Banya – Ein höllisch guter Kurier 1
Young-Oh Kim
(Hell’s Angel Delivery Man, Banya 1, 2004)
Aus dem Koreanischem von Suchin Hong & Benjamin Neuss
Tokyopop, 2007, Taschenbuch, 178 Seiten, 7,50 EUR, ISBN 978-3-86719-046-6
Von Irene Salzmann
Eine ganze Weile spielten klassische Fantasy-Themen keine nennenswerte Rolle im Programm jener Verlage, die Mangas und Manhwas in Deutschland publizieren. Erst seit diesem Jahr findet man überraschend wieder eine größere Auswahl an Titeln („Dan-Gu“, „Shin Angyo Onshi“, „Chonchu“ usw.), die beliebte Genre-Motive mit fernöstlicher Exotik mischen. In diesen Serien lösen archaische Recken, die gegen bösartige Monster und Magier kämpfen, die Schüler und Schülerinnen der Gegenwart ab, die von einer höheren Macht in fremde Welten und Zeitalter entführt wurden, um dort als Retter einzugreifen, wobei sie mehr Angst vor der nächsten Klassenarbeit als vor dem Gegner haben („Inu Yasha“, „Anatolia Story“, „Meripuri“ etc.).
Wer nun erwartet, ‚waschechte’ Fantasy im Stil des „Herrn der Ringe“, der „Prinzen von Amber“ oder von „Elric von Melniboné“ zu finden, wird jedoch in den meisten Fällen enttäuscht. Die Mangas und Manhwas wenden sich an eine Klientel, die selten über einen entsprechenden literarischen Hintergrund verfügt. In Deutschland sind dies überwiegend die Leser unter 18, die Fantasy praktisch nur aus Kino, TV und von diversen Games her kennen.
Auf deren Bedürfnisse sind die Comics aus Japan und Korea, seltener aus China zugeschnitten. Sie offerieren zu Identifikationszwecken meist jugendliche Helden, die mit jeder Episode gefährlichere Abenteuer bestehen müssen, dabei Hilfe von neuen Freunden oder Waffen erhalten. Kruder Humor dominiert über zwischenmenschliche Beziehungen und Romantik. Frauen, sofern in der harten Männerwelt vorhanden, nehmen oft wieder die alte Klischeerolle des leicht bekleideten Sidekicks ein, der regelmäßig gerettet werden muss.
Das ist natürlich nicht jedermanns Fall, und wenn fast ausschließlich Reihen dieser Machart zeitgleich auf den Markt geworfen werden, dürften selbst die eingefleischten Genre-Fans des Angebots genauso schnell überdrüssig werden wie zuvor schon bei der eintönigen Endzeit-SF und der immer dümmlicher aufgezogenen romantischen School-Comedy.
Es ist schade, dass ein ‚Mode-Genre’ oder ‚-Thema’ stets überreizt wird, weil zu viel davon in Umlauf gelangt und dies zu Lasten des Abwechslungsreichtums geht. Ein ausgewogenes Programm, das für jeden Geschmack etwas bietet, und nicht zu viele neue Titel auf einmal kämen dem kleinen deutschen Markt und den Kaufgewohnheiten der Leser entgegen. In dem Fall wäre es vielleicht auch möglich, die aktuellen Reihen in kürzeren Abständen bis zum letzten Band erscheinen zu lassen, statt die in Japan bzw. Korea bereits abgeschlossene Serien durch einen Drei-Monats-Rhythmus in die Länge zu ziehen, bis die Leser diesem Alter entwachsen sind oder sich ihre Interessen geändert haben, so dass in Folge die Verkaufszahlen sinken. Jeder Sammler fühlt sich verprellt, wenn Titel eingestellt werden („Banana Fish“, „City Hunter“, „Prinzessin Kaguya“ u. v. m.) und die fehlenden Bände auch nicht im englischsprachigen Ausland aufzutreiben sind.
Wie viele der neuen Fantasy-Mangas und –Manhwas werden wohl genügend Leser finden und komplett erscheinen?
„Banya“ zählt zu den Manhwas dieser neuen Fantasy-Welle. Der Titelheld ist ein Kurier, der für das entsprechende Entgelt auf schnellstem Wege Botschaften übermittelt, ungeachtet der Gefahren, die unterwegs auf ihn lauern. Wie tapfer und findig er ist, beweist er gleich eingangs, als er sich durch die Reihen der Belagerer mogelt, um seinen Auftrag auszuführen. Allerdings lässt er skrupellos durchblicken, dass seine Dienste stets ihren Preis haben, anderenfalls kann er das Hilfe-Ersuchen der Soldaten, die die Burg beschützen, nicht weiterleiten.
Doch selbst wenn Banya kein Altruist sein will, so ist er ein netter Kerl und gerät durch seine Hilfsbereitschaft immer wieder in Schwierigkeiten. Dies zeigt sich in einer Rückblende, in der er als kleiner Junge einem Mädchen begegnet, das sein weiteres Leben nachhaltig beeinflusst, und in einem weiteren Kapitel, in dem sich ein Verletzter in die Poststation flüchtet.
Der Band endet mit einem Cliffhanger, denn während Banya mit der Nachricht des Gejagten unterwegs ist und ein Abenteuer nach dem anderen erlebt, fallen seine Freunde in die Hände der Verfolger. Kong kann entkommen, aber Mei, die die Männer auf eine falsche Fährte zu locken versucht, befindet sich in akuter Lebensgefahr, denn ist sie nicht mehr von Nutzen, soll sie sterben…
Die Story ist nicht außergewöhnlich, und auch die Charaktere entsprechen den bekannten Typen: der etwas undurchschaubare, schnoddrige Held, sein ihn bewunderndes Helferlein und die hübsche Amazone, die ihres Retters harrt. Ernste Situationen werden immer wieder durch Klamauk aufgelockert, wenn nicht gar veralbert.
Das Beste sind die realistisch-idealistischen Zeichnungen, die detailreich und dynamisch die Handlung in Szene setzen. Das allein ist jedoch etwas wenig, um die Leser zu binden, zumal es momentan viele ähnliche Titel gibt, deren Storys vielleicht ein bisschen abwechslungsreicher und gefälliger scheinen – je nach Geschmack.
„Banya“ wendet sich in erster Linie an Jungen ab 14 Jahren, die ansprechend gezeichnete, actionreiche Fantasy mit einer dicken Portion Humor mögen, das Genre mit bestimmten Archetypen und Motiven verbinden, die ihnen hier geboten werden, und experimentelleren Themen weniger zugetan sind.