Bill Willingham
Fables 3
Märchenhafte Liebschaften
(Fables 11-18, 2003)
Aus dem Englischen von Gerlinde Althoff
Titelbild von James Jean Aron Wiesenfeld
Zeichnungen von Mark Buckingham, Lan Medina, Bryan Talbot, Linda Medley, Steve Leialoha & Craig Hamilton
Panini-Verlag, 2007, Paperback mit Klappenbroschur, 192 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-86607-468-2
Von Christel Scheja
Gerade in den phantastischen Genres scheut man sich in den letzten zwanzig Jahren nicht mehr, auf klassische Erzählungen zurück zu greifen. Besonders in den etwas düsteren Geschichten scheint es die Autoren zu reizen, Figuren aus Märchen und Legenden zu den Helden ihrer Abenteuer zu machen und sie mit unserer modernen Welt und den veränderten Moralvorstellungen zu konfrontieren.
Typische Klischees und Rollenmuster werden auf den Kopf gestellt. Einige können sich anpassen, andere wieder nicht. Der böse Wolf mutiert zum Gesetzeshüter, und die sanfte Snow-White ist inzwischen eine moderne und selbstbewusste Karrierefrau. Prince Charming lebt als ein arbeitsscheuer Gigolo und Charmeur in den Tag hinein und genießt lieber das leichte Leben, als sich seine Brötchen zu verdienen. Allerdings fallen die wohlhabenden Frauen, mit denen er anbandelt, nicht all zu lange auf ihn herein, denn mit der Treue nimmt er es nicht so genau. Und andere wie Jack sind zu sprunghaft, um sich wirklich einem ruhigen Familienleben zu widmen.
Im dritten Band der Reihe „Fables“ spielt die Liebe den Helden üble Streiche. Denn auch wenn sie es gar nicht darauf angelegt haben, so passiert es doch, dass sie sich näher kommen, als sie wollen und gut für sie ist.
Zunächst bekommt das Jack zu spüren, der darauf hofft in den Wirren des amerikanischen Bürgerkriegs sein Glück zu machen. Doch als er merkt, dass die Wirklichkeit gerade das Gegenteil in Aussicht stellt, ergreift er die Flucht. Dabei durchstreift er einen dunklen Wald und macht bei einem Kartenspiel einen Gewinn, der ihm später noch sehr zugute kommt. Er überlistet damit den Tod und hilft so einer sterbenden jungen Witwe, diesem noch einmal von der Sense zu springen - allerdings nicht mit dem erhofften Ergebnis.
Um gefährliche Beweise für ihre Existenz zu vernichten, die der Reporter Tommy Sharp inzwischen gegen die Fables gesammelt hat, lässt sich Bigby Wolf auf ein gefährliches Spiel mit Bluebeard und Prince Charming ein. Letzterer soll die besondere Gabe seiner Ex-Frau und derzeitigen Lebenspartnerin Dornröschen nutzen, um alle Leute in einem Hotel in tiefen Schlaf zu versetzen, damit die anderen die Beweise herausholen können.
Er ahnt nicht, das Bluebeard ihn nur auskundschaftet, weil dieser inzwischen andere Pläne hat und zusammen mit der seit dem Aufstand auf der „Farm der Tiere” als Terroristin gesuchten Goldilocks die Übernahme der magischen Welt im Exil plant. Die beiden müssen ihre Pläne jetzt forcieren, als die „Mäusepolizei” ihre Machenschaften entdeckt.
Deshalb nutzt Bluebeard seine hynotischen Kräfte um sowohl Snow White als auch Bigby Wolf für ein paar Tage in die Wildnis zu schicken. Als die beiden wieder zu sich kommen, begreifen sie erst gar nicht, was ihnen geschehen ist, und machen sich auf den beschwerlichen Heimweg. Dabei wird ihnen nach und nach bewusst, dass sie womöglich nicht nur Händchen gehalten haben.
Aber ehe sie sich darum weitere Gedanken machen können, werden sie in mörderischer Absicht angegriffen. Jemand will sie beseitigen - um jeden Preis.
„Sandman“-Autor Bill Willingham und der britische Zeichner Mark Buckingham gestalten gemeinsam die seit 2002 erfolgreich laufende Vertigo-Serie „Fables” bei DC, in der sie Gestalten aus Märchen und Sagen in unserer modernen Zeit agieren lassen oder die alten Geschichten einfach weiter spinnen und frei nach Lust und Laune adaptieren.
Hierbei sind vor allem die speziellen Eigenarten der Figuren wichtig. Autor wie auch Zeichner spielen mit der Ernsthaftigkeit des einen und der Schlitzohrigkeit des anderen Charakters.
So sind die Liebesgeschichten nicht unbedingt immer romantisch zu nennen. Bei Jack nimmt die Beziehung eher makabere Züge an, denn Todlosigkeit bedeutet nicht unbedingt Unsterblichkeit, und auch das Zusammenleben zwischen Dornröschen und Prince Charming oder Bluebeard und Goldilocks scheint mehr auf Vernunft und Zweckdienlichkeit als Gefühlen zu beruhen.
Nur zwischen Bigby Wolf und Snow White scheint sich mehr anzubahnen; die beiden sind aber zu vernünftig, um sich mehr als nötig mit ihren Gemeinsamkeiten zu beschäftigen.
Interessant ist, wie sich Autor und Zeichner der besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften der Fables bedienen und sie einsetzen - so wird Dornröschens Schwäche zu einer Stärke, und Bluebeard nutzt seine Gabe egoistisch aus. Da sich die beiden allerdings mehr auf die Überlieferungen und Klassiker des angloamerikanischen Raumes konzentrieren, sollte man sich als deutscher Leser zumindest rudimentär mit diesen Geschichten auskennen, sonst wird man vieles nicht richtig verstehen können.
Auch die dritte Graphic Novel aus der Reihe „Fables“ bietet von Anfang bis Ende skurrile Einfälle und manchmal ziemlich makaberen, schwarzen Humor, der dem Tenor des Vertigo-Labels gerecht wird. Verspielt, abenteuerlich und böse – „Fables: Märchenhafte Liebschaften“ bietet eine Geschichte auf hohem Niveau und voller bissiger Untertöne.