Innocent Bird 1
Hirotaka Kisaragi
Aus dem Japanischen von Christine Steinle
EMA, 2007, Taschenbuch, 194 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-3-7704-6776-1
Von Irene Salzmann
Der vorliegende Manga beinhaltet die ersten Episoden der Serie „Innocent Bird“ und die Kurzgeschichte „Die Menschen, die ich liebe“ von Hirotaka Kisaragi, von der bisher in Deutschland noch keine Mangas publiziert wurden. Weitere Titel von ihr sind „Gate“, das mittlerweile in englischer Sprache erhältlich ist (ADV), und „Spectre“.
„Innocent Bird“:
Der Engel Karasu wird auf die Erde geschickt, um Wesen, die nicht in die Menschenwelt gehören, aufzufordern, in ihre eigene Sphäre zurückzukehren. Sein Auftrag führt ihn zu dem attraktiven Pfarrer Shirasagi, einem Dämon, der hofft, von Gott gerettet zu werden, wenn er Gutes tut und seine Kräfte nicht mehr benutzt.
Die Bewohner der Hölle möchten den Abtrünnigen unbedingt zurück haben, denn er ist das liebste Spielzeug von Fürst Beelzebub, der den Dämon Zagan entsendet, um Shirasagi notfalls mit Gewalt nach Hause zu bringen. Unerwartet hilft Karasu Shirasagi und handelt sich dadurch nicht nur eine Menge Ärger mit seinen Vorgesetzten ein, sondern er gerät auch ins Visier der Dämonen. Damit sie ihn nicht noch mehr quälen, folgt Shirasagi ihnen freiwillig in die Hölle.
Trotz der Gefahren, die dort auf einen Engel warten, beschließt Karasu, den Freund zu befreien - und beide müssen einen hohen Preis zahlen…
„Die Menschen, die ich liebe“:
Die Geschwister Shuji und Sota leben allein, seit der Vater gestorben ist und die Mutter die Familie verlassen hat. Eines Tages taucht ein Junge auf, der sich Kyoto nennt und behauptet, ihr Bruder zu sein. Während Sota sofort Freundschaft mit Kyoto schließt und sich freut, dass sich der neue Mitbewohner wie die Mutter, die ihnen so sehr fehlt, um alles kümmert, kann Shuji nicht vergessen, was ihnen angetan wurde – und nun nistet sich auch noch der Sohn des Mannes bei ihnen ein, der den Kindern die Mutter gestohlen hat. Kyoto erzählt, dass die Eltern nicht mehr leben und er keinen anderen Platz hat, an den er gehen könnte. Schließlich hält der unversöhnliche Shuji die Situation nicht länger aus und wirft Kyoto hinaus…
„Innocent Bird“ ist eine Fantasy-Serie, die das in Japan sehr beliebte Engel-und-Dämon-Thema aufgreift. Bei den Protagonisten handelt es sich um Biseinen, d. h., um junge Männer die sich – anders als die Bishonen – regelmäßig rasieren und sich mitunter einen Bart stehen lassen. In den ersten Folgen dominiert Action über Romantik, doch wird schnell deutlich, dass sich der ungewöhnliche Dämon und der eigenwillige Engel vom ersten Moment an sympathisch finden. Noch sind sie ‚nur’ platonische Freunde und bereit, sich für den jeweils anderen zu opfern, doch sie tasten sich langsam aneinander heran. Allerdings beansprucht der Fürst der Hölle Shirasagi für sich, so dass auf diesen und Karasu harte Zeiten zukommen. Weder dem Himmel noch der Hölle gefällt die Beziehung der beiden.
Die Mangaka verzichtet in dieser frühen Phase der Handlung darauf, ihre Hauptfiguren zu einem Paar zu machen und Szenen einzubinden, die über Umarmungen und Händchenhalten (hurt & comfort) hinausgehen. Das erhöht den Reiz für die Leserinnen, die gespannt darauf warten, wann die zwei sich ihre Gefühle füreinander eingestehen. Die zwischenmenschlichen, zärtlichen Szenen garnieren die eigentliche Geschichte, in der Shirasagi der Hölle entfliehen und Karasu seinen Freund vor den höheren Mächten beschützen will.
In „Die Menschen, die ich liebe“ sind die Boys Love-Elemente sehr vage, doch wer sie sehen will, bemerkt, dass es zwischen Shuji und Kyoto knistert. Allerdings wird hier die Liebe in den Vordergrund gestellt, die Eltern für ihre Kinder und Geschwister für einander empfinden, sowie die Eifersucht und das Gefühl der Einsamkeit, wenn einer der wichtigsten Menschen die Familie verlässt. Wie sich herausstellt, handelt Kyoto zunächst doch nicht ganz aus Selbstlosigkeit und Bruderliebe, doch er erkennt schließlich die wahren Werte genauso wie Shuji und Sota. Zuvor jedoch muss erst etwas passieren, das die Brüder beinahe völlig auseinander reißt.
Es ist eine stille Geschichte mit sehr menschlich wirkenden, leicht zu verletzenden Charakteren. Je weiter die Story voranschreitet, umso besser versteht man die Beweggründe der sympathischen Protagonisten. Man leidet mit ihnen und freut sich schließlich über das gelungene Happy End.
Hirotaka Kisaragi hat einen schönen, klaren Stil, der ihre Protagonisten sehr attraktiv aussehen lässt. Die Zeichnungen sind stellenweise sehr detailreich und aufwändig. Explizite Szenen findet man keine, so dass der Band Leserinnen ab 13 Jahren, die das Genre Boys Love bereits für sich entdeckt haben, empfohlen werden kann.
Wer Reihen wie „Yami no Matsuei“, „Seimaden“ und „Saiyuki“ (alle Carlsen bzw. US-Tokyopop) schätzt, wird auch an der Lektüre von „Innocent Bird“ viel Spaß haben.