Fireflash
Italien/Frankreich 1983, Regie: Sergio Martino, mit Michael Sopkiw, Valentine Monnier, Anna Kanakis, George Eastman u.a.
Von Thomas Harbach
Sergio Martino gehört zu den italienischen Filmemachern, die sich über viele Jahre auch außerhalb der Genregemeinde einen Ruf als solider Regisseur unterhaltsamer Stoffe im Grunde aus allen Genres gemacht hat. Nachdem er mit einigen Italo-Western und vor allem einer Handvoll von Criminal-Giallos – die Grundzüge der Mafia--Thriller hat er in einer Reihe von Filmen sehr gekonnt mit den Motiven des Giallo in Form eines maskierten Mörders und dem Doppelleben von schönen, blutjungen Mädchen verbunden – für Aufsehen gesorgt hat, folgten in erster Linie belanglose Komödien. Mit seinem Beitrag zu den Kannibalen-Filmen „Mountain of Cannibal Gods“ hat er für Aufsehen gesorgt. Zwar ist der Film nicht so exzessiv geworden wie die Beiträge von Umberto Lenzi oder Ruggero Deodato, aber ein starker Magen sei trotzdem zum Anschauen empfohlen. Mit „Paco- die Kampfmaschine des Todes“ hat er einen nihilistischen Action-Thriller vorgelegt, dessen grundlegende Strukturen auch in seinen einzigen Beitrag zur Pasta-„Mad Max“-Connection „Fireflash“ eingeflossen sind. Dabei fügt er dem Genre neben den obligatorischen Verfolgungsjagden mit futuristischen Autos – es ist immer wieder erstaunlich, wo die Bösewichte noch an verwertbare Benzinvorräte kommen, während Mad Max im dritten Teil der Saga wieder aufs Pferd gekommen ist – eine neue, interessante Idee hinzu. Die Jagd nach der nächsten Generation. Es sind sicherlich eine Reihe von Ideen aus Filmen wie „A Boy and his Dog“ eingeflossen, die in klassischer Westernmanier mit reichlich Action und vor allem ausreichend Brutalität vor einer leidlich futuristischen Kulisse präsentiert werden.
Die Geschichte beginnt – wie der Off-Erzähler düster prophetisch darlegt – in New York des Jahres 2019. Einige Jahre nach dem Ende des nuklearen Krieges ist die überlebende Menschheit nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem fortpflanzungstechnisch vom Aussterben bedroht. Die wenigen Bewohner, die sich noch auf der Erdoberfläche tummeln sind verstrahlt, grauenvoll mutiert und haben ihre Zeugungskraft verloren. Vor acht Jahren wurde das letzte Kind geboren und die wenigen Menschen sind zum Aussterben verurteilt. Dabei lässt sich schon längst nicht mehr von einer Zivilisation sprechen. Das niedrige Budget dieser Filme erlaubte keine Massenszenen und vor allem auch im Zeitalter vor den Computertricks aufwendige Kulissen. Einige effektive Mattepaintings geben diese erdrückende Endzeitstimmung sehr gut wieder. Es ist erstaunlich, mit welch aus heutiger Sicht primitiven Mitteln im Vergleich zu einigen anderen Regisseure dieser Epoche Sergio Martino den Zuschauer von seinem Szenario überzeugen kann, auch wenn zumindest in der soziologischen Grundausrichtung haarsträubende Lücken und Fehler zu erkennen sind.
Die siegreichen Euraker haben in Manhattan ihr Lager aufgeschlagen und herrschen über die großteils zerstörte Stadt mit eiserner Hand. Die Bewohner der Stadt werden gefangen genommen und von den eurakischen Streitkräften für grauenvolle genetische Versuche missbraucht. Wer dem neuen Rassengedanken nicht entspricht - und das betrifft im Grunde neunzig Prozent der vielleicht noch fünf Prozent überlebenden Bevölkerung - wird mit Hilfe der Desinfektion eliminiert. Mit schnellen Schnitten und einer im Zeitraffer präsentierten Hintergrundhaltung fasst Martino das Zeitgeschehen präzise, aber ein wenig steril zusammen.
Es folgt der Schnitt auf den klassischen Protagonisten eines solchen Szenarios. Der hat gerade in der Wüste Nevadas ein Autorennen gewonnen. Der amerikanische Traum des Stock Car Rennens findet hier seine Fortführung. Dem Sieger Flash wird eine Nutte Laura überschrieben, die er schnell und im Grunde platonisch wieder der Weite der unwirtlichen Prärie überlässt, da sie ihm mit ihrem losen und niemals stillstehenden Mundwerk auf den Geist geht. Die drei Jetons, mit denen er drei Menschen umbringen und ihren Besitz übernehmen kann, entpuppen sich als Nieten. So bleibt Flash im Grunde nichts weiter übrig, als wieder seines Weges zu ziehen, bis er plötzlich von den Streitkräften der panamerikanischen Förderation für eine Selbstmordmission entführt wird. Flash bekommt den Auftrag, in New York eine Frau zu finden, die noch fähig ist, Kinder zu zeugen. Mit ihrer Hilfe soll eine neue Rasse und im Weltall eine neue Zivilisation entstehen. Als Gegenleistung soll Flash einen der raren Plätze auf dem Raumschiff erhalten, die diese Zivilisation begründen soll. Da Flash ohnehin keine Alternative hat, willigt er ein und bekommt die Begleiter Bronx (Paolo Maria Scalondro) und Racket (Romano Puppo) zur Seite gestellt. Bronx ist in New York geboren und hat dort durch die Euraker seine gesamte Familie verloren. Desillusioniert will er in erster Linie Rache nehmen und die Euraker schädigen. Er wird das Himmelfahrtskommando mit seinen navigatorischen Fähigkeiten unterstützen. Racket ist der brutale Gewaltästhet, der mehrmals den nicht immer charismatischen und vor allem überzeugenden Helden aus Schwierigkeiten retten sollte. Wie im klassischen Western werden die einzelnen Fähigkeiten des Himmelfahrtskommandos addiert, in der Hoffnung, dass sie gegen die zahlenmäßig und ausrüstungstechnisch überlegenen Euraker überhaupt den Hauch einer Chance haben. Nur das Drehbuch ist natürlich auf ihrer Seite. Aber auch die Suche nach dieser geheimnisvollen Frau in den Ruinen New Yorks wird zu einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Sergio Martino hat zusammen mit seinem Drehbuchautoren Ernesto Gastaldi – der sich bei den Giallos einen hervorragenden Ruf erworben hat – das Genre studiert und eine interessante Kombination aus alt bekannten und neu aufgewärmten Ideen präsentiert. Viele werden dem Zuschauer sofort ins Auge springen. Zeitgleich mit „Fireflash“ hat John Carpenter seinen Klassiker „Escape from New York“ gedreht. In beiden Filmen sollen die einsamen, stoischen Helden eine Selbstmordmission in der Großstadt übernehmen. Das sich Hinweise auf Filme wie „Blade Runner“ oder „Planet der Affen“ zu dem bekannten „Mad Max“ Hintergrund gesellen, wird niemanden wirklich überraschen. Das Grundprinzip ist der klassische Kriegsabenteuerfilm. Wie in Meisterwerken wie „Ein Haufen verwegener Hunde“ geht es um eine Selbstmordmission. Sehr unterschiedliche Charaktere werden auf den Weg geschickt. Nach anfänglichem Misstrauen beginnen sie zusammenzuarbeiten. Ihre Motive könnten nicht unterschiedlicher sein. Im Verlaufe einer Reihe von gefährlichen Situationen werden sie zu einer Kampfeinheit, die schließlich unter Selbstopfern und Verlusten wieder aufgesprengt wird, bis sie gegen allen Wahrscheinlichkeiten doch irgendwie am Ende des Films ihr Ziel erreichen und den Auftrag mehr oder minder erfolgreich abschließen. Ob in diesem Fall damit wirklich der Menschheit eine glücklichere oder überhaupt eine Zukunft beschert wird, bleibt genauso offen wie in neueren Science Fiction-Heilsbringer-Dramen á lá „Children of Men“. Zwar wird der überdimensionale Bösewicht in seine Schranken gewiesen, aber die politische Alternative – welcher Flash und der Zuschauer zu Beginn des Films ja begegnet sind – wirkt genauso düster und fragwürdig. Mit einer offenen Verachtung allen politischen Systemen gegenüber – egal ob in der Zukunft oder seinen herausragenden Kriminalfilmen – enthält sich Sergio Martino trotz einiger kitschiger Szenen jeglicher rosaroter Zukunftsgedanken. Leider geht diese Botschaft in seinem actionorientierten und teilweise ein wenig zu krude inszenierten Film beim ersten Ansehen gänzlich unter.
Da Martino nach der obligatorischen Einführung seine Protagonisten ständig in Bewegung hält und vor allem dadurch auch den Zuschauern nicht die Möglichkeit gibt, wirklich durchzuatmen und das Gesehene zu verarbeiten bzw. wieder zu erkennen, vergeht die Zeit wie im Fluge.
Zuerst werden die einzelnen Protagonisten durch wichtige Szenen vorgestellt. Der Zuschauer erhält einen kurzen, pointierten Eindruck von ihren Fähigkeiten. Das ausgerechnet der Held in dieser Aneinanderreihung von Actionszenen am schlechtesten wegkommt, ist sicherlich Absicht, negiert aber eine Reihe der folgenden pathetisch- heroischen Passagen. Diese Vorgehensweise hat aber noch einen weiteren Vorteil. Im Gegensatz zu einigen anderen sehr ambitionierten Filmen, denen schließlich das Budget ausgegangen ist, steigern sich Martino und sein Drehbuchautor von Sequenz zu Sequenz, ohne gleich das Scheckbuch allzu stark zu belasten. Das Eindringen insbesondere in die New Yorker Unterwelt lässt sie auf futuristische Kulissen verzichten. Die sehr dunkle Inszenierung und schnellen Schnitte überdecken manch zu einfaches Make Up. Erst mit dem Auftauchen der Helden in der futuristischen Zukunftsstadt, zeigen sich die Mängel des Films deutlicher. Wenn schließlich die legendäre Schöne fast wie Schneewittchen schlafend von Zwergen äh… Helden umringt aufgefunden wird, ist es mit jeglicher Ernsthaftigkeit vorbei. Diese Szenen wirken derartig konterproduktiv, dass man Sergio Martino ein ernsthaftes Bestreben, einen Endzeitfilm mit einer Botschaft oder gar einer soliden Handlung zu inszenieren, absprechen kann und muss. Bis auf die obligatorische Kiesgrube zu Beginn des Films bemüht sich allerdings die Crew, mit einer Mischung, aus auch heute noch sehenswerten Miniaturen, soliden Sets und vor allem einer riesigen Halle, einen kleinen Eindruck von einer möglichen Zukunft zu zeigen. Dass es sehr unwahrscheinlich ist, direkt nach einem verheerenden Atomkrieg eine derartige Zivilisation – wenn auch als klassische Diktatur dargestellt – vorzufinden, steht auf einem gänzlich anderen Blatt. Bei den futuristischen Kleidern hat sich Martino im Vergleich zu seinen Kollegen deutlich zurückgenommen und sich bemüht, einen nicht zu leugnenden praktischen Gedanken in die Gestaltung einfließen zu lassen.
Das die italienischen Endzeitfilme in erster Linie unterhalten und nicht eine sozilogisch destruktive gegenwärtige Gesellschaft extrapolieren wollten, liegt auf der Hand. Sowohl in der englischen, als auch deutschen Übersetzung wirken die Dialoge und vor allem die teilweise endlos erscheinenden Monologe nicht heroisch, sondern pathetisch. Zum Teil – wie auch in den anderen Filmen – finden sich haarsträubende verbale Entgleisungen. Hier wäre es wirklich sinnvoller gewesen, dieser Zukunft eine eigene Sprache zu geben. Dagegen sind die zahlreichen Actionszenen sehr gekonnt und so weit möglich abwechselungsreich inszeniert worden. Die klassische Maxime der italienischen Kopierer nach mehr Blut ist erfolgreich umgesetzt worden. Insbesondere die ungekürzte Fassung von cmv-Laservision gibt einen Eindruck, was die VHS-Versionen verschwiegen haben. Zum Teil überdrehte Gewaltorgien mit unverkennbaren sadistischen Zügen. Wie in den späten Italo-Western geht es dem Drehbuchteam nicht mehr darum, eine bekannte Geschichte anders oder gar intelligent zu erzählen, sondern den potentiellen Zuschauer mit einer Übersättigung an Gewalt ins Kino zu locken. Das ist ihnen mit dieser Mischung aus gut choreographierten Zweikämpfen, Laserduellen, einem Schallwellen-Angriff als hervorragende und originelle neue Idee sehr gut gelungen. Sergio Martino bewegt im Gegensatz zu seinen sonst eher ruhig und beschaulichen inszenierten Filmen die Kamera sehr stark und sucht mit dieser subjektiven Perspektive die Augenhöhe mit dem Zuschauer. Dadurch verschleiert er auch sehr geschickt, wie wenig Geld ihm wirklich zur Verfügung gestanden hat. Und beim obligatorischen Autoduell geben die Stuntsmen wirklich alles. Diese Szenen gehören zu den besten dieser kurzzeitig sehr populären Doomsday-Welle Italiens. Wie allerdings in fast allen anderen Endzeitfilmen haben es die klassischen Helden – dass es diese nach der Italo-Westernwelle überhaupt nicht gibt, ist eigentlich ein sehr erstaunlicher Fakt – nicht leicht. Mit George Eastman steht ihm ein charismatischer Gegner ausgerechnet als Big Ape mit einem auffälligen Make Up und ausreichend Gold für ein kleines Fort Knox um den Hals gegenüber. Da insbesondere die Schurken im Gegensatz zu den Helden jegliche Moral von Beginn an über Bord werfen dürfen, hat er es sehr leicht, Flash in Person von Michael Sopkiw an die Wand zu spielen. Für diesen bedeutete „Fireflash“ eine der ersten und wenigen Hauptrollen und diese Unsicherheit merkt man ihm in wichtigen Szenen sehr stark an. Mit Anna Kanakis kommt dem aufmerksamen Zuschauer eine Frau aus Castellaris „Metropolis 2000“ sehr bekannt vor. Sie sieht ähnlich gut aus, allerdings sind ihre Dialoge deutlich pointierter. In diesem Fall sollte allerdings auf die deutsche Sprachversion zurückgegriffen werden, die Dialoge sind ein wenig stimmiger zu ihrem Charakter umgeschrieben worden. Insbesondere das Wiedererkennen von aus unzähligen B- und C Filmen bekannten Gesichtern macht „Fireflash“ zu einem doppelten Sehvergnügen. Sergio Martino ist routiniert genug, um den aus diversen anderen Filmen zusammengesetzten Stoff unterhaltsam und spannend mit einigen rasanten und auch heute noch überraschend beeindruckenden Szenen zu drehen.
Im Gegensatz zu einer Reihe anderer, heute nicht mehr ansehbarer Filme ist „Fireflash“ wie auch „Metropolis 2000“ ein würdiges Mitglied der CMV Laservision Trash Collection. Der Vertrieb bringt diese Postdoomsday Geschichte im Gegensatz zur bisherigen deutschen Video-Veröffentlichung ungekürzt . Dabei wurden die Szenen, für die es keine deutsche Synchronisation gibt, deutsch untertitelt. Die Bildqualität geht insbesondere für die wahrscheinlich wenig optimalen Vorlagen in Ordnung. Der Ton beider Sprachfassungen lässt sich noch hören, was diesen Endzeitfilmen im Grunde fehlt, ist eine klassische Endzeitwesternmelodie, eine getragene Balladenmusik. Die Extras mit einigen Trailern zu anderen Veröffentlichungen der Trashreihe und einigen Bildern fallen ein wenig unterdurchschnittlich aus.
DVD-Facts:
Bild: 1,85:1 (16:9, anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0 Mono, englisch Dolby Digital 2.0 Mono