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Gibson, William: Spook Country (Buch)

Spook Country
SF-Thriller von William Gibson
373 Seiten, Putnam/New York 2007, ISBN 978-0399154300, $ 25.95 (ca. EUR 20,-)

Von Oliver Naujoks

Aufregender, eleganter, meisterhafter Stil, inhaltlich dem Zeitgeist immer voraus, der Autor William Gibson genießt einen hervorragenden Ruf. Nach seinem Roman-Debüt „Neuromancer“, dem vielleicht einflussreichsten und wichtigsten SF-Roman der 80er Jahre, verfasste er insgesamt zwei Trilogien, , eine Roman-Zusammenarbeit mit Bruce Sterling, eine Kurzgeschichtensammlung, und legt mit dem soeben erschienenen „Spook Country“ den zweiten Band seiner dritten Trilogie vor, und enttäuscht diesmal.

Im Gegensatz zu den ersten beiden Trilogien verließ er schon mit dem Auftakt „Pattern Recognition“ vor drei Jahren fast gänzlich das Terrain der SF, so dass sich seine neuen Romane zwar irgendwie immer noch etwas entrückt wie SF lesen, aber im hier und heute angesiedelt sind und technologisch nur wenig extrapolieren.


Ein neuer Namen hat sich für diese Trilogie noch nicht richtig herum gesprochen, vielleicht wird sich einmal Blue Ant-Trilogie durchsetzen. Blue Ant ist ein Unternehmen, eine große Werbeagentur, deren Chef, der Mäzen Bigend, bereits in „Pattern Recognition“ als Auftrageber für die Heldin fungierte, und auch diesmal als Chef einer anderen Roman-Heldin fungiert. Heldin ist Hollis Henry, eine Journalistin, die früher in einer einst berühmten Band namens „Curfew“ sang und nun für ein neues Magazin namens „Node“ als freie Mitarbeiterin arbeitet. „Node“ kenne noch niemand, Hollis wird erzählt, dass dies so etwas wie das europäische „Wired“ werden solle. Der leicht verschrobene Plot handelt davon, wie Hollis einem neuen Kulturphänomen nachgeht, das sich ,locative art' nennt, und in welchem man mittels GPS und VR-Helmen mitten in die Wirklichkeit nur mit den Helmen wahrnehmbare Kunstwerke und texturierte Installationen wahrnehmen kann, wie einen toten River Phoenix auf dem Bürgersteig oder eine Helmut Newton-Installation. Viel mehr ist Hollis aber hinter einem mysteriösen Container her (der McGuffin der Story), der immer mal wieder seinen Aufenthaltsort per GPS funkt, etwas extrem wichtiges enthalten muss und hinter dem nicht nur Holly her ist, sondern auch einige Agenten, die die anderen zwei der drei Handlungsstränge füllen. Das eine ein perfekt russische sprechender Kubaner namens Tito, das andere ein Agentenpärchen, das eher weniger als mehr freiwillig zusammenarbeitet. Diese beiden Handlungsstränge sind weit weniger interessant als der um Hollis Henry und man muss in diesen der Versuchung zum diagonal lesen widerstehen.


Neben der Blue Ant-Agentur erinnern Atmosphäre und Gimmicks sehr an den Vorgänger „Pattern Recognition“, im Gegensatz zu diesem will aber die Geschichte diesmal nicht so gut funktionieren. Gibsons Beobachtungen der Welt sind zweifellos anregend und interessant, dafür vernachlässigt er aber stark Handlungsführung und Charakterisierung, sein post 9/11-Kommentar hätte etwas weniger diffus ausfallen können, und seine Gimmicks waren auch schon mal origineller und vor allem anregender. Man liest das alles gelinde interessiert vor sich hin, stellt sich aber schon die verheerende Frage, warum sich jemand hingesetzt und gerade diese Geschichte aufgeschrieben hat. Noch trauriger, auch der berühmte und geliebte typische Gibson-Stil feiert nur an sehr wenigen Stellen im Roman noch seine Triumphe, das alles ist durchaus gut und elegant geschrieben, die für Gibson typischen, brillant komponierten Sätze, für die man gerne noch zig Mal seine Bücher aus dem Regal nimmt um diese noch einmal zu lesen, fehlen diesmal fast völlig. Eine wenig aufregende Handlung, Charaktere, die nur durch ein paar wenige Merkmale charakterisiert sind und kaum leben und das schleichende und schreckliche Gefühl, dass Gibson diesmal einfach wenig zu sagen hat, lassen einen das nicht völlig enttäuschende, aber wenig anregende Buch mit einem unguten Gefühl am Ende zur Seite legen und dämpfen die Vorfreude auf den sicherlich erscheinenden dritten Abschlussband erheblich. Hatte sich der Autor mit „Pattern Recognition“ fulminant und gelungen von der Science Fiction abgewandt, droht er jetzt, etwas im Belanglosen zu versinken. Trotzdem sind viele Rezensionen sehr positiv, hier, an diesem Ort, soll „Spook Country“ aber nur als Nebenwerk des Autors abschätzig abgetan werden. Wer dem überstrapazierten Wort „Zeitgeist“ nachfühlen möchte, bekommt diesen im neuen Gibson nur in sehr geringen Dosen geboten, und nicht nur das, man bekommt einfach auch zu wenig Gibson geboten.

hinzugefügt: August 15th 2007
Tester: Oliver Naujoks
Punkte:
Hits: 3135
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