Exodus 21
René Moreau & Heinz Wipperfürth (Hrsg.)
Titelillustration von Michael Gottfried
Innenillustrationen von Michael Gottfried, Andreas Alt, Thomas Franke, Frank G. Gerigk, Thomas Hofmann, Manfred Lafrenz, Mario Moritz, Klaus G. Schimanski, Robert Straumann
Heft, 48 Seiten, 6,00 EUR, ISSN 1860-675X,
Von Christel Scheja
„Exodus“ ist eines der wenigen semiprofessionellen aber unkommerziell produzierten Magazine, die das Massensterben innerhalb der fannischen Presse überlebt haben und dem Druck des Internets und der Kleinverlagsanthologien bisher stand gehalten hat. Das liegt wohl nicht zuletzt an seinem Ruf, der dem Interessierten hochwertige phantastische Graphiken und stilistisch wie auch inhaltlich ungewöhnliche und ausgereifte SF-Geschichten verspricht.
Das halbjährliche Magazin kann bereits auf über zwanzig Ausgaben zurückblicken. Mit der im Juni 2007 erschienenen Nr. 21 wird Heinz Wipperfürth, der in den letzten Jahren bereits die Geschichten und Artikel lektoriert hat, zum Mitherausgeber.
Wieder einmal haben die beiden eine bunte Mischung zusammengestellt. Neben einer Galerie des von „Perry Rhodan“ begeisterten Künstlers Michael Gottfried findet man noch speziell zu den Geschichten gefertigte Illustrationen von Andreas Alt, Thomas Franke, Frank G. Gerigk, Thomas Hofmann, Manfrted Lafrenz, Mario Moritz, Klaus G. Schimanski und Robert Straumann. Auch wenn die Graphiken sehr ansprechend präsentiert werden und mit dem Text zusammen ein stimmiges und atmosphärisches Bild ergeben, so bleiben einem doch die Kurzgeschichten wesentlich mehr im Kopf haften.
Zu den Highlights der insgesamt zwölf Geschichten gehören u. a. „Sternenkinder” von Uwe Vöhl, der auf eindringliche und sehr intelligente Weise zeigt, zu welchen Ergebnissen die Manipulation am menschlichen Erbgut führen kann, wenn man zwar das Beste aus den Genen herauskitzelt, aber die einfachsten Naturgesetze nicht berücksichtigt. Das Recht des Stärkeren siegt auf eine Art und Weise, mit der niemand rechnet - auch der Leser nicht, der langsam und schleichend an die Entwicklung herangeführt wird.
„Wendels Bruder” von Frank Neugebauer: erzählt von zwei Brüdern, die ungleicher nicht sein können. Aber um auch gegen den Willen der übermächtigen Bürokratie nicht getrennt zu werden, kommen sie auf eine riskante Idee mit unabsehbaren Folgen, die auf unaufdringliche und sehr persönliche Weise erzählt wird, was einem die Figuren und ihre Wünsche gegenüber der Staatsmacht sehr nahe bringt.
„Transatlantik-Express” von Armin Möhle: In einer alternativen Realität sind die Kontinente nicht durch regen Flugverkehr, sondern durch eine Hängebrücke und dem darauf fahrenden Dampf betriebenen Zug miteinander verbunden. Und da die Manager des Eisenbahnkonsortiums ihre Vormachtstellung nicht aufgeben wollen, sorgen sie dezent dafür, dass die Unterlagen über gewisse Luftschiffe auch weiterhin in den Archiven vermodern, in denen man sie gefunden hat - was sehr stark an die Erdöl-Lobby erinnert, die auch dafür sorgt, das keine anderen Treibstoffkonzepte aus dem Entwicklungsstadium heraus kommen, obwohl sie viel kostengünstiger und umweltschonender wären.
„Der Messias von Hermeskeil” von Arnold Spree: Wie reagieren Menschen auf den Aussiedler Roglowski, der dazu fähig ist, Wunder zu wirken wie einst Jesus und erstmals auffällt, als er einen der Honoratioren der Stadt namens Hubert Grafunder wieder zum Leben erweckt? Wollen sie nicht auch ihren Anteil an dem Wunder haben und ihrerseits die Gnade göttlicher Segnungen erlangen? Das wird im Stil einer klassischen Anekdote und ganz unspektakulär und deshalb umso wirkungsvoller erzählt.
Aber auch die anderen Geschichten können sich sehen lassen. Sie bieten in Inhalt und Stil genügend Abwechslung, und auch wenn sie sich manchmal klassischer Handlungsmuster bedienen, so wissen sie diese immer noch interessant und spannend zu variieren, so wie Frank Hebben, der in „Nostradamus” die Suche eines Autoren nach der ultimativen Idee für eine Geschichte mittels einer kybernetischen Intelligenz schildert. Doch am Ende muss er wie so oft erkennen, dass das Leben die besten Geschichten schreibt.
Die eine oder andere führt auch schon einmal zu kontroversen Diskussionen, da die Inhalte und deren Umsetzung nicht den Geschmack von jedem Leser treffen dürfte.
Damit wird „Exodus” wieder einmal seinem Ruf gerecht. Keine der Erzählungen ist wirklich schlecht, die Zusammenstellung ist abwechslungsreich und unterhaltsam, so dass jeder Leser seine persönlichen Highlights finden dürfte.
Die Herausgeber verzichten darauf, nur zeit- und gesellschaftskritische düstere Werke zu präsentieren, sondern versuchen, auch dem Humor und der Wissenschaft Raum zu geben. Zusammen mit der ansprechenden Aufmachung erhält man ein Magazin, das sein Geld wert ist und durchaus mit professionellen Publikationen mithalten kann.