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Der Kuss der Tarantel (DVD)

Der Kuss der Tarantel
USA 1976, Regie: Chis Munger, mit Suzanna Ling, Eric Mason, Herman Waller u.a.

Von Thomas Harbach

„Der Kuss der Tarantel“ könnte auf den ersten Blick als Kombination aus „Carrie“ – in erster Linie der Brian De Palma-Verfilmung und „Willard“ durchgehen. Beide Filme sind in den Jahren vor dieser 1976er Produktion erfolgreich in den Kinos gelaufen. „Der Kuss der Tarantel“ stellt auch den letzten Film des Regisseurs Chris Munger dar. Nach seiner Dokumentation „The Year of the Communes“ (1970) drehte er den als Blaxploitation Film fälschlicherweise vermarkten „Black Starlet“ (1974) und schließlich zwei Jahre später „Der Kuss der Tarantel“. Für die nicht untalentierte Hauptdarstellerin Suzanna Ling ist dieser Ausflug in das Exploitationgenre der einzige geblieben. Sie hat weder in einem weiteren Kinofilm noch an Fernsehproduktionen mitgewirkt. Dieses Schicksal teilt sie übrigens mit ihren Filmeltern, die ebenfalls nur für dieses Werk vor der Kamera standen. Nicht zuletzt haben die Produzenten von „Der Kuss der Tarantel“ versucht, den über weite Strecken sehr ruhigen Film mit einem reißerischen Titel aufzuhellen. In dem ganzen Film gibt es keine Taranteln, sondern nur giftige Vogelspinnen. Aber der Kuss der Vogelspinne hätte wahrscheinlich auf dem Plakat nicht aufreizend genug gewirkt, also ist „Tarantula“ als englischer Gattungsname der amerikanischen Vogelspinnen eine sehr frei übersetzt worden. Diese Interpretation teilt sich das unterhaltsame B-Movie auch mit Jack Arnolds „Tarantula“.


Im Mittelpunkt des Films steht die heranwachsende Susan. Schon als kleines Mädchen ist Susan von Spinnen fasziniert. Insbesondere ihre Mutter ist von diesem bizarren Hobby nicht sonderlich begeistert. Da ihr Vater ein Leichenbeschauer ist und ihre Mutter in den wenigen einführenden Szenen einen eher hysterischen Eindruck macht, sind die kleinen Spinnen ihr Familienersatz. Wie die Außenseiterin Carrie, deren telekinetische Fähigkeiten sich auch erst gegen Ende des Films in einer Eruption der Gewalt zeigten, ist sie ohne Freunde und in der ländlichen Gegend sozial isoliert. Die Mutter überlegt, die Tochter in ein Internat zu schicken. Die Familienidylle zerbricht, als Susan herausfindet, dass ihre Mutter ein Verhältnis mit ihrem Onkel Walter hat. Sie will aber nicht nur die Tochter loswerden, sondern schmiedet mit ihrem Freund einen perfiden Mordplan.

Chris Munger unterzieht sich nicht der Mühe, den Charakteren Tiefe zu geben. Er polarisiert nicht, sondern in kräftigen Klischees sind die Rollen von gut und böse verteilt. Susan tötet aufgrund der Gefährdung ihres Vaters und damit auch ihres Heimes die Mutter mit einer Spinne.

Einige Jahre später ist Susan inzwischen eine attraktive junge Frau geworden, deren Verhältnis zu ihren Spinnen immer inniger geworden ist. Als eines Tages drei Halbstarke in die Leichenhalle ihres Vaters. Kurze Zeit später wirft ihr Onkel Walter ein Auge auf sie, die einzige Möglichkeit, sich vor seinen Zudringlichkeiten zu schützen, ist wiederum eine Spinne. Spätestens vor dieser Tat fragt sich allerdings der Zuschauer, warum weder der Vater noch die Ordnungskräfte eingegriffen und die tödlichen Spinnen verscheucht haben.

Das Drehbuch versucht es mit einer Verschwörung der überlebenden Opfer, die Susan persönlich zur Rede stellen wollen – immer der Ausweg, wenn weitere Charaktere mangels Mitteln einzeln umgebracht werden müssen. Dieser Weg ist aber nicht sonderlich überzeugend und nimmt viele Tendenzen des Slasher-Kinos der achtziger Jahre vorweg. Nur brauchen in diesem Fall die potentiellen Opfer nicht mehr in den Wald gehen, sondern nur noch Susan besuchen.

Der Film lebt von der trotz ihrer Skrupellosigkeit sympathisch charakterisierten Hauptdarstellerin Suzanne Ling. Ihr gelingt es, auf der einen Seite hilflos und schutzbedürftig zu erscheinen, auf der anderen Seite inzwischen verschlagen und intelligent ihre Pläne durchzusetzen. Doch diese Pläne entstammen keiner Eigeninitiative. Von Beginn des Films an reagiert sie immer auf die sehr unterschiedlichen Bedrohungen. Das Spektrum reicht von den Mordplänen an ihrem Vater über die eindringenden Jugendlichen bis zu den Zudringlichkeiten ihres Onkels. In keiner dieser Situationen agiert sie aus eigenem Antrieb, die Passivität wirkt auf die Dauer des Films fast einschläfernd. Selbst als sie mit ausdruckslosem Gesicht ihren Opfern die Spinnen zuführt, ändert sich ihre Haltung nicht. Suzanna Ling gelingt es überzeugend, eine junge Frau darzustellen, die dieser Welt entrückt ist. Eic Mason als ihr schmieriger Onkel Walter hatte seinen größten Auftritt als Captain Hernandez in einem Film namens „Banzai Runners“. Davor hat er in verschiedenen Fernsehserien wie „Mission Impossible“ oder „3 Engel für Charlie“ mitgespielt. Obwohl er sowohl am Anfang – die eher verschämte als wirklich erotische Liebelei mit Susans Mutter - als auch Ende des Films – hier wehrt sich Susan das einzige Mal handgreiflich und nicht spinnentechnisch gegen einen Antagonisten – seine Szenen hat, überzeugt er schauspielerisch nicht. Der Zuschauer hat das Gefühl, als wäre die Rolle für ihn nur ein unbezahlter Gefallen für einen Freund. Dagegen versuchen die anderen Amateurschauspieler ihre Rollen zumindest ernst zu nehmen, auch wenn sie selten im Gegensatz zur Hauptdarstellerin über die Bewertung unauffällig durchschnittlich hinweg kommen.

Handlungstechnisch arbeitet „Der Kuss der Tarantel“ eine Reihe von genretypischen Klischees ab. Viele Szenen sind sehr lang gezogen, zu statisch ruhig inszeniert. Dazu kommen die eher im Dunklen agierenden haarigen Hauptdarsteller. Die Kontinuität in Bezug auf Aktion und Reaktion ist teilweise so phlegmatisch, dass sich der Zuschauer fragt, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, den Film deutlich zu kürzen. Dabei werden sehr viele interessante Aspekte verschenkt. Wenn am Ende Susan vor ihrem Vater das brave Mädchen spielt, nachdem sie ihren Onkel nach dessen unsittlichem Angebot die Treppe hinuntergestürzt und ihn gelähmt, aber bei vollen Bewusstsein in einen Sarg gelegt hat, wirkt diese Szene subversiv und boshaft. Nur viel zu langatmig und zum Teil zu detailliert inszeniert. Insbesondere über die Dialogschiene versucht der Film viel zu viel zu erläutern, ein Anfängerfehler, den auch viele Schriftsteller machen. Viele Szenen sollten sich – insbesondere bei so unbeliebten Tieren wie Spinnen – in der Phantasie der Zuschauer entwickeln und nicht bis zum letzten Detail mit einer unüberzeugenden Kameraarbeit auf die Leinwand gebannt werden. Dazu kommen die insbesondere im Original eher platten Dialoge, die mit wenig Überzeugung oder gar Emotionen vorgetragen werden.

Mit diesen Schwächen reiht sich allerdings „Der Kuss der Tarantel“ in eine Reihe von Tierhorrorfilmen ein. Der Kreislauf ist erst Jahre später durch den sehenswerten „Arachnophobia“ durchbrochen worden, der zusätzlich zum Schrecken eine erträgliche Portion nicht kindischen Humors in seine Handlung integrierte. Der Humor fehlt diesem Film genauso wie der Versuch, eine Beziehungsebene zwischen den einzelnen Figuren herzustellen. Auch wenn hier das Alltagsleben einer sehr seltsamen Familie gezeigt wird, fehlen die gewöhnlichen Szenen. Der Film konzentriert sich aufgrund seiner Länge oder Kürze von einundachtzig Minuten auf die gruseligen Momente, die entsprechend vorbereitet, durchgeführt und schließlich dank der Spinnen abgeschlossen werden. Nur selten wird die Oberfläche des Horrorfilms durch subversive Elemente – das Lebendig begraben werden am Ende des Streifens zeigt in die richtige Richtung, kommt allerdings viel zu spät – unterbrochen und der Streifen wird gruselig unterhaltsam.

Dabei hätte „Der Kuss der Tarantel“ nicht zuletzt aufgrund der überzeugenden Hauptdarstellerin zu einem soliden, unterhaltsam gruseligen Film mit interessanten, grotesken Figuren werden können. Die von dem immer noch reichlich unerfahrenen Regisseur Chris Munger mit einem wahrscheinlich kaum vorhandenen Budget inszenierte Handlung schwankt zwischen pervers spannend – das Ende – bis zu lächerlich lachhaft. Insbesondere die jugendlichen Rabauken wirken in der ländlichen Idylle fehl am Platze und hätten wahrscheinlich besser durch aggressive Tramps ersetzt werden sollen und können. Die Freigabe ab 18 Jahre lässt sich nicht durch sonderliche Gewaltdarstellung erklären, sondern könnte auf der Amoralität der Hauptperson basieren. Aber wenn der Zuschauer gewillt ist, unter die Oberfläche zu schauen, wird er erkennen, dass trotz ihrer Tendenz zum Mord Susan im Grunde der unschuldigste Charakter des Films ist und alle anderen Protagonisten ihre Bestrafung in Form von Spinnenbissen förmlich einfordern.
Das Cover der DVD ist auf jeden Fall für den Film zu reißerisch, aber sonst wäre wahrscheinlich auch niemand ins Kino gegangen.

Die einzigen Extras sind eine kleine Bildergalerie und der Originalkinotrailer. Für einen dreißig Jahre alten B-Film, der aber insbesondere in den Vereinigten Staaten immer wieder auch unter dem Titel „Shudder“ neu und mit anderen B-Pictures verpackt aufgelegt worden ist, ist das Bild aber noch einer Trashperle entsprechend erträglich. Bei den viel zu dunkel gefilmten Nachtszenen kann der Zuschauer am besten die Verschmutzungen erkennen. Das Bildformat mit 1,78: 1 ist angemessen, der Ton insbesondere im Original ein wenig zu dumpf und „leblos“. Hier ist die deutsche Tonspur zu bevorzugen. Während die Farben an einigen Stellen insbesondere bei den Außenaufnahmen zu stark erscheinen und damit dem Film den realistischen Grundton nehmen, ist die Schärfe des Bildes gut. Ob diese ein wenig zu künstlich erscheinenden Farben am Material liegen – die Wahrscheinlichkeit ist hoch – oder der Vorlage, lässt sich nicht feststellen.

DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph, 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0 Stereo, englisch Dolby Digital 2.0 Stereo

DVD-Extras:
Bildergalerie, Trailer

hinzugefügt: August 5th 2007
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
Hits: 3237
Sprache: german

  

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