Hot War
Hongkong 1998, Regie: Jingle Ma Chor-Sing, mit Ekin Cheng,
Jordan Chan, Kelly Chen, Terence Yin u.a.
Von Thomas Harbach
Mit „Hot War“ legt Splendid Entertainment im Rahmen seiner Goldedition einen Science Fiction beladenen Thriller aus dem Jahr 1998 zum ersten Mal auf DVD auf. Der Film ist diverse Male auf Sendern wie Pro 7 und Kabel im Fernsehen gelaufen. Ebenfalls falsch dürfte der Hinweis auf die koreanische Tonspur auf dem Cover sein. Das erste Einhören deutet entweder auf Chinesisch bzw. die beiden Hongkonger Varianten hin. Spätestens mit dem Hinweis, dass Jackie Chan den Film produziert hat, macht seine Wurzeln deutlich. Dabei braucht sich vor allem eine Hongkong- Produktion aus der Zeit vor der Rückgabe an die Volksrepublik in Punkto Action nicht verstecken. Spätestens nach den ersten Minuten dieses kompakten Films kommen beim Zuschauer warme Erinnerungen an die wilde Zeit des asiatischen Actionkinos auf. Das liegt nicht zuletzt am Regisseur. Jingle Ma Chor-Sing. In Hongkong hat er sich als einer der besten Kameramänner der Kronkolonie einen guten Ruf erworben. Mit Jet Li hat er bei „Fong Sai Yuk“ zusammengearbeitet und mit seinem jetzigen Produzenten Jackie Chan bei „Drunken Master 2“. Später folgten noch „Rumble in the Bronx“ und „First Strike“ für Jackie Chan.
Das Erstaunliche an „Hot War“ ist auf den ersten Blick die ein wenig naive, optisch sehr inszenierte, aber an Kung Fu Szenen arme Entwicklung des Stoffes. Die Wissenschaftler auf der ganzen Welt erforschen die Macht der unterschwelliger Botschaften, um das Bewusstsein der Menschen zu manipulieren. Der nächste logische Schritt ist diese willigen Geisteslandschaften für sich auszunutzen. Gleich zu Beginn wird einer der Forscher, die sich mit den Gehirnwellenmustern auskennen, aus seinem Forschungsgrund in Irland entführt. In den USA experimentiert der Geheimnisdienst mit virtuellen Programmen, die aus einem gewöhnlichen Menschen innerhalb von sieben Tagen einen erfahrenen Agenten und zumindest eine „Kampfmaschine“ machen können. Unter der Anleitung eines erfahrenen Wissenschaftlers experimentieren drei junge Hongkong Chinesen. Die beiden jungen Männer und die hübsche Frau sind gemeinsam in einem Waisenhaus aufgewachsen. Als einer der Männer seine Freundin in Miami heiraten möchte, wird die junge Wissenschaftlerin in einer spektakulären Action entführt und die Braut rücksichtslos erschossen. Also melden sich die beiden Männer freiwillig, um durch das noch nicht am lebenden Objekt durchgeführte Schulungsprogramm zu gehen und die Freundin auf eigene Faust aus den Händen der Entführer zu befreien.
„Hot War“ vereint eine Reihe sehr unterschiedlicher Elemente miteinander und ist auf eine unbekümmerte Weise gute, aber nicht sonderlich gehobene Unterhaltung. Es lohnt sich insbesondere in das Actionkino der neunziger Jahre einzutauchen, um die verschiedenen Querverweise zu entschlüsseln. Fängt der Zuschauer mit der Hintergrundgeschichte der drei Waisen an, wird er sofort an John Woos Actionkomödie „Once a Thief“ erinnert. Drei Freunde, von denen einer das einzige weibliche Mitglied der Gruppe zuerst platonisch, dann auch körperlich liebt. Obwohl sie zusammenhalten wollen, wird die Einheit durch äußere Einflüsse gesprengt. In diesem Fall verändert sich einer der Männer durch die Beeinflussung des Virtuel Reality Programms. Aber „Hot War“ geht noch einen Schritt weiter. In einer der besten Szenen des Films wird auch die junge Frau während eines Feuergefechts niedergeschossen, der Schicksalskreis hat sich geschlossen. Was bleibt ist nur noch die Rache. Hier lässt sich der Bogen sehr schön zu Luc Bessoms herausragendem „Nikita“ schlagen, in welchem auch gewöhnliche Bürger zu Kampfmaschinen für die Geheimdienste der Welt ausgebildet worden sind. Der Waffenfetischismus feiert in beiden Filmen fröhlich Urstand. Verknüpft der aufmerksame Zuschauer noch die Idee der Virtual Reality mit dem Ansatz „Nikitas“ wird er unweigerlich auf einen kleinen Thriller namens „Black Cat“ aus Hongkong stoßen, der mit einem deutlich niedrigeren Budget, einem Plagiat als Drehbuch und deutlich mehr Gewalt und Brutalität viele Ideen dieses Films vorweggenommen hat.
Dazu kommen die Stunts, die Filme wie „Police Story“ so weltberühmt gemacht haben. Während die Entführung der Wissenschaftlerin mit dem Hubschauer noch moderat und seltsam unfokussiert inszeniert worden ist, steht das Attentat mit den Jetskiern auf dem gleichen Niveau wie Jackie Chans Actionfilme. Sehr rasant geschnitten mit einigen waghalsigen Aktionen, aber einem unbefriedigenden Ende. Die Szene soll unterstreichen, welche negativen Folgen die Behandlung mit dem Virtual Reality Programm hat. Das Problem ist nur, dass ausgerechnet der Wissenschaftler bedroht worden ist, dessen Frau gleich zu Beginn des Films von den Terroristen ermordet wurde. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist seine aggressive Reaktion verständlich. Hier wäre es sinnvoller gewesen, sich als Opfer unschuldige Zuschauer auszusuchen.
Obwohl der Film verzweifelt versucht, sich ein internationales Flair zu geben, ist er in seiner Zeit in doppelter Hinsicht verwachsen. Da ist zum einen das Ziel des nächsten Anschlags mit unterschwelligen Botschaften. Die Fußballweltmeisterschaft , allerdings nicht in Japan, sondern in Frankreich. Viel deutlicher wird der Hinweis auf die Entstehungszeit zum einen durch die Tatsache, dass die Übergabe der Kronkolonie an China die Ängste der Menschen hochgespült hat. Und das Ausnutzen dieser Ängste und Unwissenheit für die eigenen wirtschaftlichen Ziele ist eines der Themen, mit denen sich „Hot War“ manchmal auf naive Weise auseinandersetzt. Ein letzter Hinweis ist der ominöse Schurke nach dem Vorbild George Soros gestaltet. Er will die unterschwellige Bewusstseinsmanipulation nutzen, um in Ländern wie Brasilien für Panik zu sorgen, die Währungen schwächen und dadurch dank seiner Devisenspekulationen verdienen. Diese Angriffe verschiedener Hedgefonds insbesondere auf den Hongkongdollar konnten Ende der neunziger Jahre nur dank des Einsatzes der Notenbanken abgewehrt werden. Und die asiatische Krise mit ihren zusammenbrechenden Märkten spielte sich unmittelbar vor dem Entstehen des Films ab.
Diese interessanten Ideen werden nicht immer mit der adäquaten Handlung umgeben, so dass „Hot War“ teilweise wie ein futuristischer Klon des „Bond-„Films „Der Morgen stirbt nie“ – er spielt ebenfalls in Asien – mit guten, waghalsigen Stunts und einem unterdurchschnittlichen Budget daherkommt.
Die größte Schwäche des Films ist die mangelnde Charakterisierung der Pro- und Antagonisten. Während man die oberflächliche Beschreibung der amerikanischen Figuren noch verstehen kann, stimmt auch die Chemie innerhalb der Gruppe der Guten nicht unbedingt. Die wenigen Versuche am typisch kindischen asiatischen Humor werden relativ schnell unterbunden. Auch wenn Kelly Chen in ihrer eher zurückhaltenden Art hübsch und intelligent zu gleich erscheint, gelingt es ihr in den wenigen Szenen, die sie beherrscht kaum, eine Persönlichkeit zu entwickeln. Ihre beiden „Brüder“ – Jordan Chan und Ekin Cheng – haben es noch schwerer. Beide müssen emotionale Krisen durchleben, beide verlieren ihre jeweiligen Frauen und beide stehen sich schließlich im letzten Kampf gegenüber. Wenn der Film den einzelnen Figuren nicht nur individuelle Züge, sondern vor allem Elemente der Tragik verliehen hätte, wäre „Hot War“ deutlich besser und vor allem dreidimensionaler. Den Helden gegenüber steht eine aggressive Schönheit, die skrupellos Auftragsmorde begeht und schließlich aus dem Off heraus bei einer Mission umgebracht wird. Warum erst eine so charismatische und erotische Figur aufbauen, um sie dann nicht effektiv und provozierend zu beseitigen? Der schurkische Handlanger mit seinen blond gefärbten Haaren – Terence Yin – verfügt über das Mimenspiel eines Stoikers und erinnert unwillkürlich an einen jungen David Beckham. Dieser kann zumindest Fußballspielen, im Gegensatz zum verschenkten Yin. Auch wenn insbesondere im asiatischen Gangstergerne die Charakterisierung auf ein notwendiges Grundübel reduziert wird, können die Regisseure mittels effektiver Kombinationen aus Musik und Schnitt im Zuschauer das Gefühl von Verlorenheit und Tragik hervorrufen. John Woo und Ringo Lam seien hier stellvertretend genannt. In „Hot War“ gibt es eine Reihe von Szenen, die zumindest ansatzweise an die beiden Meister heranreichen. Gleich zu Beginn wenn die Braut erschossen wird und ins Wasser fällt. Später, als während des Schusswechsels fast aus Versehen die gemeinsame Freundin niedergestreckt wird. Während die erste Schlüsselsequenz durch den intelligenten Einsatz mehrere Kameraperspektiven und der entsprechenden Musik zumindest ansatzweise stimmig gemacht worden ist, verliert die zweite Sequenz nicht zuletzt aufgrund ihres hektischen Schnitts an Effektivität. Für einen Hongkong-Film ist der Versuch, insbesondere weibliche Charaktere nicht nur als schöne Staffage zu benutzen, sondern ihnen auf beiden Seiten des Gesetzes entsprechende Rollen zu schenken. Das diese zumindest im vorliegenden Fall eher eindimensional angelegt worden sind, spricht zumindest nicht gegen den Versuch. Ebenfalls klassisch ist die Konstellation, sympathische Protagonisten genauso wie Schurken sterben zu lassen. Je dramatischer das jeweilige Ende, desto besser. Zusätzlich zu den klassischen Konstellation, ehemalige Freunde gegeneinander antreten zu lassen, wird das Thema von Schuld und Sühne personifiziert. Dass später auch die Idee der vertauschten bzw. manipulierten Identitäten den Showdown zumindest vorübergehend beeinflusst, sowie „James Bond“-Elemente – siehe auch „Der Morgen stirbt nie“, bzw. „Moonraker“ mit der Idee einer Bedrohung durch Satelliten – eine wichtige Rolle spielen ist folgerichtig. Auf einem pulpigen Niveau wird der Film gegen Ende richtiggehend spannend, auch wenn absehbar ist – wie eben auch in den „James Bond“-Filmen –, dass das Gute – wer immer das auch wirklich sein mag, da die westlichen Geheimdienste die gleichen Tricks wie die Schurken anwenden und genauso skrupellos sind – letzt endlich siegt. Der Epilog mit seinen Anspielungen auf Sarah Connor in „Terminator“ und der gänzlich unpassenden melancholischen Off- Erzählerperspektive dagegen wirkt eher aufgesetzt und die bissige Ironie geht ins Leere.
Der Regisseur ist für die Inszenierung seiner Actionszenen bekannt. Darum ist es zumindest überraschend, wie er mit seinem eigenen Image spielt. In einer Szene betreten die beiden virtuell gedopten Kämpfer einen Raum mit dreißig Männern und verlassen ihn sofort wieder. Sie teilen ihrem Vorgesetzten mit, dass sie nicht nur körperlich gestählt worden sind, sondern erkennen können, wenn ein Kampf nicht zu gewinnen ist. Andere Kampfpassagen des Films wirken eher amateurhaft inszeniert, ihnen fehlt der Schwung und vor allem die Originalität der entsprechenden Jackie Chan-Filme. Schaut man sich das Personal hinter der Kamera an, im Grunde unverständlich.
Technisch ist der Film ansprechend gemacht worden. Insbesondere die Kameraperspektiven sind teilweise atemberaubend, dann wieder originell. Das Farbschema ist für einen utopischen Stoff passend unterkühlt angelegt worden. Die Computersequenzen wirken nicht zuletzt aufgrund der rasanten Entwicklung in der CGI-Technik veraltet. Hier wäre es sinnvoller gewesen, dem Zuschauer mehr Illusionen zu lassen. Wie nicht selten im Hongkong-Kino ist insbesondere die zweite Hälfte des Films dunkel und nihilistisch. Der Humor und die pathetisch treibende Musik des Anfangs entpuppen sich als Illusion. Mit der Rückkehr an den Hort der Jugend – das Waisenhaus – bricht der Film zu neuen Ufern auf und wer die Geduld gehabt hat, sich durch viel Mittelmäßigkeit und Steifheit zu kämpfen, wird auf den letzten Metern belohnt.
Was für einen Film wie „Hot War“ trotz aller inhaltlicher und handlungstechnischer Schwächen spricht, ist die Unbekümmertheit, mit der die Filmemacher an den Plot herangegangen sind. Nicht selten wirken einzelne Szenen wie aus dem Nichts heraus frei interpretiert., manchmal ein wenig zu sehr kopiert – insbesondere „Universal Soldier“ und selbst „RoboCop“ könnten hier als unerreichbare Vorbilder dienen -, aber frei von jeglicher Logik erzählt.
Splendid hat „Hot War“ im Rahmen seiner Gold Edition veröffentlicht. Das Format 1.78:1 ist angemessen, die Bildqualität für einen zehn Jahre alten asiatischen Film zufrieden stellend. Insbesondere die Tageslichtszenen wirken ein wenig verwaschen und unscharf. Die Farben sind absichtlich dunkel gehalten, um zumindest ansatzweise die Irrealität des virtuellen Raums in die Gegenwart zu übertragen. Beide Tonspuren sind gut verständlich, es empfiehlt sich allerdings, die Originalspur mit den deutschen Untertiteln zu wählen. Obwohl nicht extra erwähnt finden sich doch einige wenige Extras auf der DVD. Neben dem Trailer ein Feature mit Interviews der Hauptdarsteller, in denen sie kurz von den Dreharbeiten berichten und ein Einblick in die wenigen Trickeffekte.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph, 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, kantonesisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch
DVD-Extras:
Making of