Kenneth Oppel
Wolkenpanther
(Airborn)
Aus dem kanadischen Englisch übersetzt von Anja Hansen-Schmidt
Titelillustration Thomas Thiemeyer
Beltz & Gelberg, 2005, Hardcover, 550 Seiten, 16,90 EUR, ISBN 3-407-80941-7
Von Carsten Kuhr
Kenneth Oppel entführt uns in eine Welt, in der gigantische Zeppeline die Lüfte bevölkern, und die Länder miteinander verbinden. Matt, unser Erzähler fährt als Kabinensteward auf der »Aurora«. Schon sein Vater diente als Segelmacher auf der »Aurora«, bevor er in einem Sturm aus dem Luftschiff in den Tod geschleudert wurde. Matt träumt davon, später einmal selbst einen Zeppelin zu steuern, doch ohne Geld und Beziehungen ist ein Aufstieg in den Offiziersrang kaum möglich. Da kommt es gerade recht, dass Matt sich bei der Rettung eines Ballonfahrers auszeichnen konnte. Jetzt, auf der Fahrt Richtung Sydney steht eigentlich die Beförderung zum Segelmacher an, doch dann wird ihm der Sohn des Reeders vorgezogen. Damit nicht genug kommt auch noch Kate, eine junge, hübsche Dame an Bord, die ihren ganz eigenen Kopf hat. Sie will sich nicht mit ihrer Rolle als »Heimchen am Herd« abfinden, sondern auf Abenteuer gehen und wissenschaftlich forschen. Der verstorbene Ballonfahrer hinterließ ihr ein Tagebuch, in der er von einer bis dato unbekannten Spezies berichtet. Die großen Flugwesen sollen in der Luft gebären und auch schlafen. Auf ihrer Route kommt die »Aurora« in die Gegend, in der die Tiere leben sollen. Doch dann überfallen Luftpiraten den Zeppelin, ein Sturm lässt das Luftschiff an einer unbekannten, einsamen und unerforschten Insel stranden. Kate und Matt entdecken nicht nur eines der mysteriösen Wesen auf der Insel, sondern auch das Lager der Piraten. Verfolgt von den Freibeutern gelingt ihnen zunächst die Flucht, nur um dann feststellen zu müssen, dass auch die »Aurora« in der Hand der Freibeuter ist. Um die gefangene Besatzung und die Passagiere zu retten, müssen unsere Helden ihr eigenes Leben riskieren. Hoch in der Luft, auf der Außenhülle des Zeppelins, kommt es dann zum letzten Kampf mit den Piraten.
Oppel legt mit diesem spannenden Roman ein Werk vor, das den Charme eines Jules Verne'schen Abenteuers mit einer glaubhaften Charakterzeichnung verbindet. Neben den markanten Personen der Schiffsbesatzung, der Passagiere, aber auch der differenziert gezeichneten Piraten fesselte mich insbesondere die Darstellung der beiden Hauptpersonen. Die emanzipierte Kate und der aufrichtige, mutige Matt bestechen durch ihre vielschichtige Zeichnung.
Daneben aber weiß insbesondere die Welt der Zeppeline zu faszinieren. In sich glaubwürdig und überzeugend berichtet uns Oppel von einer viktorianisch angehauchten Zivilisation, in der die gemächlich die Lüfte durchschreitenden großen Zigarren mit ihren gediegen ausgestatteten Rauchersalons, Filmtheatern und Bars den Schönen und Reichen ein Ambiente bieten, in dem sie angemessen repräsentieren können. Eine beschauliche, wenn auch angesichts drohender Naturgewalten und Piratenüberfälle nicht ungefährliche Welt, die ihren ganz eigenen Reiz auf den Leser ausübt. Da rasen die Flugzeuge nicht mit Überschallgeschwindigkeit rund um den Globus, da hat man noch Zeit und Muße das Leben zu genießen, ja, zu zelebrieren.
Neben Kates unbändigen Forscherdrang und ihrem Wunsch nach Emanzipation steht natürlich auch das Geheimnis der unbekannten Luftbewohner im Zentrum der Aufmerksamkeit. Doch Oppel lüftet das Mysterium der Nachfolger des Petrodactyls nicht, lässt diesen ihre Geheimnisse und damit ihren Zauber.
Bei aller Dramatik, bei allen gefährlichen Abenteuern, die es zu bestehen gilt, verströmt das Buch etwas Altvertrautes, etwas Anheimelndes, das ab der ersten Seite dafür sorgt, dass man sich in der Handlung behaglich und zu Hause fühlt.