Welcome to Phantastik-News
 
 

  Inhalt

· Home
· Archiv
· Impressum
· Kino- & DVD-Vorschau
· News melden
· Newsletter abonnieren
· Rezensionen
· Suche
· Zum Forum!
 

  Newsletter

Newsletter-Abo
 

 
 

Campbell, Alan: Scar Night - Die Kettenwelt-Chroniken 1 (Buch)

Alan Campbell
Scar Night
Die Kettenwelt-Chroniken 1
(Scar Night)
Aus dem Englischen übersetzt von Jean Paul Ziller
Titelillustration von Dominic Harmann und Chris Cappaert
Goldmann Verlag, 2007, Paperback, 606 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-442-46270-4

Von Carsten Kuhr

Vor dreitausend Jahren stieg der Engel Ulcis aus dem Abgrund auf und gründete Deepgate, die Stadt der Ketten.

Willkommen in einer der ungewöhnlichsten Städte der Dark Fantasy.

Einer Stadt, deren baufällige, gotische Häuser an riesigen Ketten über dem Abgrund schweben, eine Stadt, die wie kaum eine andere die Toten ehrt und hofiert. In morbiden Ritualen werden die Toten zur Ruhe gebettet, indem ihre Seelen und mit diesen die toten Körper dem Abgrund übergeben werden, um dort in der Stadt Deep von Ulcis zu neuem Leben erweckt zu werden. Sobald Ulcis genügend Streiter um sich geschart hat, so die Prophezeiung der Kirche Ulcis’, wird er mit seinen wiedererweckten Toten den Abgrund verlassen, und die von seiner Mutter Ayen verschlossenen Tore zum Paradies gewaltsam wieder aufstoßen.

Seit Jahrhunderten befindet sich die Stadt im Krieg mit den wilden Nomadenstämmen der Heshette, die Ayen anbeten. Deepgates Armeen haben die Horden der Nomaden ein ums andere Mal vernichtend geschlagen, die seit einigen Generationen in Dienst gestellten Luftschiffe und ihre vom verrückten Alchimisten Devon zusammen gemixten chemisch-biologischen Waffen sorgen für Ruhe an der Front.
Die Kirche Deepgates hat gegenüber den meisten Religionen einen entscheidenden Vorteil. Sie kann einen leibhaftigen Engel vorweisen. Dill ist der letzte seiner Art. Während seine Vorfahren seit Jahrtausenden für die Sicherheit der Stadt in den Kampf gezogen sind, ist es ihm verboten zu fliegen. Statt dessen vertreibt er sich seine Zeit damit, Schnecken von der Wand seiner Klause zu retten, Vögel mit Steinen zu bewerfen und sich zu langweilen. Mit 16 Jahren soll er nun endlich seine Ausbildung intensivieren, und erste Kulthandlungen übernehmen. Rachael, eine der kirchlichen Assassinnen wird ihm als Lehrerin und Leibwächterin zugeteilt.

Als wäre das Leben so schon nicht trist und elend genug, wird die Stadt im monatlichen Abstand in der Scar Night von einem weiblichen Engel heimgesucht, die um zu überleben jeden Monat einen Menschen ausbluten muss, um von dessen Seele zu zehren. Trotz der jahrelangen Bemühungen der kirchlichen Assassinnen konnte Carnival bislang nicht gestellt und getötet werden.
Deepstates morbider Rhythmus wird gestört, als weitere ihres Blutes und der Seelen beraubte Leichen auftauchen. Diese können unmöglich auf das Konto von Carnival gehen, das einzig mögliche Motiv, dass irgendjemand den magischen, unsterblich machenden Engelwein herzustellen versucht. So macht sich die ganze Stadt auf die Suche nach dem Täter und dessen Trank, der neben den Heilkräften und der lebensverlängernden Wirkung auch den Wahnsinn für seine Konsumenten bereit hält. Doch, wer in der hängenden Stadt ist nicht schon seit langem dem Wahnsinn verfallen?


Eine Zeitlang stürzten sich die großen Verlage alle ausschließlich auf High Fantasy. Dem großen Vorbild Tolkiens folgend zog eine bunt gemischte Schar jugendlicher Helden - unter ihnen natürlich unabdingbar Elfen und Zwerge - aus, im Auftrag eines weisen Magiers ihre Welt vor dem Bösen zu retten. Ein paar wenige Sword & Sorcery Titel in der Nachfolge Conans, doch damit war im Wesentlichen das Repertoire der Fantasy-Editionen erschöpft.
Nun, nachdem das Feld weitgehend abgeerntet ist, besinnen sich die Verlage zunehmend auf andere Spielarten und der Leser kommt auch in den Genuss von Dark Fantasy. Nachdem Piper mit Bishops „Stadt des Wahnsinns“ punkten konnte, legt Goldmann mit dem ersten Band der „Kettenwelt“-Trilogie nach.
Alan Campbell, der sich bislang als Programmierer von Fantasy-PC-Spielen „(Grand Theft Auto“) einen Namen gemacht hat, begann der Roman vor über 10 Jahren in Budapest, brach das Manuskript dann aber nach einigen wenigen Seiten ab. Seitdem ruhte der Plot. entwickelte und entpuppte sich, bis der Autor sich dann vor zwei Jahren wieder seinem Projekt zuwandte.

Wie man es von einem Mann, der PC Welten schafft erwartet, schreibt Campbell sehr bildhaft. Er ist sicherlich ein Mann großer Gemälde, angefangen von den Ebenen der Nomaden, über den Abgrund bis zur Kettenstadt selbst verblüfft und erschlägt er seine Leser förmlich mit eigenen, wuchtigen und gleichzeitig verstörenden Kreationen, die man so noch nicht gelesen hat.
Ausgehend von diesen epochalen Bildern entsteht eine teilweise beklemmende, dann wieder surrealistisch anmutende Stimmung, in der er seine Handlung ablaufen lässt.

Es geht um diverse Themen, bekannte wie unbekannte Plots. Die Existenz der Götter, der Machterhalt der Kirche wird thematisiert, die Problematik, ob alles was wissenschaftlich machbar ist auch tatsächlich gemacht werden muss, die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Individuums, die Suche nach dem Sinn der Existenz, dem Wesen der Götter - alles Themen die unterschwellig angesprochen werden. Allerdings, und das ist positiv zu vermerken, stößt der Autor hier Denkprozesse nur an, zeigt Überlegungen auf, ohne seine Leser mit vermeintlich einfachen Lösungen zu bevormunden.
Wie dies bei Dark Fantasy-Romanen Usus ist, gibt es keinen Helden im Sinne des Wortes. Vor unseren Augen nehmen tragische Personen Gestalt an, Menschen, Engel und Götter die leiden, die zweifeln, verzweifeln und uns berühren.

Dabei ist meines Erachtens die Kettenstadt per se die wohl wichtigste Gestalt des Buches. Man muss dem Autor hier Respekt zollen. Nicht nur der Einfall einer an Ketten über einem Abgrund (der Hölle) aufgehängten Stadt ist bemerkenswert, auch die überzeugende Darstellung des Lebens in dieser einmaligen Konstruktion nimmt uns gefangen.
Wie die Gebäude mit Ketten gesichert und umschlungen sind, so sind auch die Personen der Geschichte von unsichtbaren Ketten gefesselt und gehalten. Diese Metapher, so unauffällig sie zunächst daherkommt wird im Verlauf der Handlung immer dominanter.

Hätte sich der Autor ein wenig kürzer gefasst, er hätte ein Meisterwerk geschaffen. Die gerade zu Anfang unübersehbaren Längen stören den ansonsten vorzüglichen Eindruck ein wenig, ohne das Interesse an den beiden Folgebänden zu schmälern. Ein Lob auch, dass es dem Verlag dieses Mal gelungen ist, das passende Originaltitelbild der englischen Ausgabe zu übernehmen.

hinzugefügt: June 20th 2007
Tester: Carsten Kuhr
Punkte:
zugehöriger Link: Goldmann Verlag
Hits: 3042
Sprache:

  

[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ]