Killerlady
China/Südkorea 2006, Regie: Jo Jin-kyoo, mit Shu Qi,Jo Hee-bong, Hyeong Yeong, Ken Lo u.a.
Von Thomas Harbach
Unter dem Titel „Killerlady“ erscheint jetzt bei Splendid der dritte Teil der „My Wife is a Gangster“-Serie in Deutschland auf DVD. Die ersten beiden Teile sind bei E-M-S unter dem englischen Titel erschienen. In Hongkong ist der Film ebenfalls unter „My Wife is a Gangster“ mit der „3“ hinter dem Titel erschienen.
Handlungstechnisch hat diese Fortsetzung nichts mit den ersten beiden Filmen der Serie zu tun. Mit der Rückkehr des ursprünglichen Regisseurs hat sich das Team auch bemüht, eine gänzlich neue Geschichte zu erzählen. Streng genommen könnte es sich um ein Prequel handeln, denn erst am Ende des Films wird aus der Bekannten und Freundin die Gangsterehefrau. Das liegt aber nur in der Tatsache begründet, dass Aryoung beide Hände voll zutun hat, in Hongkong potentielle Feinde ihres Vaters zu töten.
Die Tochter des Triadenbosses Lim (gespielt von der Shaw Brothers-Legende Ti Lung), Aryoung (Shu Qi), wird von ihrem Vater von Hongkong ins benachbarte Korea geschickt, um dort bei einem befreundeten Gangsterboss gesicherten Unterschlupf zu finden und somit dem in Hongkong herrschenden Bandenkrieg zu entkommen. Sie hat sich nicht um die Regeln der ehrenwerten Gesellschaft gekümmert und kaltblütig in der Anfangssequenz einen Rivalen ihres Vaters kurzerhand selbst ausgeschaltet. In Korea eingetroffen, wird sie von dem tollpatschigen Ki-chul (Lee Bum-soo) und seinen zwei Handlangern in Empfang genommen, die Aryoung nicht einen Moment aus den Augen lassen sollen. Sie sehen in der schönen jungen Frau ein verwöhntes Mädchen und versuchen ihr zu imponieren. Aryoung betrachtet das Spiel der Westentaschenmachos eher amüsiert. Zwischen ihnen steht eine überforderte Übersetzerin, die um ihr Leben zitternd die Gespräche zwischen Lim und Aryoung immer wieder abmildert, bzw. in ihrem Sinne falsch übersetzt.
Dieser Running Gag ist allerdings nur auf der Originalspur wirklich lustig; da in der deutschen Fassung alle Charaktere deutsch Sprache sprechen, gehen die auf der Kommunikation der Figuren basierenden Witze ins Leere.
Allerdings droht Aryoungs Vergangenheit sie einzuholen, als ihr eine hübsche Frau mit zwei Helfern nach Südkorea hinterhergeschickt wird. In einer Hommage an den amerikanischen „Witness“ bedrohen sie Aryoung ausgerechnet bei Ki-Chuls Eltern, die in einem kleinen Fischerdorf in der Provinz leben. Auch wenn sie grundverschieden sind, sind sich Lim und Aryoung nicht zuletzt nach einer rasanten Autofahrt näher gekommen. Allerdings hat sie noch eine weitere Aufgabe in Hongkong zu erledigen, nicht alle Feinde ihres Vaters sind schon besiegt worden.
Das Cover versucht den Film als asiatische Antwort auf „Kill Bill“ zu verkaufen. Auch wenn die Kampfszenen insbesondere zu Beginn und am Ende des Films eindrucksvoll theatralisch sind, könnte die Wahrheit nicht entfernter sein. In erster Linie ist „Killerlady“ eine Komödie. Der Film ist auf keinen Fall mit der Originalserie zu vergleichen. Ja nach dem Standpunkt des Betrachters kann das ein Segen oder ein Fluch sein. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Rolle in „Transporter“ ist die hübsche Shu Qi inzwischen ein über die Grenzen der Kronkolonie bekannter Star. Leider macht die Rolle aus der Prämisse zu wenig.
Zu den amüsantesten Szenen gehört die erste Begegnung zwischen Ki-Chul und Aryoung am Flughafen. Natürlich hat Ki-Chul nicht gewusst, dass er eine junge Frau abholen sollte. Erst ist er überrascht, dann verärgert, während Aryoung ihrer Miene nach die Trottel nicht mehr lange ertragen wird. Im Versteck selbst beschränkt sich ihre Rolle auf den gelangweilten Hausgast, der seine feinere Herkunft an einigen Stellen deutlich herausstellt. Sie versteckt in der ersten Hälfte des Films ihre überlegenden Martial Arts-Künste. Ihre Figur ist zu eindimensional gezeichnet, als dass sie wirklich die Aufmerksamkeit der Zuschauer fesseln kann. Im Vergleich zu Eun-Jin aus den ersten beiden „My Wife is a Gangster“-Werken wirkt sie nicht brutal oder explosiv. Dabei hat der Zuschauer sie zu Beginn des Films kämpfen sehen. Hier wäre es sinnvoller gewesen, der Figur mehr unterbewusste Situationen auf den hübschen Leib zu schreiben und ihr vor allem adäquate Protagonisten an die Seite zu stellen. Beom-Su Lee spielt den Babysitterwestentaschengangster Ki-Chul. Sein Aussehen erinnert an einen vergessenen Heavy Metal–Fanatiker mit der entsprechenden David Bowie„Labyrinth“-Figur, aber nicht an einen Gangster. Das wird besonders deutlich, wenn er seinem Chef Bericht erstatten muss. Alle anderen Helfershelfer tragen dunkle Anzüge, während Ki-Chul in einem weißen, zerknitterten Anzug durch die Gegend läuft und den großen Macho markiert. Es wäre sinnvoller gewesen, Ki-Chul nicht nur als armen Trottel – Originalton Aryoung – zu charakterisieren, sondern seiner Figur mehr Tiefe zu geben. In den Slapstick artigen Humorszenen kann er noch überzeugen, die romantische Chemie zwischen Aryoung und ihm stimmt überhaupt nicht.
Das Ende leidet vor allem unter dieser fehlenden Abstimmung, auch wenn es gut inszeniert worden ist. Die chinesische Übersetzerin, Yoen-Hee, ist die verlorene Rolle in der deutschen Fassung. Sie erkennt schnell nach ihrer Anstellung, dass ihre Auftraggeber Gangster sind und versucht, die aus ihrer Sicht naive hübsche Aryoung von diesem Fakt zu überzeugen und sie zur Flucht zu überreden. Dabei ist sie in ihrer Loyalität letztendlich flexibel. Zu Beginn versucht sie mit ihren freien Übersetzungen Aryoung zu schützen, als sie erkennt, dass diese mit ihren außerordentlichen Kung Fu-Fähigkeiten den dummen Triadenmitgliedern haushoch überlegen ist, versucht sie die Gangster vor ihr zu schützen. Einige der Situationen sind selbst in der deutschen Fassung lustig. Diese Lost-in-Translation-Facette des Films wird vom Regisseur Jo Kin-Kyoo sehr ausgiebig gespielt. Dabei zieht er den kaum vorhandenen Plot vor allem in der ersten Hälfte des Films unnötig in die Länge. Die Zuschauer warten auf Aryoungs nächsten Kampf, während Kin-Kyoo immer noch darstellt, dass die Protagonisten sich nicht direkt unterhalten können. In einigen Szenen unterminiert er diese Prämisse auf eine teilweise spektakuläre Art und Weise.
Am Drehbuch haben immerhin sieben Autoren mitgeschrieben und ihre Unentschlossenheit, einen wirklich aufregenden Zwitter zwischen Gangsterfilm und Komödie zusammenstellen, zeigt sich leider auch stellenweise in den so genannten Actionpassagen. Nach einem sehr guten Auftakt gibt es nur noch drei Kampfsequenzen. Einmal muss Aryoung ihre neuen „Freunde“ aus der Hand einer lokalen Gangsterorganisation befreien, die nicht glauben kann, dass eine Frau einen der ihren verprügelt hat. Hier funktioniert die Mischung aus Humor und Kampfkunst noch am besten, da Aryoung nicht nur die Gegner, sondern auch die eigenen Leute von ihrer eiskalten Überlegenheit überzeugen muss. Die einzige Figur, die ihr wahres Ich in dieser Situation erkennt, ist die Übersetzerin. Am Ende des Films stehen zwei Kampfsequenzen. Sie nehmen im Grunde die letzten fünfzehn Minuten des Films ein. Einmal in Südkroea, wo sich Aryoung den ihr nachgeschickten Häschern stellen muss. Der Einsatz des Pizzaboten ist köstlich und eine visuelle Überraschung. Der Kampf an sich, Frau gegen Frau – nur eine Frau kann ihr im Grunde ebenbürtig sein – ist gut inszeniert worden, allerdings erwartet der Zuschauer hier eine deutliche Steigerung gegenüber den Auftaktsequenzen und diese findet nicht statt. Das liegt sicherlich auch an der Tatsache, dass handlungstechnisch der Film zu einer klassischen Rächerstory degeneriert. Der letzte Kampf wieder in Hongkong beginnt mit einer überdeutlichen Hommage an „Kill Bill“. Dieses Mal ist es die „Braut“, welche die Hochzeit des Schurken stört. Die anschließende Verfolgungsjagd ist in Bezug auf Aryoungs Bewegungsablauf am überzeugendsten. Kin- Kyoo nutzt ihre natürliche Agilität deutlich besser, als im Auftaktkampf, in dem bei genauen Hinsehen das männliche Double in einigen Szenen sehr gut zu erkennen ist. Sowohl der Auftakt- als auch der Endkampf spielen in Hongkong und hier gelingt es dem Regisseur, die tragische Melancholie der asiatischen Gangsterballaden in unser Jahrtausend zu übertragen. Die stimmungsvolle Musik, eine gute Abfolge von Zeitlupe und beschleunigter Aufnahme, rasante Schnitte, viel Blut, eine Orgie der Gewalt. Für Kung Fu-Fans kommen diese Szenen zu spät und sind zu schnell vorüber.
Im Vergleich dazu sind die in Korea spielenden Szenen lustiger, aber nicht immer unterhaltsamer. Kin–Kyoo muss hier auf zu viele Figuren zurückgreifen, deren Hauptbeschäftigung das Dumm-Rumstehen und Grimassen schneiden ist. Sie wirken nicht nur nicht gefährlich, sondern teilweise idiotisch. Hätte sich das Drehbuch auf ein oder zwei dieser Inkarnation des flachen Humors konzentriert und einige andere, gefährliche Protagonisten drum herum platziert, wären die Szenen effektiver und vor allem abwechselungsreicher gewesen. Shu Qi schaut abwechselnd frustriert gelangweilt und dann schneidet sie Grimassen. Sie nimmt aber buchstäblich am Geschehen nicht teil und ihre Metamorphose von der arroganten Gangstertochter zur Helferin wird im Drehbuch dem Zufall überlassen. Gute Situationskomödien funktionieren weniger über die oft vorhersehbare Handlung, sondern über sympathische Figuren in außergewöhnlichen Lagen. Die Ansätze sind vorhanden, die Karten werden aber selten wirklich überzeugend und effektiv ausgespielt.
Wer einen weiteren Film in der Qualität von „My Wife is a Gangster“ erwartet, wird sicherlich enttäuscht. Die Grundprämisse ist vorhanden, aber dem Film fehlt die innere Dynamik, das aufs Messers Schneide stehen und vor allem wird Aryoung weniger mit in den ersten beiden Teilen wichtigen Entscheidungssituationen konfrontiert. Mit einer Laufzeit von knappen neunzig Minuten hätte er deutlicher und vor allem pointierter seine Stärken ausspielen können, so wirken einige Szenen gedehnt und manchmal unnötig langweilig. Die Inszenierung der Actionsequenzen und der teilweise kindische, aber unterhaltsame visuelle Humor machen aus „Killerlady“ zumindest routinierte das Hirn schonende Unterhaltung.
Splendid hat den Film im Rahmen seiner Gold-Edition als Doppel DVD veröffentlicht. Auf der Bonus-DVD ist eine Reihe von ansehenswerten Features. Während das Making Of mit fast einer halben Stunde Lauflänge zwar zeitlich überzeugen kann, aber in seinem Gehalt eher an der Oberfläche bleibt, sind die Special Effects und Behind the Scenes-Szenen eindeutig zu kurz. Sehr schön ist das ebenfalls kurze, aber unterhaltenswerte Feature „HK lernen Koreanisch“, auf der mangelnden verbalen Verständigung basieren ja eine Reihe der Witze des Films. Die „Outtakes“ und die „Deleted Scenes“ sind in zwei verschiedenen Sparten untergebracht, wobei insbesondere zusätzlich der Epilog auf der DVD ein sehenswertes Feature ist. Die Outtakes sind eher belustigend. Die Beiträge werden durch die Pressekonferenz und das Fotoshooting gut ergänzt. Alles in allem gehört die Bonus-DVD zu den besseren Ergänzungen und lohnt die Mehrausgabe für die auf 3000 Exemplare begrenzte Limited Gold Edition Veröffentlichung.
Das Bild dieses anamorphe 2,35:1-Transfers ist sehr klar und scharf. Die Farben sind überzeugend naturalistisch und sehr gut aufeinander abgestimmt. In einigen Szenen ist der Kontrast zwischen schwarz und weiß vor einem farbenfrohen von rot und blau Tönen durchsetzten Hintergrund elementar und diese Tests übersteht die DVD glänzend. Zwei Tonspuren in Dolby Digital 5.1 zieren die DVDs. Beide Spuren sind empfehlenswert, die Mischung zwischen Hintergrundgeräuschen und den elementaren Dialogen ist stimmig. Die deutsche Synchronisation ist aufgrund guter Sprecher akzeptabel, wenn auch die Originalspur mit den gut lesbaren Untertiteln zu bevorzugen ist.
DVD-Facts:
Bild: 2,35:1 (anamorph, 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, kantonesisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch
DVD-Extras:
Deleted Scenes, Making of, Featurettes