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Gaiman, Neil: American Gods (Buch)
AMERICAN GODS, Neil Gaiman
Neil Gaiman
American Gods (American Gods)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Karsten Singelmann
Heyne, Hardcover, 624 Seiten, 24,00 EUR, ISBN 3-453-87422-6
Von Carsten Kuhr
Neil Gaiman ist Kult – so zumindest die inhaltliche Aussage des Heyne Verlages für seinen Autor. Mit einer beispiellosen Werbekampagne zur diesjährigen Buchmesse, unter Anderem hat man den Autor extra für eine Reise durch Deutschland eingeladen, und mit markanten Werbesprüchen sollte vorliegender Roman in die Bestsellerlisten gehievt werden.
Erschien sein Roman NIEMALSLAND noch bei Hoffmann & Campe (Taschenbuch dann bei Heyne) wurde EIN GUTES OMEN, das er zusammen mit Terry Pratchett verfasst hat, bereits bei Heyne verlegt. Bekannt geworden ist Gaiman insbesondere durch seine Comic-Serie DER SANDMANN.
Ist das Werk seine Vorschusslorbeeren auch wert, das fragte ich mich vor Beginn der über 600 klein gesetzten Seiten.
Nun, drei Tage und vier Nächte später muss ich dem Werk attestieren, dass die Public Relations Abteilung zur Abwechslung einmal wirklich nicht zu viel versprochen hat! Den Leser erwartet eine Achterbahnfahrt durch ein Amerika, das er oberflächlich betrachtet kennen mag, das aber doch ganz anders ist, als erwartet.
Beginnen wir am Anfang.
Shadow sitzt im Knast. Wegen Körperverletzung, er hat seine beiden Komplizen vermöbelt, weil diese ihm seinen Anteil an der Beute aus einem Überfall vorenthalten wollten. Nun hat er ein Jahr seiner drei Jahre abgesessen und soll wegen guter Führung vorzeitig entlassen werden. Zwei Tage vor dem Termin wird er zum Direktor gerufen – seine Frau ist, den Schwanz seines künftigen Arbeitgebers und besten Freundes im Mund (O-Zitat), tödlich verunglückt.
Auf dem Flug nach Hause begegnet Shadow im Flugzeug einem zunächst unsympathischen alten Mann. Mr. Wednesday, wie dieser sich nennt, sucht nach einem Fahrer und Bodyguard. Nur zu bald beginnt Shadow zu ahnen, dass er einen Fehler gemacht hat, als er den Job annahm. Mr. Wednesday offenbart sich als gealterte Inkarnation des Göttervaters Odin, der quer durch Amerika reist, um seine Mitgötter von der Notwendigkeit eines Krieges gegen die neuen Götter des Technologiezeitalters zu überzeugen. Die Götterschlacht, Armageddon steht an, doch zunächst gilt es die Truppen zu rekrutieren und zu motivieren.
Auf ihrem Weg begegnet Shadow den mangels Anbetung durch Gläubige im Elend dahinvegetierende Götter der alten Welt, wird gefangen gesetzt, von seiner untoten Frau aus den Klauen einer Geheimorganisation befreit und begegnet skurrilen Gestalten zuhauf. Nach über 600 Seiten schließt sich dann der Kreis, Shadow entscheidet über das Schicksal des Götterpantheons – und deckte einen riesigen Schwindel auf.
Neil Gaiman hat einen dicken Roman verfasst – ich erwähnte es bereits. Ein recht kleiner Satzspiegel, großes Format, es wartet eine Menge Text auf den Leser. Und doch war die Lektüre nie langatmig, ließ mich kaum einmal aus ihrem Bann. Einige wenige Einschübe, in denen Gaiman uns von der Ankunft der Götter in den Vereinigten Staaten berichtet schienen mir überflüssig, ansonsten bietet sich der Text rund und spannend an.
In eindrucksvollen Bildern, die einem nicht mehr loslassen portraitiert Gaiman treffend den „American way of Life“. Er, der gebürtige Engländer präsentiert uns ein Land, das keine Zeit für Götter hat, übt unterschwellig und doch pointiert Kritik an einer Kultur, die von einer kurzfristigen Unterhaltung zur nächsten zappt. Seine Personen, Götter wie Menschen sind allesamt Unikate, vielschichtig gezeichnet, liebevoll beschrieben, die man nicht mehr vergisst.
In dem Schmelztiegel Amerika vermischten sich nicht nur Menschen aus aller Welt, auch deren Götter kamen ins neue, verheißene Land. Doch in der kurzlebigen Zeit, die durch den Computer, Konsum und Mobilität bestimmt wird aber, werden die alten Götter nur zu schnell vergessen, versinken in der Bedeutungslosigkeit. Neue Götter, die Anbetung des Erfolges, des Geldes, sie bestimmen das Leben der Menschen, die alten Werte haben ausgedient.
In unzähligen Geschichten in der Geschichte präsentiert er uns schlaglichtartig Facetten einer Kultur die fast nur im hier und heute lebt, die ihre Herkunft leugnet, und an ihren eigenen Machtträumen scheitert – der Irakkrieg zeigt dies nur allzu deutlich.
Teils Road-Movie, teile Agententhriller, Detektivroman dann wieder ein wenig an Pratchetts Scheibenwelt-Romane oder Tom Holts Titel erinnernd legt Gaiman einen faszinierenden Plot vor, der, mit Ausnahme eines etwas abfallenden Finales, den Leser zu fesseln weiß.
hinzugefügt: July 28th 2004 Tester: Carsten Kuhr Punkte: Hits: 4082 Sprache: german
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