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Durham, David Anthony: Acacia, Book One: The War With The Mein (Buch)
David Anthony Durham
Acacia, Book One: The War With The Mein
577 S., Hardcover, Doubleday N.Y., 2007, Hardcover, 578 Seiten, 18,95 EUR, ISBN 978-0385506069, EUR 18,95
Auf Deutsch als „Acacia - Macht und Verrat“ ab Januar 2008 bei Blanvalet, Paperback, 800 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 9783442244942
Von Oliver Naujoks
Mit viel Vorschusslorbeeren und Kritikerlob versehen, legt der durch drei gut besprochene historische Romane (neben zwei amerikanischen Stoffen mit „Pride of Carthage“ auch ein Hannibal-Roman) bekannt gewordene David Anthony Durham nunmehr seinen ersten Fantasy-Roman vor, der als Auftakt für eine Trilogie fungieren soll.
Dies geschah nicht von ungefähr, der an einem College Sprachen dozierende Durham ist Zeit seines Lebens Fantasy-Fan. Das merkt man dem Roman, der Anfang 2008 auch in Deutschland erscheinen wird, auch positiv an.
Nach Lektüre der ersten Seiten wähnt man sich bei den Eckpunkten zunächst bei George R. R. Martins „Lied von Eis und Feuer“: König Leodan Akaran, der von der titelgebenden Insel Acacia über die ganze (im Roman) bekannte Welt herrscht, fällt einem heimtückischen Mordanschlag zum Opfer, in dessen Folge das gefürchtete Volk der Mein aus dem Norden die Insel und die Herrschaft nach einem grausamen Feldzug übernimmt. Noch auf dem Sterbebett setzt König Leodan (dessen Volk seit Generationen übrigens die ganze Welt mit Sklaverei und einer Droge unterdrückt) einen weit vorgreifenden Plan ins Werk, der seine Kinder zum Schutz in alle Himmelsrichtungen verstreut.
Der älteste Sohn Aliver wird in der brütenden Hitze der Länder des Südens in den nächsten neun Jahren ein legendärer Kämpfer, Sohn Dariel wird unter dem Namen Spratling ein gefürchteter und geliebter Seeräuber, Tochter Mena auf fernen Inseln des Ostens eine Hohepriesterin und brillante Schwertkämpferin, nur für Tochter Corinn funktioniert der Plan nicht: Sie wird abgefangen und wächst zur Frau im Palast von Acacia heran, zunächst als widerstrebende Gefangene, später als Geliebte des Mörders ihres Vaters Hainish Mein, der sie durchaus liebt, an einem entscheidenden Tag aber einem Opferstein zuzuführen gedenkt..
Man sieht, die Ähnlichkeiten zu Martins „A Song of Ice and Fire“, obwohl durchaus vorhanden, beschränken sich auf reine Äußerlichkeiten. Was Durham hier erschafft, ist ein durchaus sehr eigenes Werk. Zwar wählt auch er als Eckpunkte eine imaginäre Land- und Seemasse und entfaltet dort ein länderumspannendes, feudales, manchmal martialisches Epos mit nur wenigen Phantastik-Elementen, der Tonfall ist aber ganz sein eigener. Der Autor legt erkenntlich viel Wert darauf, die politischen Rädchen darzustellen, die hinter den Kulissen ablaufen und verbringt so viel vergnügliche Zeit damit, politische Gesichtspunkte, Pläne, Intrigen und Ränkespiele zu entwickeln, dabei deutlich auf düstere, sehr irdische Vorkommnisse hinweisend. Deshalb sind reine Action-Szenen in diesem Roman sehr rar gesät, aber umso kraftvoller, wenn Sie denn passieren, einige sogar richtig begeisternd.
Schon nach wenigen Seiten merkt man als Leser, dass man hier in den Händen eines exzellenten Stilisten und Erzählers ist. Poesie und verschlungene Sätze sind Durhams Sache nicht, dafür aber ein deutlich überdurchschnittliches Vokabular und ein ausgezeichnetes Gespür für Satzrhythmus; man merkt, dass der Autor in seiner Sprache ausgebildet und nun lehrt, allzu sicher ist sein Umgang mit ihr und der elegante Satzfluss eine Freude zu lesen (im Original - hoffentlich bekommt auch der deutsche Übersetzer das dann so schön hin). Als ausgezeichneten Erzähler weist den Autor aus, dass man bei den zahlreichen Schauplatz- und Charakterwechseln sich jedes Mal bei Erwähnung in den ersten Sätzen eines Kapitelanfangs der nun das Kapitel beherrschenden Figur sich darauf freut, nun mehr über diese Person zu erfahren. Die sehr unterschiedlichen Charaktere, die vor völlig unterschiedlichen Hintergründen und aus völlig verschiedenen Motiven handeln sind allesamt äußerst interessant gelungen und durch das große Interesse, dass der Leser jeder dieser Figuren entgegen bringt, entsteht nicht eine einzige Länge in dem doch recht langen Roman – eine kaum zu überschätzende Leistung und der größte Aktivposten des Romans.
Eine der größten Stärken des Romans erweist sich aber auch als seine Schwäche. Durham zeichnet eine teilweise wirklich verblüffend vielschichtige Welt. Der Kritik der üblichen Schwarzweiß-Zeichnung im Fantasy-Genre möglichst weit ausweichend, erschuf er eine Welt voller Grautöne, fast jede Figur hat mehrere Seiten und entzieht sich einfachen moralischen Bewertungen des Lesers, insbesondere sind die Personen, auf deren Seite sich der Leser schlagen soll, keinesfalls durchgehend gut und verdanken im Gegenteil ihren Status Ausbeutung und Sklaverei über Generationen. Auch die brutal und herzlos geschilderten vermeintlichen Bösewichte können durchaus mit nachvollziehbaren Motiven aufwarten, so dass man sie trotz aller Untaten nicht richtig hassen kann, zumal Durham an erzählter Zeit und Seitenzahl nicht eine Seite überwiegend bevorzugt und beiden Seiten viel Raum einräumt.
„Acacia“ ist von dem üblichen Schema blonde Elfen gegen dunkle Orks so weit entfernt wie nur möglich (Elfen und Orks tauchen, wie bei Martin auch nicht auf) und erfüllt damit mehr als über Soll die übliche (Kritiker-)Forderung nach differenzierten Charakteren, stellt sich damit aber vor ganz eigene Probleme: Da man keine der Figuren vorbehaltlos ins Herz schließen oder hassen kann, kommt der Roman nie über ein gewisses Niveau mitreißender Emotionalität hinaus, da der Leser konstant daran gehindert wird, sich ohne weiteres hinter eine Fraktion zu stellen, denn deren Erfolge oder Niederlagen hätte jeweils zweischneidige Konsequenzen… Das ist realistisch, das ist differenziert, aber halt eher analytisch denn emotional mitreißend; nicht jeden Leser wird das stören, den diese Zeilen hier verfassenden schon ein wenig. Diese Vieldeutigkeit und Vielschichtigkeit der präsentierten Welt ist durchaus attraktiv und in ihrer Komplexität beeindruckend, keine Frage, aber der dafür zu zahlende Preis wurde eben angerissen.
Ein zweites Problem des Romans ist seine Ungeduld. Und zwar nicht die des Lesers, sondern die des Autors, oder die, die der Autor wohl beim Leser wähnte. Denn auch wenn 577 große, eng beschriebene Seiten einen langen Roman ausmachen und viel Platz bieten, wälzt der Autor eine große, komplexe Welt in diesen Seiten einmal, nein, eigentlich zweimal komplett um, und da sind dann auch 577 Seiten schnell endlich. Hier soll kein Plädoyer dafür ausgesprochen werden, dass manche Autoren schon aus der Geschichte dieses ersten Bandes 5-10 Bände oder 2-3 Trilogien gemacht hätten, aber dies alles in einem einzigen Band abzuhandeln, wirkt manchmal etwas kursorisch und unrund und kann so auch nicht völlig die nicht gänzlich übersehbaren Schematismen der Handlung („wir nehmen jetzt vier Kinder und geben jedem davon eine andere Initiations-Geschichte“) verbergen. Hier steckt so viel Geschichte in „Acacia“ – das hätte man sich gerne häufig ausführlicher gewünscht, mehr verweilen statt Schauplatzwechsel. Das Tempo ist so konstant hoch und manche Szenen sind dem Autor auch schlicht wunderbar gelungen (Favorit dieses Rezensenten hier war die Geschichte der Priesterin und Schwertmeisterin Mena, die Göttergeschichte und die ernüchternde „Erklärung“ dieser Gottheit, so wie Menas überraschendes Erwachen als Schwertmeisterin vor den Feinden, das sind jeweils hin- und mitreißende Szenen), ein gewisses unbefriedigendes Gefühl stellt sich aber dahingehend ein, dass der Autor seine schöne Welt und die interessanten Charaktere an ein leicht überhastetes Tempo dezent ‚verschwendet’ hat.
All dies ändert aber an der grundsätzlichen Antwort auf die Frage nichts, ob „Acacia“ ein gelungener Roman, ein gelungenes Fantasy-Debüt ist. Diese Frage ist uneingeschränkt zu bejahen. Dem Leser präsentiert sich ein stilistisch souveräner, höchst gekonnt mit interessanten Charakteren erzählter Fantasy-Roman, der in eine höchst interessante, vielschichtige neue imaginäre Welt entführt, die famose Geschichten in einer famosen Geschichte birgt. Durham weiß, wie man erzählt und ein mit großer erzählerischer Wucht gestaltetes, soghaftes Finale beantwortet die Frage, ob man auch weitere „Acacia“-Bände lesen möchte, mit einem laut schallenden ‚Ja’. Wenn der Autor sich noch steigern sollte, nicht auszudenken, dann könnte vielleicht tatsächlich noch ein Meisterwerk in und um „Acacia“ auf uns warten.
Der Roman ist für den Januar 2008 auf Deutsch angekündigt, in seinem Forum ließ sich der Autor so vernehmen, dass er bereits fleißig an der Fortsetzung sitzt, die er nächstes Frühjahr abzuliefern hat. Er rechnet mit einem Erscheinen ca. im Sommer 2009 (also fast zwei Jahre warten, seufz) und betonte ausdrücklich, dass der dritte Band dann bereits kurz darauf folgen soll, da er an beiden gleichzeitig schreibe. Warten kennen wir ja schon von George R.R. Martin.
hinzugefügt: December 4th 2007 Tester: Oliver Naujoks Punkte: zugehöriger Link: Blanvalet Verlag Hits: 2804 Sprache:
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