Canari 2
Die letzte Welle
Didier Crisse & Carlos Meglia
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
(Canari: La dernière vague, 2007)
Splitter-Verlag, 2007, Hardcover, 48 Seiten, 12,80 EUR, ISBN 978-3-939823-19-3
Von Irene Salzmann
Immer wieder zieht es den Surfer Wayne nach Tulum an der Küste Mexikos. Er hofft, dort auf einem Tsunami reiten zu können – obwohl das Meer an dieser Stelle alles andere als ideal für den Sport ist. Seine Freundin Melina und zwei Kameraden sind auch mit von der Partie. Während sich die anderen amüsieren, wird Wayne immer stiller und nachdenklicher. Melina beginnt, sich Sorgen um ihn zu machen.
Als die vier Touristen in einer verborgenen Grotte einen Armreif entdecken, glauben sie, ein wertvolles Artefakt gefunden zu haben und wollen das Stück den Behörden überlassen. Dort wird ihnen jedoch gesagt, es wäre bloß Tand. Immer wieder ist Melina nahe dran, das Schmuckstück übergestreift zu bekommen, doch dann ist es Wayne, der es plötzlich trägt – und sich verändert.
Unterdessen sucht in der Vergangenheit das Maya-Mädchen Canari nach seinem verschollenen Bruder Xaotil. Gemeinsam mit den beiden anderen Geschwistern Kia und Xuma erlebt sie unglaubliche Abenteuer. Ein mutiger, kampferprobter Azteken-Krieger, der gleichfalls nicht mehr den Weg zurück in seine Welt findet, schließt sich dem Trio an, und das ist auch gut so, denn nicht alle, denen sie begegnen, sind ihnen wohl gesonnen.
Als sie Xaotil endlich finden, liegt der Junge bereits auf dem Opferaltar. Kann ihn die Macht von Kias Armreif oder das Eingreifen der Jaguar-Frauen noch retten?
„Canari“ ist ein Fantasy-Manga, der voraussichtlich auf drei Bände angelegt ist. Nachdem im ersten Buch die Charaktere vorgestellt und die Ausgangshandlung festgelegt wurden, in der Canari und ihre Begleiter im Mittelpunkt standen, so verschiebt sich der Fokus nun zunehmend zur Zeitebene von Wayne und seine Freunde.
Das kreative Team hat es geschafft, die Leser gründlich aufs Glatteis zu führen. Man durfte spekulieren, ob es eine Beziehung zwischen den vier Geschwistern und den vier Freunden gibt und welcher Natur diese sein könnte. Die Ähnlichkeit von Melina und Canari ist augenscheinlich, und als auch noch der Armreif in der Gegenwart auftaucht, erwartet man sogleich, dass das Mädchen ihn anlegen und sich als Reinkarnation Canaris entpuppen würde. Doch weit gefehlt! Das Beziehungsgeflecht ist viel komplizierter und sorgt am Ende des Bandes für eine große Überraschung.
Diesmal erfährt man auch, worum es überhaupt geht. Xaotil ist das Bindeglied zwischen den Welten der Menschen und der Götter. Während sich die Priester von dem lenkenden Einfluss der überlegenen Mächte befreien wollen, fürchten die Jaguar-Frauen großes Unheil, wenn die Bande zu den Göttern durchtrennt werden. Canari muss ihren Bruder retten, anderenfalls passiert Schlimmes.
Die beiden Handlungsstränge werden zusammengeführt, und der nächste Band wird vielleicht verraten, ob es ein Happy End für die Beteiligten gibt.
Inzwischen kennt man schon den Zeichenstil von Carlos Meglia, dessen Bilder ein wenig an die Screenshots in den Büchern zu den Disney-Trickfilmen und an Mangas erinnern. Die Figuren sind überzeichnet, aber doch niedlich und im Falle der leicht bekleideten Mädchen ein erfreulicher Anblick für Männeraugen. Der Künstler koloriert die ungetuschten Pencils, was immer wieder für weiche und reizvolle Farbverläufe sorgt. Seine aufwändigen Illustrationen ergänzen gelungen die spritzige, phantasievolle Handlung.
Wer sich mit dem Stil anzufreunden vermag und das Thema schätzt, hat viel Spaß an der Lektüre von „Canari“, vor allem, da nun die Puzzleteile an ihren Platz zu fallen beginnen und man das Gesamtbild langsam erkennen kann.