George R. R. Martin
Der Heckenritter
(George R. R. Martins The Hedge Knight, 2006)
Aus dem Englischen von Kerstin Fricke
Titelillustration und Zeichnungen von Mike S. Miller
Panini, 2007, Paperback mit Klappenbroschur, 160 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86607-482-8
Von Christel Scheja
Bevor „A Game of Thrones”, der erste Band seiner Saga „A Song of Ice and Fire”, 1996 erschien, war George R. R. Martin ein eher unbedeutender SF-Autor.
Das änderte sich mit „Die Herren von Winterfell”. Bald schon wurde der Zyklus „Ein Lied von Eis und Feuer” zu einem Geheimtipp unter den Lesern, die es einerseits zwar episch wie beim „Herrn der Ringe”, andererseits aber auch so handfest wie bei „Conan” mochten.
Nicht Magie, Mythen oder große Schicksale standen im Vordergrund sondern Intrigen und das, was mutige Männer und Frauen mit ihrem Verstand und ihren Fähigkeiten erreichen konnten.
Neben den sehr dicken Romanen entstanden aber auch Geschichten für Anthologien, die zeitlich in einer etwas früheren Epoche angesiedelt sind. Die Novelle „Der Heckenritter” ist nur der Auftakt zu einer Sammlung um die Helden Egg und Dunk, die als Knappe und fahrender Ritter einiges an Abenteuer im Schatten großer Herren erleben.
Genau diese Erzählung wurde in eine epische Graphic Novel umgesetzt, die nun auch in Deutschland erschienen ist.
Eigentlich ist Dunk ganz zufrieden damit, nur ein Knappe zu sein und im Schatten seines Herrn zu stehen. Doch als Ser Arlan eines Nachts überraschend stirbt, muss er sich den Realitäten stellen.
Entweder sucht er sich einen neuen Herrn und kann es schlechter treffen, oder aber er gibt sich selbst als Ritter aus und versucht sein Glück auf dem Turnier von Ashford. Denn wenn er sich erst einmal einen Namen als Heckenritter gemacht hat, wird niemand mehr seine Ernennung anzweifeln, und so kann er seinen verschiedenen Herrn vielleicht am besten würdigen.
Dunk wählt schließlich die zweite Möglichkeit und legt seine frühere Existenz ab. Als Ser Duncan der Große kehrt er in einer Taverne ein. Dort schließt sich ihm ein kahlköpfiger Junge an, der darauf besteht, sein Knappe zu werden. Dunk wehrt ihn zunächst ab, der Junge bleibt aber hartnäckig, wie sich in Ashford erweist.
Dort herrscht bereits ein buntes Treiben. Mit dem einfachen Volk sind auch zahlreiche Angehörige des Adels gekommen. Neben vielen Rittern sind auch Prinzen von hohem Geblüt und Angehörige des Königshauses anwesend, von denen manche sehr deutlich zeigen, was sie von Angehörigen niederen Standes halten - wie etwa Prinz Aerion Tagaryn.
Dunk merkt sehr schnell, dass es gar nicht so einfach für einen unbekannten Ritter ist, anerkannt zu werden. Er benötigt einen Ritter, der ihn bestätigt, und auch wenn der ein oder andere anwesend ist, dem Arlan einst diente, so zeigt sich doch nicht jeder bereit, für ihn zu bürgen.
Ihm bleibt nicht verborgen, wie viele Intrigen hinter den Kulissen gesponnen werden. Zwar versucht er, sich aus jeglichen Verschwörungen heraus zu halten, aber schon bald ist er, ohne es zu wollen, der Mittelpunkt eines hinterhältigen Ränkespiels.
Als Prinz Aerion die Puppenspielerin Tanselle misshandelt, mit der sich Dunk inzwischen angefreundet hat, greift der junge Mann, ohne nachzudenken, ein, nachdem ihn sein Knappe gerufen hat. Er schlägt den arroganten Königssohn nieder und wird von dessen Wachen niedergeknüppelt.
Nun zeigt sich, dass der kahlköpfige Junge mehr ist, als er zu sein scheint. Auch er ist ein königlicher Prinz: Aegon, der jüngere Bruder Aerions.
Er verhindert Dunks sofortige Hinrichtung oder Verstümmlung und ermöglicht es dem jungen Ritter, von seinem Onkel angehört zu werden. Und so wird die Strafe in ein Gottesurteil umgewandelt.
Jeweils sieben Ritter sollen miteinander kämpfen, um dem Gesetz Recht zu verschaffen. Doch wer ist bereit, sich auf die Seite eines unbedeutenden Namenlosen zu stellen, der nur so gehandelt hat, wie es ihm seine ritterliche Erziehung und seine Ehre geboten hat? Gibt es noch Männer, die diese Tugenden mehr würdigen als das Geburtsrecht?
„Der Heckenritter” erinnert in seiner Konzeption eher an einen historischen als einen Fantasy-Roman, denn es gibt so gut wie keine phantastischen Elemente. Man fühlt sich geradezu in die Zeit des späten europäischen Mittelalters versetzt, in der hochrangige Adelsfamilien ihre Macht zu sichern und zu erweitern versuchten und von einer Einheit unter dem Banner eines Königs nicht viel zu merken war.
George R. R. Martin konzentriert sich auf die Menschen und spinnt die Intrigen nur im Hintergrund. Das ist zwar nicht ganz so ausgefeilt wie in den Romanen, aber dennoch vorhanden, so dass man mit den Figuren sehr schnell warm wird.
Die Helden und Schurken sind weit davon entfernt, Archetypen zu sein, sie haben Stärken und Schwächen wie jeder normale Mensch und werden dadurch glaubwürdig und lebendig.
Abenteuer und Action kommen dabei nicht zu kurz. Wie hart und teuer das Leben sein kann, bekommt Dunk zu spüren, der sehr schnell merkt, dass das Dasein eines Ritters doch nicht ganz so einfach ist, wie er dachte. Er muss sich immer wieder Herausforderungen stellen, denen er früher immer entgangen ist. Dementsprechend leicht gerät er in die eine oder andere Falle, was die Geschichte umso reizvoller macht.
Gelungen sind auch die aufwendigen Zeichnungen von Mike S. Miller, die nicht nur die Figuren, sondern auch die Atmosphäre der Novelle lebendig und stimmungsvoll wiedergeben. Die Illustrationen sind sorgfältig erstellt und ausgereift, es gibt keine stilistischen Ausreißer, und man kann in vielfältigen Details schwelgen, wenn nicht gar ganz in die mittelalterliche Ritterwelt eintauchen.
„Der Heckenritter” bietet eine spannende und vielschichtige Handlung in qualitativ hochwertigen Bildern, die mit jeder preisgekrönten francobelgischen Reihe mithalten kann. Für Fantasy-Fans ist es kein Problem, die Geschichte zu verstehen, auch wenn sie sonst nichts aus der Saga um „Ein Lied von Eis und Feuer” kennen.
Der Erwerb der Graphic Novel ist nicht nur für passionierte Comic-Leser ein Muss, schenkt sie doch für einen mehr als angemessenen Preis ein unterhaltsames Lesevergnügen, das man sich wirklich nicht entgehen lassen sollte.