Patrick Wirbeleit & Kim
Kleiner Thor 1
Tokyopop, 2007, Taschenbuch, 168 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-386719-029-9
Von Christel Scheja
Gerade in den letzten Jahren haben die Wikinger im Allgemeinen und die nordische Mythologie im Speziellen wieder größeres Interesse bei Künstlern gewonnen. Nicht länger orientiert man sich nur an den irisch-britisch-keltischen Vorbildern, nun kommen auch die germanischen Wurzeln wieder zum Tragen.
Und die veranlassen Autoren wie Patrick Wirbeleit und Künstler wie Kim dazu, die nordische Götterwelt ein wenig durcheinander zu wirbeln und aus den bekannten Versatzstücken der Edda eine neue Geschichte zu basteln.
Der Stern Odins ist am Sinken. Nicht nur, dass sein Gegenspieler Tyr hinter den Kulissen an seinem Thron sägt und den listigen Loki zum Verrat bewegt, nun verschwindet auch noch die Göttin Idun, deren Äpfel den Asen bisher Unsterblichkeit und Stärke verliehen haben.
Dennoch schickt der Göttervater seinen Sohn Thor hinunter in die Menschenwelt, so wie es Sitte ist. Der Junge soll lernen, die Sterblichen zu verstehen, damit er diese später besser regieren kann.
Unglücklicherweise hat der pfiffige kleine Bursche auch noch Odins magisches Schwert entwendet. Das ist für Tyr umso interessanter. So vermag er nicht nur dafür zu sorgen, dass der Junge stirbt, ehe er erwachsen werden kann, es ist nun auch ein leichtes, die verzauberte Klinge an sich zu bringen.
Thor ahnt indessen nichts von dem drohenden Verhängnis. Der Junge hat genug damit zu tun, sich zurechtzufinden, denn die Sippe zu der er stößt, will ihn eigentlich gar nicht aufnehmen. Nur ein Hexenmädchen und zwei christliche Mönche sind freundlich zu ihm; die anderen schwanken zwischen der Überlegung, ihn zu verjagen oder zum Sklaven zu machen.
Doch ehe sie eine endgültige Entscheidung treffen, müssen sich die Menschen einer großen Gefahr stellen. Der Meeresriese Zot ist wieder zum Leben erwacht und beginnt, die Küste und das Umland zu verheeren. Wer kann sich ihm jetzt noch entgegen stellen, wenn doch die Macht eines Gottes von Nöten ist, um ihn nieder zu strecken? Ist das der Plan Tyrs, um gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen - den Jungen und die Waffe?
Thor weiß, dass nur er allein etwas unternehmen kann, aber das Schwert seines Vaters ist verschwunden, ohne das auch er keine Chance hat.
Es bleibt einfach gar nicht aus - bei Geschichten wie dieser kommt einem unwillkürlich „Wickie” in den Sinn. Zwar löst der junge Thor die Probleme der Erwachsenen nicht wie der Zeichentrick-Knirps mit seinem Verstand, das gleiche vorlaute Mundwerk und ein bisschen vom Aussehen hat er aber schon.
Thor ist ein typischer Lausbub um die Zehn, der von Intrigen und Ränkespielen noch nicht viel versteht, aber durchaus schon weiß, was er tun kann, wenn eine Gefahr in Verzug ist. Und so wandelt er auf dem schmalen Grad zwischen Heldentum und dem Talent, jedes Fettnäpfchen zu erwischen, das in seinem Weg steht.
Die ganze Geschichte ist jugendfrei aufbereitet und wird mit einem frechen Augenzwinkern erzählt. Heiter und fröhlich entwickeln sich die Abenteuer des kleinen Thor, auch wenn man doch die Bedrohung spürt, die sich hinter seinem Rücken zusammen braut.
Zwar ist die Handlung insgesamt sehr geradlinig und bietet folglich für ältere Leser keine Überraschung, aber das wird durch die liebevolle und verspielte Erzählweise wieder wettgemacht. Dazu passen die klaren, eigenwilligen Zeichnungen, die den Lausbub-Charakter des Helden und der Geschichte noch besser hervorheben.
Das macht „Kleiner Thor” zu einem Comic, den man einerseits auch schon Jüngeren bedenkenlos in die Hände drücken kann und an dem man andererseits auch selbst Spaß zu haben vermag. Denn der Band gibt durchaus viel von der Atmosphäre nordischer Sagas und den Abenteuern, die wir selbst in der Kindheit durch Astrid Lindgren und vergleichbare Autoren kennen gelernt haben, wieder.