Marvel History: X-Men 1
Stan Lee, Jack Kirby u. a.
(The X-Men 1-10, 1963-65)
Aus dem Amerikanischen von Michael Strittmatter
Panini, 2006, Paperback, 224 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 3-86607-164-7
Von Irene Salzmann
In der zweiten Serie setzte sich das Team nicht länger aus Teenagern zusammen sondern aus Erwachsenen, die Professor Xavier auf der ganzen Welt rekrutierte. Neben Cyclops waren dies Wolverine, Colossus, Storm, Banshee, Sunfire, Nightcrawler und Thunderbird. Einige von ihnen verließen das Team gleich wieder (Sunfire), andere kamen inzwischen ums Leben (Thunderbird, Banshee, Marvel Girl).
Es folgten immer wieder Neuzugänge und Mitgliederwechsel, so dass es ständig überraschende Kombinationen und Wendungen während der Kämpfe, aber auch romantische Verwicklungen gab. Als der wohl populärste Protagonist erhielt „Wolverine“ schon bald seine eigene fortlaufende Serie.
Wer die Serie und die aktuelle Handlung kennt, weiß, wie viel sich in rund 40 Jahren getan hat: Die Themen haben sich gewandelt, die Abenteuer sind weniger simpel gestrickt und ziehen sich meist über etliche Hefte hin, die Figuren erscheinen weniger cartoonhaft, sondern werden meist realistisch-idealistisch dargestellt, sie werden als vielschichtige Charaktere geschildert, neue Arbeitsmittel und die Computerkolorierung haben in den 1990er Jahren Maßstäbe gesetzt.
Deshalb darf man die klassischen Episoden aus den 1960er Jahren gar nicht mit den heutigen Comic-Geschichten vergleichen. Man sollte sie vielmehr als das stehen lassen, was sie sind: Dokumente aus einer vergangenen Zeit, als andere Probleme die Leser bewegten und man noch nicht über die gegenwärtigen zeichnerischen Möglichkeiten verfügte.
So wendet sich der vorliegende Band auch nicht wirklich an (junge) Leser, die tolle Zeichnungen und wilde Action-Szenen erwarten, sondern an Sammler, die gern die klassischen Geschichten ihrer Collection hinzufügen wollen, und an das reifere Publikum, das vielleicht seinerzeit einige dieser Abenteuer zu Gesicht bekam und sie nun aus nostalgischen Gründen noch einmal und komplett zu lesen wünscht.
Zehn Episoden „X-Men“ bietet der Sammelband:
Professor Xavier schickt seine Mutanten aus, damit sie Magneto aufhalten, der den Homo Superior an die Macht bringen will. Danach bekommen sie es mit dem Vanisher, Mastermind und dem Blob zu tun. Die Bruderschaft der bösen Mutanten, zu der damals auch Quicksilver, die Skarlet Witch und Toad zählten, treten auf. Namor, Unus, Ka-Zar und die Avengers sind ebenfalls dabei. Freunde und Feinde, die im Laufe der Jahre ebenfalls die „X-Men“ und andere Serien mit prägten, sorgen für kurzweilige Abenteuer.
Neben den Kämpfen bleibt aber auch Zeit für das Privatleben. Angel und Cyclops rivalisieren um die Gunst von Marvel Girl. Beast hat schließlich genug von allem, nachdem ein Mob ‚Normal’-Menschen ihn verfolgte, obwohl er jemandem hatte helfen wollen. Iceman als jüngstes und mitunter voreiligstes Mitglied muss hart kämpfen, um Fehler auszubügeln und Anerkennung zu finden.
Es ist dieser Mix aus actionreicher SF und Soap, der die Leser für die X-Men schon damals einnahm. Man konnte sich mit ihnen, ihren Sorgen und Träumen identifizieren. Sie kannten Stärken und Schwächen, ebenso ihre Feinde, die aus nachvollziehbaren Gründen auf die schiefe Bahn geraten waren und in denen die „X-Men“ oftmals ihre stärksten Verbündeten fanden.
Wer die ersten Abenteuer der damals noch blutjungen Mutanten miterleben möchte und sich mit dem nach heutigen Maßstäben schlichten Stil der Geschichten und der Illustrationen arrangieren kann, dem werden klassische Comics von den Altmeistern Stan Lee und Jack Kirby geboten, die zu ihrer Zeit Akzente setzten. Für Sammler sind diese Paperbacks gerade zu ein Muss, und auch der Preis ist durchaus akzeptabel.