Silver Surfer: Offenbarungen
(Communion Pt. 1 - 6, Revelation Pt. 1 - 7, Revelation conclusion)
Autoren: Dan Chariton & Stacy Weiss
Zeichnungen: Milx & Lan Medina & David Yardin
Tusche: Milx & Avalon
Farben: Milx & Avalon’s Edgar Tadeo
Übersetzung: Uwe Anton
Lettering: Oliviero Fidri
Panini, Paperback, 316 Seiten, 26,00 EUR, ISBN 978-3-86607-392-0
Von Frank Drehmel
Als nach 146 Ausgaben und gut zehn Jahren Laufzeit 1998 die zweite „Silver Surfer”-Serie - den Lee/Byrne-Oneshot von 1982 (in offizieller Diktion: „SilverSurfer Vol. 2“) als „Serie“ zu bezeichnen, ist deutlich zuviel des Guten - mangels finanziellen Erfolges eingestellt wurde, lag es auf der Hand, dass der nächste Versuch, dem wohl mächtigsten und tragischsten Helden des Marvel-Universums ein Comeback in einer eigenen Reihe zu bescheren, nicht lange auf sich warten lassen würde.
Dennoch verschwand der ehemalige Herold Galactus’ gut fünf Jahre lang in der Versenkung -abgesehen von einem drögen Zweiteiler („Loftier than Mortals“) -, so dass erst 2003 jene vierzehnbändige dritte Serie das Licht der Welt erblickte, die nun komplett in deutscher Übersetzung vorliegt.
Dass Panini gerade zum jetzigen Zeitpunkt die Veröffentlichung des 316-seitigen Mammut-TPB betreibt, erklärt sich aus dem bevorstehenden Start des zweiten „Fantastic Four“-Films, der unter dem viel versprechenden Titel „Fantastic Four - Rise of the Silver Surfer” in die Lichtspielhäuser kommt.
Denise A. Waters, Afroamerikanerin und selbsternannte wahrsagende Voodoo-Priesterin, hält sich und ihre autistische Tochter, Ellie, mit kleineren Betrügereien über Wasser. Eines Tages wird das Mädchen von einer gleißenden hellen Gestalt vor den Augen der Mutter aus ihrer Wohnung entführt. Für Denise beginnt damit eine emotionale Odyssee auf der Suche nach ihrem über alles geliebten kleinen Mädchen.
Auf sich allein gestellt recherchiert sie und erfährt dadurch von weiteren entführten Kindern, darunter der Sohn des Milliardärs Stewart Acheron, Gabriel. Doch auch die Kontaktaufnahme und das Gespräch mit dem Tycoon bringen zunächst kein Ergebnis. Dafür hat Denise immer wieder Visionen ihrer Tochter, in denen auch Gabriel eine Rolle zu spielen scheint.
Während auf der Erde die Eltern ratlos im Trüben fischen, enthüllt der Entführer, der Silver Surfer, den Kindern auf einem Raumschiff ihr Schicksal. Sie alle hätten besonderen Gaben und da der Untergang der irdischen Zivilisation bevorstehe, seien sie auserwählt worden, gleichsam als Saat einer neuen Menschheit zu dienen. Um ihre Aufgabe zu erfüllen, sollen sie Unterweisung durch außerirdische Lehrer auf dem paradiesischen Planeten Sof erhalten.
Gabriel akzeptiert diese Erklärung und erregt auf Grund seiner überragenden Fähigkeit zur Macht schnell die besondere Aufmerksamkeit des Surfers. Ellie jedoch, deren Gabe die Liebe sein soll, fügt sich nicht in ihr Schicksal, sondern überzeugt den Silbernen, sie zurück zu ihrer Mutter zu bringen, damit sie beim Untergang der Zivilisation gemeinsam sterben oder gerettet werden. Sich gegen seine Auftraggeber, eine ominöse kosmische Trinität - genannt der Rat -, stellend bringt der Silver Surfer das Kind daraufhin zurück zu Denise.
Dann jedoch stellt sich heraus, dass nicht nur die Menschheit ausgelöscht werden wird, sondern der Planet als Ganzes dem Untergang geweiht ist. Nun erst lehnt sich auch Gabriel gegen seine Bestimmung auf.
Während Denise und Ellie auf der Erde von Militärs und Truppen Acherons, der hofft, mehr über das Schicksal seines Sohnes zu erfahren, gejagt werden, übernimmt Gabriel die Macht auf dem Schiff mit dem Ziel, der Menschheit beizustehen. Nun sagt sich auch der Silver Surfer endgültig vom Rat los, da es schon immer seine Aufgabe gewesen sei, die Erde zu schützen.
Und dann beginnt das Armageddon, das nur eine einzige Person verhindern kann.
Zunächst zum Artwork: Ein feiner Strich dominiert die um sehr hohen Realismus bemühten, detailreichen Zeichnungen. Die Seitenaufteilung folgt überwiegend einem klassischen Panel-Aufbau, wobei einige großformatige Grafiken und/oder eine freiere Gestaltung das Erscheinungsbild auflockern. Herausragend ist die Kolorierung, die die jeweilige Atmosphäre der unterschiedlichen Umgebungen - der Slums, der Kriegsschauplätze, der fremdartigen Planeten - grandios einfängt und die in der Simulation der silbrigen Haut des Helden mit ihren Reflexionen und Spiegelungen ihren Höhepunkt findet. Einziger – kleiner - Kritikpunkt mag das Fehlen jener unverwechselbaren künstlerischen Handschrift, die das Comic aus dem glatten Mainstream herausragen lässt.
So ansprechend die grafische Gestaltung, so enttäuschend die Story (zumindest für Silver Surfer-Fans): zum einen, weil - allein rein quantitativ - Ellie und ihre Mutter Denise die Hauptprotagonisten sind, der größere Teil der Erzählung sich um ihre Erlebnisse (auf der Erde) dreht. Der Silver Surfer tritt lediglich immer dann in Erscheinung, wenn es gewichtige Urteile zu fällen gilt und in gesalbten Worten über Sinn und Unsinn des Lebens, des Universums und des ganzen Restes schwadroniert werden soll.
Und damit sind wir schon beim zweiten Kritikpunkt: mit oberlehrerhaftem Unterton versuchen die Autoren eine verquast esoterische Gutmenschenstory zu erzählen, faseln von Gut und Böse, Liebe und Macht, dem Willen des Universums, hängen abstrusen präastronautischen Theorien nach und hauen dem Leser mystisch klingende Plattitüden um die Ohren, dass selbige nur so schlackern. Chariton und Weiss sprengen hierbei weder die Grenzen des Banalen, Trivialen und Allgemeinen, noch streuen sie Salz in offene Wunden oder üben konkrete Kritik am offenkundigen Missständen. Allenfalls in wenigen Denise/Ellie-Episoden lassen sich insbesondere in den Zeichnungen gesellschafts- und sozialkritische Elemente entdecken, die allerdings zu sehr auf US-amerikanische Lebensumstände bezogen sind, als dass sie einem Weltbürger wirklich nahe gehen.
Der Story fehlt jene erzählerische Leichtigkeit, die gerade den alten Lee/Buscema-Ansatz auszeichnete, die aber auch noch in den meisten Heften der 87’er-Serie spürbar war. Bemerkenswerterweise gelang es den Autoren damals, eine elegische Grundstimmung voller Pathos zu kreieren, dem Hauptprotagonisten eine tragische Tiefe zu verleihen, ohne ihn permanent jammern und metaphysikeln zu lassen.
„Silver Surfer Vol. 4“ hingegen wirkt angestrengt und aufgesetzt, mit einem Helden, reduziert auf einen quengelnden Schiffs-Commander sowie ko(s)mischen Entitäten, die zuviel New-Age- und Indigo-Kinder-Stoff konsumiert haben und nun ihre Weisheiten irgendwo ablassen müssen.
Interessanterweise entspricht die Rollenverteilung in den Comics so gar nicht einem zeitgemäßen, emanzipierten Rollenverständnis, sondern kommt antiquiert und unoriginell daher: wenn das Mädchen, Ellie, die Liebe verkörpert, während der Junge, Gabe, das Konzept der Macht repräsentiert, man den Aliens ihre Gesinnung an den Knopfaugen ablesen kann, dann entlarvt das den kleinkarierten, piefigen und spießigen Grundtenor der Geschichte, die Barrieren im Hirn der Autoren, welche letztendlich auch dafür ursächlich sind, dass aus einem einstmals kosmischen „Herold” ein technokratischer Kleingeist wird, der allenfalls Kindern zur Unterhaltung gereicht.
Fazit: Eine vordergründige, esoterisch verquaste Gutmenschenstory und ein Held mit dem Nimbus eines Silberfischens. Für die Kenner des „alten” Silver Surfers” eine Enttäuschung.