|
Sage, Angie: Physic- Septimus Heap 3 (Buch)
Angie Sage
Physic
Septimus Heap 3
(Physik)
Aus dem Englischen übersetzt von Reiner Pfeiderer
Illustrationen von Mark Zug
dtv Verlag, 2009 Taschenbuch, 471 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-423-62431-2
Von Carsten Kuhr
Septimus Heap ist schon mit einem Schicksal geschlagen, das außergewöhnlich ist. Als siebter Sohn eines siebten Sohnes liegt ihm die Magie im Blut, und eine goldene Zukunft scheint ihm gewiss.
Bislang allerdings, hat dies nicht immer dazu führt, dass er unbeschwert in seinem luxuriösen Zimmer nächtigen und sich an der Tafel der Prinzessin den Wanst voll schlagen kann. Oh nein, stattdessen suchen Magier, Alchemisten, Geister und Drachen seine Nähe und verlangen, mehr oder minder energisch, seine tatkräftige Hilfe, ob er dies nun will oder nicht.
Nachdem er in den ersten beiden Bänden schon so manches gefährliche Abenteuer überstehen musste, verfolgt ihn diesmal eine leibhaftige Königin.
Nur, ganz so leibhaftig ist Etheldredda nun auch nicht, immerhin ertrank sie vor rund 500 Jahren im Burggraben, doch ihr Geist geht um. Nun wäre auch das noch nichts wirklich Ungewöhnliches, in und um die Burg verkehren eine Menge Geister, spielen Schach, treffen sich in der Kneipe zum „Loch in der Wand“ oder schlafen in den gemütlichsten Sesseln der Burg vor sich hin, doch die keifende, bösartige und machtbesessene Etheldredda kann etwas, das Geister normalerweise nicht können. Dank eines alchemistischen Tranks vermag sie auch als Geist in die physische Welt einzugreifen. Nachdem das Siegel, das sie und ihr affenähnliches Getier Aie-Aie in ein Gemälde bannte gebrochen wurde, treibt sie ihren perfiden Plan voran – sie will anstelle der Prinzessin Jenna wieder Königin werden, eine unsterbliche, tyrannische Königin, und ihre Chancen stehen nicht schlecht.
Eine tödliche Seuche sucht die Stadt rund um die Burg heim, keiner ahnt, dass Etheldredda wieder ihre gichtgeplagten Krallen nach der Macht ausstreckt, und auch vor Verwandtenmord nicht zurückschreckt.
Wer außer Septimus kann sich ihr in den Weg stellen? Nur, dass der Lehrling der Außergewöhnlichen Zauberin ganz andere Probleme hat. Durch einen magischen Spiegel wurde er in der Zeit zurückversetzt – in die Epoche, in der Etheldredda leibhaftig geherrscht, und ihre Untertanen tyrannisiert hat. Als siebter Sohn eines siebten Sohnes – hatten wir das Thema nicht schon einmal ? – soll er dem Sohnemann der Königin, einem veritablen Alchemisten, helfen, das Unsterblichkeitselixier zusammenzubrauen. Gestrandet in der Zeit wird er als Lehrling des Alchemisten zwangsrekrutiert und muss ohne Chance auf eine Flucht zurück in seine Ära seinen Frondienst ableisten. Es gilt, Blei in Gold zu verwandeln, Heiltränke zu brauen, Gegengifte zu erforschen, doch unser Held ist mit dem Kopf nicht so recht bei der Sache. Er will nur zwischen den beiden gigantischen massivgoldenen „Türen der Zeit“ hindurch, aber sein Lehrmeister hütet den Schlüssel wie seinen Augapfel.
Doch wie heißt es so schön, wozu sind gute Freunde da? Prinzessin Jenna, Septimus’ Bruder Nicko, die Nordlandhändlerin Snorrie und der Drache Feuerspei machen sich durch einen der magischen Spiegel auf in die Vergangenheit um ihren Freund zu retten – und geraten vom Regen in die Traufe ...
Was macht eine junge Autorin, die eine Fantasy-Trilogie zu schreiben beabsichtigt? Richtig, sie sucht sich einen umtriebigen Verlag, setzt sich vor ihren Computer, haut in die Tasten und lässt sich ein munteres Abenteuer einfallen. Nicht zu viel Neues darf es beinhalten, ein gewisser Wiedererkennungswert sollte für die „Potter“- und „Herr der Ringe“-Leserschaft schon vorhanden sein, ohne dass aber zu große Ähnlichkeiten mit dem Original auftreten sollten. Das Ganze dann wohl im außergewöhnlichen Kleid einer hervorhebenden Buchgestaltung verpackt, mit einem munteren Stil verfasst, eine Prise Humor und eine beginnende Liebelei, dazu reichlich Geheimnisse und Gefahren für unseren sympathischen, ein wenig tollpatischen Helden und fertig ist der Bestseller.
Und, da sich die Bücher nicht nur im Vereinigten Königreich verkaufen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln, das Bankkonto der Autorin immer weiteren Zuwachs bekommt, wird die Trilogie schnell in einer Serie ohne definiertes Ende umgewandelt.
Nun könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Romane Angie Sages simple Plagiate seien.
Weit gefehlt! Mit einem Gespür dafür, was geht, hat die Autorin immer im rechten Moment ihrer Handlung eine unerwartete Wendung gegeben, wartet mit überraschenden Offenbarungen und Einfällen auf, die auch erfahrene Fantasykenner verblüffen. Immer mehr löst sie sich von Vorbildern, haucht ihrer Welt durch liebgewonnene Figuren, aber auch kleine,, putzige Details Leben ein. Nutzte sie in den ersten beiden Romanen die Umgebung der Burg als phantastischen Handlungsort – die Sümpfe und Moore, die tiefen Wälder mit ihren phantastischen Bewohnern, so konzentriert sie sich diesmal ganz auf die Burg.
Wer nun aber erwartet, in dunkle Verliese, Geheimgänge voller Spinnweben oder Folterkeller entführt zu werden, der sieht sich getäuscht. Stattdessen gibt es Festsäle, vor Aktivität überbrodelnde Küchen und zugige Stuben. Nein, nicht die Burg und deren Anlage, noch nicht einmal die überall auftauchenden Geister stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit, die einstige Herrscherin Etheldredda beherrscht das Geschehen scheinbar mühelos. Als zutiefst böse Person gezeichnet – Zwischentöne sucht man bei ihr, ganz im Gegensatz zu ihrem forschungsverliebten Sohn, vergebens – fesselt sie gerade wegen ihrer finsteren Ausstrahlung. An ihr kann sich der Leser reiben, ihr gönnt er jede auch noch so kleine Schmach oder Niederlage.
Dass Sage nicht eine schlichte schwarz-weiß Zeichnung vorlegt, beweisen die anderen Personen. So manches Mal ist man versucht, den Helden zuzurufen, doch nicht diese Dummheit zu begehen, nicht in die wirklich offensichtlich und vorhersehbare Falle zu laufen, oder empfindet fast schon Verständnis, wenn nicht Mitleid mit Marcellus Pye, dem Alchemisten. Dieser vom Forschungsdrang getriebener Wissenschaftler, der ebenso viel Gutes wie Verdammenswürdiges schafft, wird als ambivalente Person dargestellt. Trotz seiner Genialität erleidet er eine Niederlage, erweist sich aber in dieser als großherzig und weitsichtig.
Wie jedes gutes Jugendbuch kann man dieses Werk als simplen Abenteuerroman lesen. Man wird spannend, kurzweilig und angereichert durch spritzige Dialoge lustig unterhalten.
Wenn man sich aber tiefer auf das Geschehen und die Personen einlässt, so findet man hier so manche Anregung zum Mit-, Nach- und Weiterdenken.
hinzugefügt: September 15th 2007 Tester: Carsten Kuhr Punkte: zugehöriger Link: Hanser Verlag Hits: 2715 Sprache: catala
[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ] |
|