House of Ghosts
Thailand 2004, Regie: Ma-Deaw Chukiatsakwirakul, mit Pumwaree Yodkamol, Alexander Rendel, Amora Purananda u.a.
Von Thomas Harbach
Asien ist mehr und mehr nicht zuletzt aufgrund der Erfolge von J-Horror-Filmen wie „Ring” und den Bollywood-Blockbustern in den Mittelpunkt des Interesses zurückgerückt, nachdem die Hongkong-Welle Ende der neunziger Jahren in der Reintegration der Kronkolonie zu Japan ausgelaufen ist. Mit „Revenge of the Warrior“ und „Ong Bak“ sowie den Produktionen der Pang-Brüder hat sich Thailand seinen Platz auf der internationalen Szenen erkämpft. So faszinierend diese gewalttätigen Filme auch gewesen sind, zeigten sie gleichzeitig die Stärken und Schwächen der kaum entwickelten thailändischen Filmkultur. Technisch nicht immer überzeugend, aber ambitioniert erzählten die Filme sehr geradlinige, fast simplifizierte Geschichten. Einem Vergleich mit der schlanken Filmproduktion Hongkongs halten die Filme von vorneherein nicht stand. Diese oft noch ungeschliffen wirkenden Filme haben aber auch den Vorteil, dass sie ihre Geschichten möglichst naturalistisch zu erzählen suchen.
Mit der Geistergeschichte „House of Ghosts“ ergibt sich ein fast ideales Betätigungsfeld. Das Team verzichtet insbesondere in der ersten Hälfte des subtil angelegten Streifens auf jegliche Trickeffekte – bis auf einen Rückblick – und bemüht sich, die Geschichte in erster Linie über die Charaktere zu erzählen.
Die Eltern der jungen Qui werden nach einer Autopanne im offenen Land brutal von zwei jungen Männern ermordet. Diese Sequenz wird in einem Rückblick erzählt. Das Motiv bleibt offen. Im ersten Augenblick scheinen sie es auf den wertvollen Wagen abgesehen zu haben. Nach der Ermordung der beiden Eltern fahren sie auf ihrem billigen Motorrad wieder weg, lassen das junge Mädchen unwissentlich in ihrem Versteck im Feld zurück. Sie kommt zur Pflege in das Haus einer Tante mit einer eigenen Firma. Sie soll als Gegenleistung auf den jungen, verstörten Neffen aufpassen. Dieser hat nicht nur vor etwas im Haus panische Angst, sondern ist von der bisherigen Erzieherin sehr hart angefasst worden. Den beiden Jugendlichen ist verboten worden, die vierte Etage des Hauses zu betreten. Ausgerechnet aus dieser Etage kommen nachts die seltsamen Geräusche.
Wie in Robert Wises „The Haunting“ werden die unheimlichen Ereignisse nur durch unheimliche Geräusche und Silhouetten – so sieht Qui im Fernsehspiegelbild ein junges Mädchen, das nur ein Nachthemd trägt – angedeutet. Gleich zu Beginn wird die junge Protagonistin entwurzelt. Der Zuschauer erfährt erst später im Verlaufe des Films von ihrer Vergangenheit. Sie nimmt Tabletten ein, um die schrecklichen Ereignisse wenn nicht zu vergessen, so zumindest zu verarbeiten. Damit stellt der Spannungsbogen sehr intelligent ihre Objektivität in Frage. Der Zuschauer kann nicht abschließend beurteilen, ob sie die Geräusche wirklich wahrnimmt, oder es sich um Halluzinationen handelt. Mit dem jungen Neffen an ihrer Seite verhält es sich nicht anders. Seine Tante dominiert sein Leben. Wie die schwatzhaften Arbeiterinnen berichten, hat ihn das Mädchen, das bisher auf ihn aufgepasst hat und plötzlich wie ins Nichts verschwunden ist, geschlagen. Er hat Angst vor flackerndem Licht – eine sehr interessante Szene, welche die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Protagonisten herausstellt und gleichzeitig aus dem Nichts heraus eine bedrohliche Atmosphäre schafft. Im Grunde ist seine objektive Wahrnehmungsfähigkeit genauso eingeschränkt wie die Quis. Die Konzentration auf die beiden jungen Protagonisten an einem nicht unbedingt unheimlichen, aber zumindest für westliche Zuschauer exotischen Ort bekommt der langsamen Plotentwicklung. Viele Szenen wirken wie aus dem normalen Leben gegriffen. Das Haus ist zwar sauber, aber durchgehend dunkel. Die Lagerräume sind schmutzig und offen. Dass die Tante zusätzlich noch als Medium zu arbeiten sucht, verstärkt die undurchschaubare Gesamtsituation. Insbesondere die Chemie zwischen den jungen, unerfahrenen Schauspielern stimmt.
Es empfiehlt sich, den Film im Original zu sehen. Die deutsche Sprache wirkt in der sicher guten Synchronisation dennoch immer ein wenig sperrig. Auch kann sie die überzeugende Mimik in den überraschend effektiv platzierten Schocksequenzen besser unterstützen. Damit der Film überhaupt funktionieren kann, muss sich der Zuschauer mit den Charakteren identifizieren. Im Gegensatz zu einigen Nebenrollen, die anscheinend mit unerfahrenen Laiendarstellern besetzt worden sind, agieren die beiden wichtigsten Protagonisten sehr stimmig. Einen starken Kontrast bildet die dominante Tante. Ihre herrische Art wirkt an einigen Stellen zu überzogen, zu plakativ und nimmt einigen wichtigen Szenen einen entscheidenden Teil ihrer Effektivität. Dabei erscheinen andere Szenen wie Teile eines klassischen Kammerspiels und nicht eines modernen Genrefilms. Auch wenn es Zufall sein kann, sind die Bezüge zu Jack Claytons „The Innocents“ und Michael Winners eher profaner Neuverfilmung „The Nightcomers“ spürbar. Waren es in diesen beiden sehr unterschiedlichen Verfilmungen Landhäuser und Schlösser, welche dunkle Geheimnisse bargen, ist es in diesem Fall eine Druckerei. Wieder stehen Kinder im Mittelpunkt des Geschehens. Das Mädchen hat den Verlust der Eltern zu ertragen, der Junge ist gerade einer brutalen Aufpasserin entkommen. Zusammengenommen alles Elemente aus den eben erwähnten Filmen. Unterstützung von den Erwachsenen erhalten die beiden Protagonisten nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Die lieblosen Erwachsenen – in diesem Fall die Tante – isolieren die Kinder weiter von der Umwelt.
Diese Ideen sind alle nicht neu, werden aber auf einem soliden Fundament präsentiert. Die Fremdartigkeit des asiatischen Landes verstärkt diesen Eindruck.
Das es nicht ganz einfach ist, in dem an sich hellen, sonnigen Thailand einen atmosphärisch bedrohlichen Horrorfilm zu drehen, haben sich die Macher fast ausschließlich auf Innenaufnahmen konzentriert. Die wenigen Außendrehs sind überraschend subtil in Szene gesetzt worden. Da gibt es einen Rückblick auf die Ermordung der Eltern in der Nacht und eine Konversation zwischen dem eher dümmlich Halbstarken von Nebenan und den Kindern. Diese sind von der Tante im Haus eingesperrt worden. So können sie nur durch die vergitterte und abgeschlossene Tür mit dem Jungen sprechen. Der Übergang vom Drinnen zum erlösenden Draußen kann nicht stattfinden.
Die erste Hälfte des Films verbringt der Zuschauer auf der eigenen Suche nach einer Position in dem Geschehen. Akzeptiert er die Story als potentielle Geistergeschichte, werden sehr viele mehr oder minder subtile Hinweise ausgestreut. Akzeptiert er diese Prämisse nicht, dann wird „House of Ghosts“ zu einem sehr langweiligen Vergnügen. Immer an der Grenze zum Phlegma hat der Zuschauer in diesem Fall das Gefühl, als wenn Belanglosigkeiten ausgewälzt werden. Viele Szenen, die sich auf der Verhältnis zwischen den einzelnen Charakteren und weniger die übernatürliche Geschichte konzentrieren, wirken zu sehr gedehnt, fast belanglos. Der Regisseur kontrolliert alle möglichen Ablenkungen sehr effektiv. Erst im zweiten Abschnitt des Films beginnt er die Kontrolle über die Ereignisse zu verlieren. Die Subtilität weicht einer von einer zu lauten Geräuschkulisse begeleitenden Achterbahnfahrt zwischen angenehmen Grusel und aufgesetztem Horror. Dabei könnten die hier gezeigten Ereignisse mit der sicheren Hand des ersten Filmabschnitts inszeniert deutlich effektiver wirken. Dass am Ende eine fast slapstickartige und deswegen gänzlich unüberzeugende Jagd durch das ganze Haus gezeigt wird, negiert die bislang überzeugend aufgebaute unheimliche Atmosphäre, zerstört den Sense of Disbelief im Zuschauer und weckt unnötige Zweifel am Geschehen. Die Geduld und das Interesse des Betrachters sind in der ersten Hälfte weniger durch grotesk geschminkte Geisterfratzen aufrechterhalten worden, sondern durch eine grundsolide Schauspielerleitung unterstützt von einem vernünftigen Konzept. Mit der Verbeugung vor dem eher unterhaltsam- komischen Hongkong-Kino der siebziger und achtziger Jahre reduziert man die Geschichte auf einen profanen Nenner.
Während in Filmen wie „The Others“ der Horror bis zum Ende im Kopf des Betrachters stattgefunden hat, zerrt das Drehbuch ihn am Ende ins Tageslicht und verliert auf diesem Weg den Zuschauer. Die versuchte Auflösung des Plots ist leider weder eine Überraschung, noch sonderlich originell gemacht. Zwar weigert man sich am Ende konsequent, abschließende Antworten auf die Vorfälle zu geben, das Interesse hat beim Betrachter auch im Vergleich zu „The Haunting“ deutlich nachgelassen. Zumindest verzichtet man auf das Hollywood-mäßige positive Antworten finden und alles wird gut, bis kurz vor dem Nachspann noch einmal der Holzhammer herausgeholt wird. Aber anstatt die Schraube weiter anzuziehen und die Bedrohung zumindest indirekt konkreter zu machen, verliert sich der Plot in einer Art innerer Auseinandersetzung über die endgültige Richtung des Streifens. Das ist in mehrfacher Hinsicht sehr schade: das Drehbuch kann nur bedingt die guten Leistungen der Schauspieler unterstützen, die klug aufgebaute Atmosphäre löst sich in Wohlgefallen auf und aus einer intelligent konzipierten Geschichte wird ein eher durchschnittlicher Film.
Das einzige Extra ist ein nichtssagender Kinotrailer.
Das Bild macht in richtigem Format einen ansprechenden Eindruck. Da die Vorlage etwas verwaschen ist – das kommt dem Inhalt eher zu Gute – wirken die Farben ein wenig braunstichig. Beide Tonspuren sind von sehr guter Qualität. Es empfiehlt sich allerdings die melodischere Originalspur zu nehmen. Das Thailändisch verstärkt die fremdartige Atmosphäre.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (16:9, anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, thailändisch Dolby Digital 5.1, deutsch dts 5.1
Untertitel: deutsch