Stormriders
Hongkong 1998, Regie: Andrew Lau Wai-Keung, mit Aaron Kwok, Ekin Cheng, Sonny Chiba u.a.
Von Thomas Harbach
Mit „Stormriders“ – der internationalen Langfassung und mehrmals als so genannter „Director’s Cut“ klassifiziert – legt Splendid Entertainment inzwischen zum wiederholten Male - diesmal als Limited Gold-Edition - den Überraschungserfolg des Hongkong Kinosommers 1998 wieder auf. Die Kronkolonie war ein Jahr zuvor an China zurückgefallen, viele Schauspieler und Regisseure nach Übersee, insbesondere nach Kanada und natürlich die USA, ausgewandert. Das so hoch gerühmte und sich zum Teil allerdings selbst überholte Hongkong-Kino mit seinen Fantasy-Streifen wie „A Chinese Ghost Story“ oder Tsui Harks Epen sowie John Woos oder Ringo Lams Gangsteroden lag in Trümmern. Da adaptierte der Schauspieler und Regisseur Andrew Lau auf den populären Comics von Ma Wing Shing basierend ein tragisches Epos um Liebe, Pflichterfüllung und schließlich Freiheit. Bislang hielten die amerikanischen Produktionen „The Lost World“ und natürlich „Titanic“ die Startrekorde, Laus Epos nahm am ersten Wochenende mit über 2 Millionen Dollar schnell die Poleposition ein. Mit einem Budget von knapp 10 Millionen US-Dollar, aber vor allem mit einer für asiatische Verhältnisse glänzenden Besetzung und der Martial Arts-Thematik, sehnte sich das Publikum in Hongkong zurück in die Zeit der britischen Kronkolonie, als diese Art von Filmen neben den für Westeuropäer unsäglichen Komödien und den tragischen Gangersterfilmen das Kino beherrschten.
Was neben der herausragenden Optik – im Nachspann werden einige Szenen vor der Blue Screen Wand und danach fertig im Film gezeigt – allerdings auch diese Art von Unterhaltungskino auszeichnet, sind unverständliche Plots. Der Handlungsbogen zieht sich insgesamt über zehn Jahre hin. Dem Tyrannen Lord Conquer (Nomen est Omen) – dargestellt von dem japanischen Kinoveteranen Sonny Chiba – wird mitgeteilt, dass es in den nächsten Jahren zu keinem Duell zwischen seinen Armeen und ihm auf der einen Seite und dem legendären „Unchallegend Sword“ auf der anderen Seite kommen wird. In der ersten Hälfte seines Lebens wird er weiterhin unbesiegbar sein, die zweite Hälfte seines Lebens lässt sich nicht prophezeien. Die Lösung liegt in einer kleinen Box, die mit magischen Sprüchen verschlossen ist. Conquer nimmt die beiden Söhne – Wolke und Wind – zweier getöteter Feinde bei sich auf. Als die zehn Jahre verstrichen sind und die Box sich immer noch nicht öffnen lässt, schickt er die beiden Söhne aus, „Unchallegend Sword“ zu stellen und im Kampf zu besiegen. Auf der Jagd nach der Box erkennen sie schließlich ihre wahren Bestimmungen. Wenn sich Wolke und Wind vereinigen, kann Lord Conquer besiegt werden. Aus diesem Grund versucht er, die beiden sehr unterschiedlichen jungen Männer gegeneinander auszuspielen. Er verheiratet den einen mit der jungen Dame, welche der andere vom Grunde seines Herzens liebt. Diesen Keil zwischen die beiden zu treiben ist natürlich nur von kurzer Dauer und schließlich kommt es zum finalen Showdown zwischen Lord Conquer auf der einen Seite und den beiden jungen Männern auf der anderen Seite. Wenn sich Wind und Wolke vereinigen, kann nur Sturm geerntet werden.
In Hongkong gehörte die zugrunde liegende Comicserie neun Jahre zu einer der erfolgreichsten der Kronkolonie. In dieser Zeit hat sich sehr viel sehr unterschiedlicher Stoff angesammelt, der sich für eine entsprechende Adaption eignen würde. Drehbuchautor Manfred Wong hat sich bemüht, den Stoff der ersten drei Jahre zusammenzufassen, die Hintergründe der einzelnen Charaktere aufzuhellen und sowohl den Anhängern der Comics eine entsprechende Adaption zu präsentieren, als auch einem Publikum einen spannenden Abend zu schenken, der von dem zugrunde liegenden Material keine Ahnung hat. Beiden Parteien gerecht zu werden, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Im Grunde erschlägt Wong seine Zuschauer mit viel zu vielen Ideen, zu vielen Handlungsansätzen, die nicht gänzlich ausgespielt werden können. Im Vergleich zur nicht zu ertragbaren ersten Fassung mit knappen neunzig Minuten Laufzeit gehört der hier präsentierte längere internationale Cut in die Kategorie der Filme, die fragmentarisch immer wieder interessante Szenen präsentieren, deren übergeordnete Struktur allerdings deutliche Schwächen aufweist. Dabei ist die zugrunde liegende Handlung einfach und vorhersehbar. Der Schurke hält sich sklavisch an die vielseitig interpretierbare Prophezeiung. Für den Zuschauer ist schon schnell erkennbar, dass sein Fall nur aus den eigenen Reihen kommen kann. Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten: die beiden Söhne kämpfen erst gegeneinander und der Sieger tötet den Oberschurken oder die beiden verbündeten sich freiwillig/unfreiwillig, um die Menschheit von einem Tyrannen zu befreien. Die Hinweise des Plots deuten allerdings nur in eine mögliche Richtung und diesen Weg beschreitet der Film. Handlungstechnisch – aber wahrscheinlich vom Verleih nicht erwünscht –wäre es sinnvoll gewesen, zuerst den Spannungsbogen um Lord Conquer bis zum Ende seiner ersten Eroberungswelle in einem Film zu erzählen. Wie er die Völker unterdrückt, sich sklavisch hinter der Prophezeiung versteckt und mehr oder minder durch einen Zufall die Söhne seiner Feinde in seinem Lager aufnimmt. Insbesondere hätte den Film über eine ausreichende Exposition verfügt. Der Zuschauer hätte sich – dem „Herr der Ringe“ nicht unähnlich – an den Schurken „gewöhnen“ können. Als bedrohliches Element wäre vielleicht eine Weissagung in Hinblick auf Wolke und Winds Zukunft hilfreich gewesen. So ist der Anfang des Films hektisch erzählt und noch überzogener geschnitten worden. Der etwas ruhigere Mittelteil hätte zur Weiterentwicklung der einzelnen Charaktere genutzt werden können und sollen. In der Exposition werden eine Reihe von Protagonisten eingeführt, die sich rückblickend als unwichtig erweisen, während andere Figuren die notwendige Tiefe vermissen lassen. Im Handlungsverlauf werden immer wieder andere Figuren wie auf einem Schachbrett in den Vordergrund gezogen, um dann wieder aus der laufenden Handlung zu verschwinden. An anderen Stellen tauchen diese dann eher überraschend und inkonsequent wieder auf. Das Problem insbesondere für westliche Zuschauer ist die Konformität dieser Protagonisten, es fehlen ihnen individuelle Züge, an denen man sie auch im größten Schlachtengewimmel – davon gibt es einige – wieder erkennen kann. Während Aaron Kwong als Wolke noch halbwegs überzeugen kann, geht sein „Bruder“ Ekin Cheng in diesem Kostümdrama gänzlich unter. Dass er die Frau seines Lebens unter diesen Umständen an den charismatischeren und scheinbar auch intelligenteren Kwong zumindest für einen Augenblick verliert, ist für den Zuschauer keine Überraschung. Da Sony Chiba als überdrehte Inkarnation des Bösen in erster Linie repräsentieren und weniger mit bissigen Sprüchen agieren kann, fehlt dem Film der emotionale Mittelpunkt. Dazu kommen aber eine Reihe von interessanten Cameos populärer asiatischer Stars wie Alex Fong, Anthony Wong oder Roy Cheung, der Zuschauer beginnt sich bald in seinem Sessel zurückzulehnen und an den bekannten Gesichtern teilweise in sehr exotischen Rollen zu freuen als dem Geschehen die volle Aufmerksamkeit zu schenken.
Während die Handlungsebene verwirrend und der Charakterisierung der einzelnen Protagonisten wenig überraschen sind, überzeugt „Stormriders“ natürlich auf die optischen und tricktechnischen Ebene. Director Andrew Lau hat seine Straßentechnik – angewendet in den Jugenddramen wie „Young and Dangerous“ und später in seiner erfolgreichen Trilogie „Infernal Affairs“ – in diesen klassischen Fantasy- Stoff eingebracht. Wie bei Tsui Harks geradezu revolutionären Inszenierungsstil ist die Kamera immer in Bewegung. Nicht selten überdecken Nebel oder lange Schleppen die obligatorischen Kabel bei den Kampfszenen, aber Lau bemüht sich, mit den fliegenden Kriegern oder bei den außerordentlich gut inszenierten Schwertkampfszenen dem Zuschauer möglichst viele Perspektiven anzubieten. Mit dem manchmal gewöhnungsbedürftigen, aber in Hinblick auf die Manga-Vorlage interessanten Rahmen, den verschiedenen ineinander übergehenden Schnitten und vor allem den künstlichen Farben weist Lau auf die Comicvorlage hin. Nicht selten scheint er – wie aus den Extras zu erkennen ist - Szenen aus der Vorlage bildgenau kopiert zu haben. An einigen Stellen vertraut er mehr auf die Trickeffekte als seine Schauspieler, hier wäre es sicherlich sinnvoll gewesen, zwischen den Akteuren und den Actionszenen hin und her zu blenden. So wirken diese optisch fesselnd und beeindruckend, doch ohne Herz zusammengeschnitten. Da fast alle Charaktere sowohl im Comic als auch im Film über besondere, aber einzigartige Kräfte verfügen, kann Andrew Lau bei der Zusammenstellung der Kampfszenen im Vergleich zu den gängigen Kung-Fu-Filmen aus dem Vollen schöpfen. Insbesondere auf der großen Leinwand des Kinos muss und hat der Film wahrscheinlich brillant ausgesehen haben. Die atemberaubende Schnitttechnik verhindert, dass der Zuschauer sehr viel über den unnötig komplizierten, wenn auch nicht komplexen Plot nachdenkt.
„Stormriders“ ist aus heutiger Sicht eine Wiederbelebung des klassischen Martial Arts Kinos in der Tradition der achtziger und frühen neunziger Jahre. Daneben ist es eine unbeschwerte Verfilmung eines Manga-Comics mit viel optischer Finesse, aber eindimensionalen Charakteren. Es ist vielleicht auch der Film, der im Grunde am Neujahrstag in Hongkong starten könnte und sollte. Die Sorgen der damaligen Zeit mit der Wiedervereinigung können für zwei Stunden in diesem am Ende Wohlfühlfilm sehr gut vergessen werden. Es ist kein Höhepunkt des asiatischen Fantasy-Kinos, aber solide Unterhaltung mit den Stärken und Schwächen, die für diese Filme so charakteristisch sind.
Splendid präsentiert den Film auch in dieser Vision in einer zufrieden stellenden Fassung. Der Zuschauer hat nicht selten das Gefühl, die Umstellung des Films auf das nicht gänzlich passende 1.78:1 Format hat den Farben und vor allem der Optik geschadet. Das Bild selbst ist störungsfrei und der Ton auf beiden Spuren akzeptabel. Allerdings ist die deutsche Synchronisation vor allem in den pathetisch-heroischen Passagen überfordert. Es empfiehlt sich, auf die adäquat, aber auch nicht herausragend untertitelte Originalspur auszuweichen. Als Extras werden auf der Einzel-DVD die Special Effects an Hand von Beispielen aus dem Film und deren Entstehung hervorragend und leicht verständlich erläutert die Adaption des Comics zu dieser Leinwandgeschichte wird im Making Of erläutert, wobei eher auf die speziellen Probleme bei dieser Umsetzung eingegangen wird als auf das gesamte Manga-Genre mit seinen unzähligen und nicht unansehnlichen Verfilmungen. „Von der Idee zur Animation“ übernimmt den „Botenjob“ zwischen der Idee und der Umsetzung auf der Leinwand. Alles in allem bieten die insgesamt 45 Minuten Extras gute informative Unterhaltung. Der Kinotrailer hätte diese nur mit Einschränkungen empfehlenswerte Präsentation dagegen abgerundet.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph, 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, kantonesisch Dolby Digital 2.0 Surround
DVD-Extras:
Behind the Scenes, Special Effects, Featurette