage in einem Feuerwerk von optischen Ideen und rasanten Schnitten fast untergehen, bleiben sie im Gedächtnis des Zuschauers hängen. Die Künstlichkeit der Inszenierung mit unnatürlichen grellen Farben auf der einen Seite und nuanciert eingesetzten Bildern der unberührten Natur passt zur skurrilen Handlung. Wie schon in „Per Anhalter durch die Galaxis“ oder dem brillanten „Die fabelhafte Welt der Amelie“ werden kurze, aber notwendige Erklärungen bildkonform, aber im Zeitraffer optisch aufbereitet. So reduziert sich nicht nur die Welt der Aliens auf ein Bilderbuch, sondern auch unsere Erde.
In Bezug auf die Gewalt macht es sich das Drehbuch dann aber schließlich zu einfach. Mit dem originellen Ende – eine Hommage an die „Flash Gordon“-Serials mit dem schrecklichen Ming – negiert der Film allerdings auch seine Botschaft, dass Gewalt auf dem Weg ein opportunes Mittel sein kann. Ob es sinnvoller gewesen wäre, dem Zuschauer keine Auflösung – so unglaubwürdig und überdreht sie auch erscheinen mag – zu präsentieren, sei dahingestellt. Nach einem fast ulkig lustigen Auftakt wird aus „Save the Green planet“ ein äußerst brutaler – darum auch keine Jugendfreigabe – Rachethriller, bevor er in den surrealistischen Sphären Kinderbuchartiger Science Fiction sein endgültiges Ende findet. Die Ambitionen sind an fast jeder Kameraperspektive abzulesen, den Zuschauer auf keinen Fall unterhalten zu wollen, sondern kontinuierlich zu schockieren. Das muss man sich vor Augen halten, wenn man diese im Grunde Anti-Komödie sich ansehen möchte. „Save the Green planet“ ist weder leichte Kost noch gängige Unterhaltung. Es ist ein technisch hervorragender Film mit einem Plot, der beim Zuschauer nicht zuletzt aufgrund seiner manchmal ein wenig oberflächlichen Originalität Widerspruch hervorrufen wird. Die Botschaft das Films ist klar und deutlich formuliert: der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, sondern ein genetischer Defekt. Und der muss beseitigt werden. Von innen oder außen spielt keine Rolle mehr… dazu ist unsere Zeit abgelaufen.
Splendid präsentiert den Film als Doppel-DVD technisch – wie gewohnt – überzeugend. Die Farben sind unnatürlich und intensiv, genau wie im Original vorgesehen. Bilddefekte findet der Zuschauer keine, die Kameraschwenks bringen die Farben nicht zum „Rauschen“. Beide Tonspuren sind überzeugend. Zu den Extras auf der ersten DVD gehören neben Trailern zu diversen Splendid-Produktionen nur noch die Trailer des Films. Daneben findet sich ein deutsch untertitelter Audiokommentar zum Film. Jeong Jun-hwan hat einiges zu seinem kleinen Meisterwerk zu sagen und orientiert sich sehr gut am Geschehen auf dem Bildschirm. Er greift nicht vor – auch wenn es unwahrscheinlich sein sollte, das sich jemand den Audiokommentar vor dem Film ansehen sollte. Er bemüht sich auch, einen Eindruck von der Produktion und den Produktionsbedingungen zu geben. Spätestens hier kann der Zuschauer erkennen, dass man trotz der beeindruckenden Optik noch weit von den Megabudgets Hollywood entfernt ist. Auf der zweiten DVD finden sich die obligatorischen kommentierten Deteled Scenes und ein dreiminütiger Kurzfilm „The Lazy Mirrors“, mit dem sich Jeong Jun-hwan schon 1993 bei der Universität in den USA vorgestellt hat. Der Animationsfilm zeigt die Fähigkeit des Regisseurs, aus dem Nichts heraus skurrile Ideen zu einem packenden Film zu verbinden. Die Behind the Scenes Features geben einen guten Eindruck von den Dreharbeiten. Von den Trickeffekten über die gefährlich aussehenden Stunts bis zu den Make Up-Effekten wird jeder wichtige technische Schritt einer solchen Produktion kurz behandelt. Die jeweiligen Verantwortlichen geben einen kurzen, unkritischen Eindruck von ihrer Arbeit. Die Aufnahmen vom Set werden in dem nach Werbefilmmanier geschnittenen und kommentierten Beitrag „Days of the Green planet“ zusammengefasst. Die Szenen von der Premiere und die Fragen vom Fanclub, denen sich die Hauptdarsteller stellen müssen, zeigen sich von der besten Seite. Dass ein solches Material nicht unbedingt kritisch sein darf, versteht sich von selbst. In diesem Fall ist der Film auch gut gelungen, so dass die Lobpreisungen zumindest auf fruchtbaren Boden fallen und nicht nur den Eindruck von Propaganda hinterlassen. Die Interviews wirken eher wie Monologe, allerdings hält insbesondere der Regisseur sowohl in „The Director’s Room“ als auch „2001 Imagine“ eine Reihe von interessanten und bislang unerwähnten Informationen bereit, welche die Produktion befriedigend abrunden. Viele der anderen Interviews haben dafür allerdings den Charakter von oberflächlichem Small Talk. Die auf dem Cover angegebene Lauflänge von Film und Extras ist allerdings übertrieben, hier wurde der Audiokommentar mit seinen fast zwei Stunden Lauflänge einfach integriert.
DVD-Facts:
Bild: 1,85:1 (16:9, anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, deutsch Dolby Digital 5.1 dts, koreanisch Dolby Digital 5.1, koreanisch Dolby Digital Stereo 2.0 (Audiokommentar
Untertitel: deutsch
DVD-Extras:
Audiokommentar, geschnittene Szenen, Featurettes, Interviews