Spider-Man und die neuen Rächer 1: Ausbruch
Brian Michael Bendis, David Finch, Danny Miki u. a.
(New Avengers 1-6: Breakout!, Part 1-6, 2005)
Aus dem Amerikanischen von Steve Kups
Titelillustration von David Finch
Panini, 2007,Paperback, 148 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-86607-165-0
Von Irene Salzmann
Die unkontrollierten Kräfte der Scarlet Witch brachten für das Team der Avengers das plötzliche Ende. Wer den Kampf überlebte, trug schwere psychische und physische Schäden davon und zog sich mehr oder minder freiwillig zurück. Die Ruinen des ehemaligen HQs wurden nicht wieder aufgebaut.
Als eine groß angelegte Befreiungsaktion von gefährlichen Superschurken, die auf Ryker’s Island inhaftiert waren, gelingt, ist Captain America davon überzeugt, dass die Avengers mehr denn je gebraucht werden, denn nicht nur müssen die Verbrecher wieder eingefangen werden, ein ähnlicher Vorfall kann sich jederzeit wiederholen – mit noch schlimmeren Folgen. Wie schon einmal vor vielen Jahren hat auch in dieser Krise prompt eine Gruppe Helden ganz von selbst zusammengefunden.
Captain America will Iron Man, Spider Woman, Luke Cage und Spider-Man dabei haben. Die Reaktion von Daredevil ist im Gegensatz zu der der anderen verhalten, und Sentry ist ein besonders komplizierter Fall. Die New Avengers formieren sich zunächst ohne diese beiden und beginnen zu recherchieren. Was ist der wahre Grund für die Befreiung der Gefangenen? Wovon sollte abgelenkt werden? Wer steckt hinter der Aktion?
Die Spur führt ins Wilde Land, wo ein offensichtlich illegaler Shield-Einsatz läuft und Iron Man einen weiteren Mitstreiter rekrutiert…
Neben den X-Men gehören die Avengers zweifellos mit zu den beliebtesten Helden-Teams von Marvel. Nicht nur sind hier immer wieder beliebte Charaktere vertreten, die ihre eigenen schon seit Jahrzehnten laufenden Serien haben wie Thor, Captain America und Iron Man, auch andere reizvolle Protagonisten werden regelmäßig getestet, ob sie das Potential für einen Solo-Titel/eine Mini-Serie besitzen wie Hawkeye, She-Hulk oder Moon Knight. In Folge rotiert das Mitglieder-Karussell regelmäßig und sorgt für Abwechslung und Überraschungen. Zuletzt probierte man es mit Figuren, die man früher nicht in dieser Gruppe erwartet hätte, weil sie für ein anderes Team einen wichtigen Eckpfeiler verkörpern oder klassische Einzelgänger mit fragwürdigem Ruf sind wie Spider-Man, Daredevil und Wolverine, deren Mitgliedschaft im Widerspruch zu den bisherigen Richtlinien der sauberen, regierungstreuen und protegierten Avengers steht.
Im Laufe der Zeit hat sich jedoch viel verändert. Die Heroen sind nicht mehr eindimensional gut, das Image der USA und der Regierung wird sehr viel kritischer betrachtet, und die aktuellen weltweiten Geschehnisse haben auch wieder das Bedürfnis nach starken, kompromisslosen Charakteren geweckt, die durchaus gewillt sind, Mittel anzuwenden, die wenigstens fragwürdig scheinen und sich kaum von denen der skrupellosen Verbrecher unterscheiden. Es wird auch kein ehemaliger Schurke oder extremer Patriot weich gespült und passend gemacht, stattdessen ändert man das Team gemäß seiner neuen Mitglieder.
Private Verwicklungen sind im Moment ausgeschlossen, da es lediglich eine Quotenfrau gibt und sich ein Großteil der männlichen Mitglieder in einer glücklichen Beziehung befindet. Von daher darf man für die kommenden Bände jede Menge Action erwarten. Für den Anfang verfügt das Team auch ohne Soap-Einlagen über genug Konfliktpotential, denn Wolverine ist im Gegensatz zu den meisten seiner neuen Gefährten bereit zu töten, was ihm besonders von Captain America zum Vorwurf gemacht wird, und Spider Woman ist nicht nur Agentin von Shield, sondern scheint darüber hinaus weitere dubiose Kontakte zu besitzen. Ob es gelingen wird, die beiden anderen Wunsch-Kandidaten ins Team zu holen und welche Position Shield – ohne Nick Fury - in Zukunft einnehmen wird, bleibt vorerst offen.
Dieser erste Band mit sechs Episoden ist in sich abgeschlossen und bietet ein spannendes und interessantes Abenteuer, das sich immer mehr steigert und neugierig macht auf die weiteren Probleme, denen sich die „New Avengers“ stellen müssen. Es ist nicht erforderlich, die Vorgeschichte zu kennen oder ein regelmäßiger Leser anderer Reihen zu sein, aus denen die hier versammelten Charaktere abgezogen wurden, denn das Wesentliche erklärt sich aus der laufenden Handlung.
Die Fans dürfen sich über eine neue, reizvolle Serie freuen, und auch Gelegenheitslesern wird gute Unterhaltung geboten. Neueinsteiger können austesten, welche weiteren Titel sie gern sammeln würden, denn zumindest Wolverine und Spider-Man haben momentan in Deutschland eigene fortlaufende Reihen.
Die Illustrationen von David Finch („Aphrodite IX“, „Ascension“) sind großartig und können überzeugen. Die Frage ist nur, wie lange der Künstler der neuen Serie treu bleiben wird, denn nichts ist ärgerlicher, als nach einigen Bänden durch einen Wechsel des kreativen Teams einen Qualitäts-Abfall hinnehmen zu müssen. Oft genug werden Titel von Top-Autoren und –Zeichnern gestartet, und nach den Einstands-Episoden übernehmen Newcomer oder Illustratoren, die einen gänzlich anderen Stil haben, der den Geschmack der Leser weniger trifft.
Wie auch immer, „Spider-Man und die neuen Rächer“ #1 ist ein gelungener, viel versprechender Anfang, den man nicht versäumen sollte.