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Sympathy for Mr. Vengeance (DVD)

Sympathy for Mr. Vengeance
Südkorea 2002, Regie: Park Chan-wook, mit Song Kang-ho, Shin Ha-kyun, Bae Du-na, Lim Ji-Eun u.a.

Von Thomas Harbach

Mit seinem ersten Film, „JSA“, – auch in Deutschland inzwischen auf DVD erschienen – griff der südkoreanische Regisseur Park Chan-wook ohne die übliche Propaganda ein heißes thematisches Eisen auf. Es geht um eine verbotene Freundschaft zwischen je zwei Soldaten der südkoreanischen und nordkoreanischen Armeen, die sich am letzten eisernen Vorhang dieses Planeten gegenüber stehen. Hat er thematisch seinen Film noch an Akira Kurosawas „Rashomon“ angelehnt – die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt – konnte er sich die für seine Rache-Trilogie sinnbildliche fehlende Endlösung zumindest ansatzweise nicht verkneifen. Der Film ist sowohl in seinem Heimatland zu einem der größten und am meisten überraschenden Kassenschlager geworden. International lief er unter anderem auch auf der Berlinale, aber die eindringliche Thematik zweier sehr unterschiedlicher Ideologien in einem geteilten Land hat nur wenig Resonanz außerhalb Koreas gefunden. Der Film erhielt positive Kritiken. Allerdings stand die Entdeckung des vielfältigen koreanischen Kinos zu diesem Zeitpunkt noch aus. Park Chan-wook hat allerdings für seine nächsten Projekte freie Hand erhalten und begann mit der Arbeit an seiner Rachetrilogie, deren erster Teil zeitgleich mit dem letzten Abschnitt „Lady Vengeance“ bei e-m-s auf DVD erschienen ist. Der Mittelteil der nur von der Grundthematik, aber nicht den Charakteren oder Handlungen verbundenen Filme „Oddboy“ ist zuerst im Westen erschienen und hat nur nicht aufgrund seiner außergewöhnlichen Thematik, sondern vor allem seiner Gewaltdarstellung für Furore gesorgt. Dabei liegt in der hier präsentierten Darstellung von alltäglicher Gewalt nichts sensationelles, Park Chan-wook zeigt sie fast beiläufig, abfällig als Teil des stetigen Überlebensprozesses und als Markenzeichen einer Handvoll emotionsloser Menschen. Diese suchen durch ihre Taten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Während er in „Lady Vengeance“ den Zuschauer regelrecht manipuliert und den einen Mörder bestraft, während die Mörderin per se schon vor ihren eigenen Taten für Verbrechen, die sich auf sich genommen, aber nicht begangen hat, ihre Strafe erhalten hat. Im ersten Teil seiner Serie ist es sehr viel leichter, Partei zu ergreifen, auch wenn am Ende die Armen wieder mit leeren Händen dastehen.

Der taubstumme Ryu (Shin Ha-kyun mit einer sehr guten schauspielerischen Leistung, der von den Ereignissen förmlich überrollt wird) möchte seiner todkranken Schwester eine Nierentransplantation ermöglichen, um ihr Weiterleben zu sichern. Er gelangt an zwielichtige Organhändler, die sich für eine hohe Summe bereit erklären, ihm die Niere operativ zu entfernen, damit er sie für seine Schwester spenden kann. Doch nach der Operation sind die Händler mit seiner Niere und seinem Geld spurlos verschwunden. Inzwischen steht ein Organ im Krankenhaus zur Verfügung, doch Ryu kann es nicht mehr bezahlen. Aus Verzweiflung beschließen er und seine Freundin Cha Yeong-mi (Bae Du-na), die Tochter von Park Dong-jin (Song Kang-ho) zu entführen, um das benötigte Geld zu erpressen. Bis zur Geldübergabe geht alles gut, doch dann stirbt das Mädchen durch einen Unfall. Park Dong-jin schwört blutige Rache. Während er Ryu sucht, ist dieser wiederum den Organhändlern auf der Spur, ebenfalls um sich zu rächen. Der Kreis wird sich schließlich beim schwächsten Glied schließen.
Am Anfang steht Ryus Wunsch zur guten Tat. Er hat es aufgrund seiner Behinderung im Leben niemals leicht gehabt und seine Schwester ist sein einziger Bezugspunkt. Ihre Zeit ist aber begrenzt. Er schuftet in einer Fabrik, um das Geld für eine Spenderniere zusammenzubekommen. Er wird entlassen. Um zu funktionieren, muss der Film insbesondere vom Großkapitalismus das klassische Klischeebild der unterdrückten und ausgenutzten Arbeiter auf Kosten der reichen Bonzen zeigen. Ansonsten wäre die Entführung unerträglich und vor allem Ryus verzweifelte Aktion, um seine Schwester zu retten, schwer nachzuvollziehen. Sicherlich sind Menschen aus Angst, Sorge und Not bereit, kriminelle Taten zu begehen, aber zwischen einem Diebstahl und der Entführung eines kleinen Mädchens ist immer noch ein großer Unterschied. Außerdem macht Ryu vor allem bei seinen ersten Auftritten nicht der Eindruck, als könne er diese Tat alleine durchführen. Mit dieser Tat überschreitet Ryu schließlich die Grenze vom passiven Opfer zum Täter.

Bislang hat vor allem Park Chan-wook seine immer in Bewegung befindliche Kamera auf Distanz gehalten. Passiv defensiv filmt er zum Beispiel die primitive Nierenentfernung. Zwei Männer begleiten Ryu zu einer Hausruine in der Vorstadt. Gegenlicht, Halbtotale, keine Close Ups. Keine eindeutige Identifizierung, keine Annäherung sowohl an den Protagonisten Ruy als auch seine Antagonisten. In seinen späteren Filmen wird Park Chan-wook deutlich mehr schneiden, dem Zuschauer es ermöglichen, in den Gesichtern beider Parteien zu lesen. Er bemüht sich später, auch den Bösewichtern eine gewisse Individualität und Dreidimensionalität zu schenken, um sie später desto konsequenter vernichten zu können. Nur wer den Feind kennt, kann ihn töten. Gerade diese Verweigerung dem insbesondere westlichen Genrekino mit seinen überzeichneten, überdrehten Schurken gegenüber machen seine Rache- Trilogie zu keinem angenehmen Sehvergnügen. Am Ende verliert Ruy seine Niere und sein Geld. Und das in dem Augenblick, in dem das Krankenhaus eine geeignete Niere hätte. Nur fehlt jetzt das notwendige Geld. Wie in einem Pulproman baut Park Chan- wook die nüchtern betrachtet fast unmögliche Kette von Situationen weiter aus. Der verzweifelte Plan einer Entführung erwächst aus den eigenen, ebenfalls aus der Not heraus gemachten Fehlern. Die Geldübergabe funktioniert, nur stirbt das Mädchen vorher bei einem Unfall. Der zweite Plan ist auch gescheitert. Als sich seine Schwester umbringt, um ihren Bruder vor einem Absturz ins kriminelle Milieu zu retten, ist alles zu spät.

Der Zuschauer ist durch das Vorziehen der anderen Teile der Serie auf Park Chan-wooks zerrissene Erzählstruktur vorbereitet. Obwohl die Geschichte vor allem im ersten Teil einige Längen aufweist, fügen sich viele der handlungstechnisch auf den ersten Blick zu vernachlässigenden Passagen erst später zu einem Ganzen zusammen. In „Lady Vengeance“ geht der Regisseur noch einen Schritt weiter und zerstört die Chronologie der Abläufe. Dank der Protagonistin und ihrer Off-Erzählung verfügt der Zuschauer über eine Unzahl von Informationen, welche die anderen Protagonisten sich erst mühevoll erarbeiten müssen. Im dritten Teil der Serie „Oldboy“ dagegen bleibt der Zuschauer auf Augenhöhe des leidenden Protagonisten und kann nur mit ihm zusammen das Rätsel lösen.

In „Mr. Vengeance“ experimentiert Park Chan-wook noch mit den unterschiedlichen Erzählstrukturen, ist sich teilweise noch unsicher, welcher Weg für diese Art von Film der Richtige wäre. Da er mehrere Handlungsebenen parallel laufen lässt, entschließt er sich, dem Zuschauer nur phasenweise mit dem taubstummen Ryu eine Identifikationsfigur anzubieten. Mit ihm kann der Betrachter nicht kommunizieren, er ist gezwungen, das unterkühlt inszenierte Geschehen distanziert, aber sichtlich fasziniert bis zum bitteren Ende zu verfolgen. Auch hier bleibt die Kamera auf dem Opfer. Da der Regisseur auch fast gänzlich auf Musik als Stimmungsmanipulator verzichtet hat, kann der Zuschauer die kommenden Ereignisse auch nicht erahnen. Weiterhin fehlt ihm die übliche Thrillerstruktur, teilweise erinnert die Vorgehensweise des Regisseurs an die ersten französischen Krimis Godards, Melvilles und schließlich Malles. Die Sets wirken ungemein realistisch und insbesondere bei den Außenszenen bemüht sich Park Chan-wook um eine authentische Atmosphäre.

Wie Martin Scorseses „Taxi Driver“ beschreibt „Sympathy for Mr. Vengeance“ den aussichtslosen Kampf gegen das inzwischen in alleine Bereichen dominierende Verbrechen. Sei es bei den Schlipsträgern der koreanischen Großindustrie, als auch den in strengen Hierarchien zusammengefassten kriminellen Organisationen. Der Zuschauer ist natürlich auf der Seite dieser Außenseiter. Im Gegensatz zu insbesondere Michael Winners fragwürdigen, reaktionären und provokanten „Death Wish“-Filmen bleibt der Status Quo auch am Ende des Films erhalten. Der Versuch, das System zu verändern endet in einer persönlichen Niederlage, obwohl man den nicht unbedingt sympathisch, aber dreidimensional gezeichneten Protagonisten diesen einen Erfolg im Leben wirklich wünscht. Unmerklich beginnt der Regisseur aber Sympathien für alle Parteien des Films zu erwecken. Ruy in doppelter Hinsicht: zum einen Aufgrund seines persönlichen Opfers für seine Schwester – die fehlgeschlagene Operation – und seine nachfolgende Rache, dann für den Industriellen, der sich an den Kidnappern und Mördern seiner Tochter rächen will, der anarchistischen Freundin, die mit ihren Flugblättern eine Gesellschaft stürzen möchte, in der sie gut leben kann und die mit Flugblättern gegen das System kämpft. Zuletzt die Verbrecherorganisation, die ihre ermordeten Mitglieder rächen möchte. Auch wenn nicht alle Protagonisten vom Drang nach Rache getrieben werden, zeigt der Regisseur im ganzen Film keinen Charakter, der aus eigenem Antrieb handelt oder handeln kann. Selbst der Großindustrielle beugt sich bei der Entlassung seiner Mitarbeiter den anonymen Finanziers.

Die nihilistische Botschaft nicht nur diesen Films ist, das Rache einer der bedauernswerten Urinstinkte des Menschen ist. Es gibt aber auch keine Alternative. Der gänzliche Pazifismus den Gewalten gegenüber ist nur die Unterdrückung der eigenen Emotionen und kein ableitendes Ventil. Wenn jemand aus Rache handelt, will er verletzen und töten. Man will dem anderen den gleichen Schmerz zufügen, den man selbst erlitten hat. Am Ende verletzen oder töten sich alle, das Ziel wird aber nicht erreicht. Vielleicht fühlt man sich für einen sehr kurzen Augenblick besser, um dann den doppelten Schmerz zu empfinden. Nur Ruys Schwester bricht durch ihren Selbstmord aus dem Teufelskreis augenscheinlich aus. Aber ihr Tod verletzt und erschüttert Ruy, sie überträgt ihre „Schmerzen“ in doppelter Hinsicht auf ihren überforderten Bruder. Einmal die Erkenntnis der Hilflosigkeit und dann der Einsamkeit. Impliziert zeigt der Film, dass Selbstmord im Grunde keine Alternative, sondern eine Flucht vor der eigenen Verantwortung mit unübersehbaren Folgen für andere Menschen ist.

„Sympathy for Mr. Vengeance“ maßt sich kein Urteil in dieser wichtigen Frage an, sondern bildet nur ab. Kritisch lässt sich anmerken, dass diese Vorgehensweise bei derartig komplexen Themen ein zu einfacher Weg ist, aber die Alternativen hätten wahrscheinlich den Rahmen des Erträglichen und vor allem Kommerziellen gesprengt. Ganz bewusst drängt der Film aus dem Rahmen des Genres heraus, versucht sowohl von der grundlegenden Geschichte – auch wenn diese sich in wenige Worte fassen lässt, die aber die Grundstimmung des Films nicht repräsentativ widerspiegeln können – als auch den Charakteren her neue Wege zu gehen. Das beginnt schon bei der bewundernswerten Optik, die insbesondere im Kino auffällig ist. Nicht umsonst folgt der Film optisch der Tradition von „Seven“ und „Das Schweigen der Lämmer“. Auch wenn Park Chan-wook sich bemüht, einen möglichst realistischen Hintergrund zu erschaffen, wirken einige Szenen wie gemalt. Die Farben sind genau abgestimmt, die Kamera sucht ungewöhnliche Perspektiven, um die Illusion vom klassischen Film zu untergraben.

Auch wenn die Gewalt sehr brutal dargestellt wird – die Kamera verzichtet nur dank des Verbrechers selbst in der Elektrofolterszene auf einen direkten Blick zum Opfer hin – wird sie nicht um ihrer selbst Willen gezeigt. Die Verzahnung von Tragik und Schicksal wird im Verlaufe des Films zu einem unlösbaren Knoten. Ein Durchschlagen ist für alle Protagonisten nicht mehr möglich. Auch wenn im Vergleich zu „Lady Vengeance“ der Plot nicht so kompakt konstruiert wirkt, sondern wie eine Abfolge ungewöhnlicher, aber nicht unmöglicher Ereignisse erscheint, ist „Sympathy for Mr. Vengeance“ nicht der schwächere oder gar schwächste Teil der Serie. Die Prämissen sind andere. Während in den späteren Filmen die Rache im Vordergrund des Geschehens steht, geht es hier um die menschliche Leere, die Einsamkeit nach einem Verlust. Ruy verliert seine Schwester, der Industrielle seine Tochter. In seinem ersten Film „JSA“ standen sich die guten Schauspieler auf beiden Seiten der Grenze auch gegenüber. Hier trennen sie die sozialen Schichten. Vordergründig, denn in ihrem Schmerz ob des erlittenen Verlustes verschmelzen sie für einen Augenblick zu einer Person, zu einem Menschen, um den es von einem Augenblick zum nächsten wieder einen Schritt dunkler geworden ist.

Warum die Einzel DVD allerdings nur noch „Mr Vengeance“ heißt und ein eher martialisches und damit unpassendes Cover trägt, wird das Geheimnis von I-on bleiben.
Die Einzel- DVD verfügt über den Filmtrailer und ein kurzweilig zu sehendes, aber nicht unbedingt weitergehend informatives Feature zum Film an sich. Das 1:2,35 Format gibt das sehr sorgfältig konzipierte Panorama des Films adäquat wieder. Allerdings sind die Farben insbesondere bei den Nachtszenen ein wenig zu stark verrauscht, ansonsten wirken diese aber natürlich. Beide Tonspuren lassen sich hören, die Kombination aus Hintergrundgeräuschen und den fast spartanischen Dialogen – was sowohl die Länge, als auch die Häufigkeit angeht – unterstreichen die Intention des Filmemachers, ein Drama voll innerer Widersprüche zu gestalten. Insbesondere erdrücken die Hintergrundgeräusche nicht die pointierten Dialoge. Die deutsche Synchronisation ist angemessen. Es empfiehlt sich allerdings trotzdem, die Originaltonspur mit der angemessenen Untertitelung zu wählen.

DVD-Facts:
Bild: 2,35:1 (anamorph, 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, koreanisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Behind the Scenes

hinzugefügt: August 26th 2007
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: Splendid Entertainment
Hits: 2484
Sprache: german

  

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