Coco Zamis 15
Uwe Voehl
Die Totenmesse
Umschlagillustration: Werner Öckl
Zaubermond Verlag, 2007, Hardcover, 352 Seiten, 18,95 EUR
Von Carsten Kuhr
Nach wie vor ist Wien von den Landkarten der Welt verschwunden, die ehemaligen Bewohner der österreichischen Metropole sind durch den Zauber der Gorgone versteinert.
Mittlerweile aber rumort es unter den Mitgliedern der Schwarzen Familie. Asmodi, der zunächst triumphierte, schaltete doch sein Plan die mächtige Zamis-Sippe aus, gerät unter Druck. Zu viele Dämonen sind versteinert, ein wichtiges Machtzentrum und eine Nahrungsquelle verschwunden.
Eine der wenigen, der die Flucht gelang, ist Coco Zamis. Nach einem Zwischenaufenthalt im zaristischen Russland der Vergangenheit, bei der sie nicht nur ihrem damals jungen Vater sondern auch ihrem Großvater begegnete, ist Coco wieder nach Frankfurt zurückgekehrt. Doch ihre Rückkehr führt nicht nur zur Vernichtung des gläsernen Kubus’, der die Zeitreise erst ermöglichte, sondern sie hat auch einen Passagier im Gepäck. Ihr zauberkundige Großvater Dorghai Zamis hat sich seiner Enkelin angeschlossen. Man kann sich vorstellen, wie der in Sibirien ungezügelt seine Macht auslebende Egoist auf die moderne Welt mit tiefen Dekolletees, hauteng geschnittenen Oberteilen und Miniröcken reagiert. Das gibt Ärger, doch davon hat Coco auch ohne ihren Lustmolch schon genug. Asmodi beauftragt Ambrosium Seth, Jagd auf Coco zu machen und dabei alle Mittel auszuschöpfen. Nur dem tatkräftigen Eingreifen Dorghais ist es zu verdanken, dass die Anschläge zunächst scheitern. Nachdem ihr Plan, einen Splitter des Tunguska-Meteors in ihren Besitz zu bringen gescheitert ist, führt die Spur sie in die ehemalige österreichische Hauptstadt.
Statt eines versteinerten Molochs aber empfängt sie eine Metropole, in der das dämonische Leben pulsiert. Statt im Verborgenen produzieren sich die Mitglieder der Schwarzen Familie in aller Öffentlichkeit, unterdrücken und quälen die Menschen. Ist der Bann der Gorgone wirklich gebrochen, oder befindet sich Coco erneut in einem Paralleluniversum?
Uwe Vöhl zeichnet diesmal allein für diesen dreigeteilten Roman verantwortlich. In einer Handlung, die mit viel Tempo abläuft, präsentiert er uns eine Coco, der die Zeit davonläuft, die gestresst ist, durch ihren zwar mächtigen, aber auch nervigen Großvater und die von den Schergen Asmodis gnadenlos gejagt wird.
Entsprechend ist die Laune unserer Lieblingshexe ziemlich am Boden. Als sie dann einen charismatischen Mann kennen lernt, wäre sie einem Abenteuer oder mehr nicht abgeneigt.
Allein, verfolgt, ohne eine Schulter an die sie sich auch einmal anlehnen kann, wäre sie für einer Verschnaufpause dankbar. Doch auch hier gibt es keine Ruhe, muss sie alle Hoffnung fahren lassen. Zu viele Jäger sind des Hasen Tod, heißt es so treffend, und so bleibt ihr nur die Flucht nach vorne. Verfolgt von Dämonen, in Paralleluniversen gelockt, gefesselt und gemartert zeigt sich hier eine Coco, die einmal nicht triumphiert, die eher Wild als Jägerin ist. Diese Grundhaltung hat Uwe Vöhl sehr anschaulich eingefangen. Unauffällig zwar, aber in Nebensätzen immer merkbar portraitiert er eine Coco, die sich auf eine Grenze zu bewegt.
Noch ist sie ihrer Familie verpflichtet, hat keinen Dorian Hunter, der sie stützt, der als unterstützende Kraft im Hintergrund zumindest präsent ist, auch wenn er gar nicht eingreifen muss. Die innere Einsamkeit, der Versuch ihre Familie, die sie immer wieder gängelt und unter Druck setzt, der sie aber nach wie vor verpflichtet ist und der sie sich zugehörig fühlt wird im Verlauf des Romans immer deutlicher. Sie hat kaum mehr die Kraft gegen Grausamkeiten der Schwarzen Familie aufzubegehren, in der Auseinandersetzung mit Asmodi scheint sie chancenlos. So erwartet den Leser neben all den packend und rasant geschilderten Verfolgungsjagden und den perfiden Fallen, die Vöhl unserer Hexe in den Weg stellt, vor allem eine Charakterstudie, die der Figur Coco neue Tiefen hinzufügt. Deutlich wird die Loslösung vom Zamis-Clan, ja von der Schwarzen Familie vorbereitet, und der Zyklus um die Versteinerung Wiens zu einem letztlich überraschenden Ende geführt.
Besonders angetan haben es mir auch in diesem Band wieder die Passagen, die in der Vergangenheit angesiedelt wurden. Die Welt des zaristischen Russlands, die Darstellung des mysteriösen Rasputins, der Beginn des 1. Weltkriegs sind atmosphärisch dicht, spannend aufbereitet und fundiert recherchiert, so dass diese Kapitel für mich zu den absoluten Highlights des Bandes, ja der „Coco“-Subreihe insgesamt zählen.