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Williams, Tad: Das Spiel - Shadowmarch 2 (Buch)
Tad Williams
Das Spiel
Shadowmarch 2
(Shadowplay)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann
Klett-Cotta, 2007, Hardcover, 815 Seiten, 26,50 EUR, ISBN 978-3-608-93718-3
Von Carsten Kuhr
Kann es noch schlimmer kommen für die Südmark? Zu Beginn des ersten Teils erfuhren wir, dass Olin Eddon, der König der Südmark, in Gefangenschaft geraten ist, und nur gegen ein beträchtliches, nicht aufzubringendes Lösegeld freigekauft werden kann. Sein ältester Sohn Kendrick, der als Regent eingesetzt ist wird ermordet, dessen Geschwister, die Zwillinge Briony und Barrick, übernehmen die Regierungsgewalt. Damit nicht genug, greifen die den Landstrich früher beherrschenden Quar (eine Art Elfen), nach Jahrhunderten der Ruhe die Südmark erneut an.
Doch nicht nur von außen droht Unbill, auch innerhalb der Feste droht Verrat. Der Clan der Tollys schickt sich an, der verwaisten Thron zu usurpieren, Prinz Barrick führt die Blüte der Ritterschaft gegen die Quar in eine grandiose Niederlage und seine Schwester Briony muss bei Nacht und Nebel aus der Burg fliehen.
Im zweiten Teil der Trilogie berichtet Williams uns vom weiteren Schicksal seiner Charaktere. Briory, die verwöhnte, naseweise und aufmüpfige Prinzessin aus dem ersten Teil, erlebt eine herbe Bauchlandung. Auf ihrer abenteuerlichen Flucht wird sie bedrängt und erneut verraten, lernt eine alternde Halbgöttin kennen und schließt sich einer Schauspieltruppe an, nur um am Ziel ihrer Flucht mit dieser zusammen in den Kerker geworfen zu werden.
Barrick, der unter dem Zauber der Quarkönigin steht, zieht zusammen mit dem früheren Anführer seiner Wache durch das verstörend fremde Land der Elfen. Bedroht von Zauberei, wilden Bestien und dunklen Geheimnissen schließt sich ihnen mit Gyir ein verwundeter Feind an. Doch auch dieser kann nicht verhindern, dass sie von einem Halbgott gefangen genommen werden, der die Tore zum Reich der Toten mit ihrem Blut aufstoßen will.
Währenddessen greift der Autarch mit seinem gigantischen Heer die befestigte Metropole Hierosol, in der König Olin gefangen gehalten wird, an. Noch nie wurden die gigantischen Befestigungswälle der Metropole gebrochen, noch hat keines Invasionssoldaten Fuß die Stadt betreten, doch für alles gibt es ein erste Mal.
Williams flechtet uns erneut einen bunten Strauß voller faszinierender, teilweise ergreifender, dann wieder atemberaubend spannender Geschichten.
Da ist es kaum erwähnenswert, dass die Handlung in der ersten Hälfte des umfangreichen Bandes nur zögerlich vorankommt, dass wirklich wichtige Erkenntnisse weiter auf sich warten lassen. Im Vergleich zum Auftaktband nehmen die Schöpfungen von sonderlichen Völkern wie den Funderlinge oder der Dachlinge deutlich weniger Raum ein, auch die düster-morbide Atmosphäre der Südmarksfeste spielt diesmal kaum eine Rolle.
Stattdessen konzentriert er sich zunächst ganz auf unsere beiden Zwillinge. Abrupt werden beide aus ihrer behüteten Welt der Reichen und Mächtigen gerissen, müssen sich der rauen, oftmals grausamen Realität stellen, oder zugrunde gehen. Briony muss erkennen, dass die religiösen Überzeugungen, die sie durch ihre Kindheit begleitet haben, nur mehr Makulatur sind. In den alten Überlieferungen, in den Märchen, mit denen den Kindern Zucht und Ordnung beigebracht werden, steckt mehr Wahrheit, als je angenommen.
Die alten Götter, sie wurden in die Gefilde des Traumes und des Schlafes vertrieben. Nun, Äonen später rühren sie sich, nehmen Einfluss auf die Realität und drohen, mit ihren unermesslichen Kräften die Welt zu vernichten. So umgänglich, liebreizend und warmherzig Briony auch ist, sie lebte in einem goldenen Käfig, voller Illusionen und Träumen. Dass die Welt anders ist, dass hier das Recht des Stärkeren, oftmals das des Brutaleren regiert, lässt sie sehr schnell erwachsen werden. Ihr grenzenloser Optimismus, ihre Naivität macht einer gewissen Bauernschläue platz.
Ihr Zwillingsbruder Barrick wird, verglichen damit, sehr ambivalent gezeichnet. Als körperlicher Krüppel steht er psychisch am Rande des Wahnsinns. Nur seine Zwillingsschwester hält ihn in der Realität, dämmt seinen zerstörenden Selbsthass ein. Im Verlauf der Reise durch die Schattenlande muss er nicht nur seine Rolle als Prinz überdenken und neu bewerten, er wird auch gezwungen seine abweisende Haltung zu seinen Kameraden zu überdenken, muss Kraft in sich selbst suchen und finden, um nicht endgültig unterzugehen.
Neben diesen beiden führt Williams eine ganze Reihe weiterer Personen und Handlungsschauplätze ein. Neben den Charakteren, die hauptsächlich dazu vorhanden sind die Hauptpersonen schärfer zu zeichnen oder uns bezüglich der Geschehnisse an den unterschiedlichen Handlungsorten auf dem Laufenden zu halten, treten eine ganze Reihe von eigenständigen, in ihrer Ausgestaltung phantasievoll gezeichneten Gestalten auf. Der telepathisch begabte, dafür ohne Mund und Nase auskommende Gyir ist dabei ganz eindeutig die interessanteste Figur. Trotz aller Gegensätze, und obzwar er seine Feindschaft nie überwinden oder leugnen kann, arbeitet dieser mit Prinz Barrick und dem Hauptmann Verras Fansen zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles zusammen. Dabei legt er neben der gewohnten Darstellung des würdevollen, ja überheblichen Verhaltens der Quar auch durchaus ungewöhnliche Charakterzüge an den Tag. Zum einen ist er einer der versiertesten Kämpfer in Diensten der Elfen, ein verlässlicher Untergebener und Spion seiner despotischen Königin. Zum anderen aber sucht er, auch um den Preis seines eigenen Lebens, den drohenden Krieg der Schattenlande gegen die Menschen zu verhindern. Durch ihn und seine Geschichte erhalten wir Hinweise, dass unter der Südmarksburg ein Zugang zum Traumreich der Götter existiert, dass hinter den Gefechten, Intrigen und Verrat ein weitaus größeres Übel darauf wartet, die Welt wie wir sie kennen, zu vernichten.
Des Weiteren ist auffällig, dass der Autor die dunkelhäutigen Bewohner des Reiches Xis als kulturell wie entwicklungstechnisch fortschrittliche Kultur darstellt. Dienen gemeinhin die dunkelhäutigen Völker südlicher Landstriche in Fantasy-Romanen als barbarische Schlagetots, so berichtet Williams uns von einer an Arabien angelehnten Hochkultur, die vieles, was die hellhäutigen Völker zustande gebracht haben, als minderwertig, ja lächerlich erscheinen lässt. Trotz der Abschottung der Frauen, trotz des Zwangs sich zu verschleiern, sind die Frauen gebildete und geachtete Persönlichkeiten.
In dieses, hier nur angerissene Geflecht voller Einzelschicksale, die sich erst im Zusammenwirken zu einem vielschichtigen Bild einer Welt fügen, hat er seine Hinweise auf uralte Götter, dunkle Magie und finstere Intrigen eingefügt. Mit geschickter Hand hat er zum Schluss des Mittelbandes seiner Trilogie zu allen Schicksalen veritable Cliffhanger eingebaut und hält so das Interesse der Leser am abschließenden Band aufrecht.
hinzugefügt: October 10th 2007 Tester: Carsten Kuhr Punkte: zugehöriger Link: Klett-Cotta Verlag Hits: 2794 Sprache: german
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