Sherlock Holmes Collection Teil 4
Von Thomas Harbach
Mit der vierten „Sherlock Holmes“-Collection schließt Koch Media die Veröffentlichung der Basil Rathbone/Nigel Bruce-Serie ab. Alle vier hier versammelten Filme sind nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden. Das verbindende Element ist die Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der persönlichen Schatullen durch eine intelligente, verschlagene und gut aussehende Frau (in drei Filmen) sowie eine Annäherung an Plots, welche eher Agatha Christie als Arthur Conan Doyle würdig sind (in zwei Filmen).
„Die Frau in Grün“ („The Woman in Green”, 1945) ist der letzte Basil Rathbone/Sherlock Holmes-Film, für den Bertram Millhauser das Drehbuch verfasst hat. Vielleicht die einzige Erklärung, warum Holmes’ Erzfeind Professor Moriarty seinen unnötigen dritten Auftritt in der Serie feiern konnte. In Bezug auf den komplexen Plot bedeutet sein Auftauchen einen viel zu frühen Hinweis auf das unnötig komplizierte Verbrechen, das für die Öffentlichkeit auf den ersten Blick nur aus dem bestialischen Ermorden von jungen Frauen besteht, denen ein Finger nach der Tat abgeschnitten wird.
Obwohl Henry Daniell insgesamt einen schwachen Professor Moriarty verkörpert, gehört die direkte verbale Konfrontation zwischen Holmes und ihm in der Baker Street zu den besten und effektivsten Szenen der ganzen Serie. Wenn Holmes unheilschwanger auf der Originalspur verkündet: „We shall walk through the gates of eternity hand in hand“, glaubt der Zuschauer es ihm. Wie zwei Boxer vor dem entscheidenden Schlagabtausch – den Eindruck muss man am Ende des Films gewinnen – provozieren sie sich gegenseitig. Beide wissen, dass es letztendlich nichts bringen wird. Der Film nimmt sich aber selbst die Effektivität, in dem er eine Sequenz aus „Sherlock Holmes and the Secret Weapon“ im wichtigen Augenblick kopiert. Mit diesen Eigenzitaten wirkt der vorliegende Film teilweise unnötig zusammengestückelt und weniger homogen als die letzten, sehr guten Beiträge zu dieser unterhaltsamen Serie.
Bis dahin ist „The Woman in Green“ im Grunde eine Neuauflage der alten Jack the Ripper-Morde, nur in einem modernen und mondänen London. Nach dem vierten Mord an einer jungen Frau mit der entsprechenden Verstümmelung der Leiche ruft die überforderte Polizei Holmes zu Hilfe. Sehr schnell und ohne wirkliche Beweise kommt Holmes zu der Schlussfolgerung, dass mehr als nur ein sinnloser und zielloser Massenmord hinter diesen Taten stecken muss. Der erste Hinweis, dass Millhauser beim Schreiben dieses Drehbuchs wohl eine andere Geschichte erzählen wollte, als schließlich herausgekommen ist. Als Holmes untypisch mit dem überforderten Inspektor in einer Hotelbar einen Whisky trinken geht, fällt ihm eine ungewöhnlich schöne Frau in Begleitung eines bekannten Londoner Gentleman auf. Lydia Marlowe (soll der Name etwa von ihrer Schuld ablenken?) wird sehr überzeugend von Hillary Brooke gespielt, die allerdings weder eine Frau mit einem grünen Kostüm ist, noch die Hilfe von Professor Moriarty für ihre Taten benötigt. Das grundlegende Problem des Films ist der Plot. Wenn es Marlowe gelingt, ihre Opfer so unter ihre Kontrolle zu bringen, dass sie bereit sind für sie zu töten, warum nicht gleich sie ausrauben, anstatt in eine kompromittierende Situation zu bringen, sie Menschen töten zu lassen, um sie dann zu erpressen? Diese Vorgehensweise wirkt sehr umständlich und bestimmt auch die zweite, deutlich schwächere Hälfte des Films. Dabei gehört Hypnose zu den faszinierendsten Elementen des Kinos und einige wirklich verstörende Filme sind um dieses Plotelement herum aufgebaut worden. Immerhin führt diese Idee zu zwei sehr unterhaltsamen Szenen mit Nigel Bruce als Doktor Watson. In der ersten Szene wird er aus dem Haus gelockt und bläst vorher den Staub von seiner Arzttasche, in der zweiten Sequenz behauptet er, dass starke Geister – wie Holmes und er – nicht hypnotisiert werden können, umso gleich das Gegenteil zu erleben.
Während der Film handlungstechnisch eher zu den schwächsten Arbeiten der Serie gehört, besticht „The Woman in Green“ durch seine unheimliche Atmosphäre. Das Schattenspiel funktioniert großartig und auch wenn die Hypnose von Doktor Watsons schließlich in einer lustigen Szene endet, ist das Set großartig in seiner Kargheit und Effektivität. Trotz des offensichtlich modernen Hintergrundes bemüht man sich, ohne auf die üblichen Klischees wie Nebel zurückzugreifen, eine dunkle Seite von London zu zeigen. Es ist schade, dass man einen unnötig komplizierten und unlogischen Plot gewählt hat. Alleine die Konfrontation zwischen Lydia Marlowe und Sherlock Holmes ohne Professor Moriarty im Hintergrund hätte für mehr Spannung gesorgt und den Zuschauer noch eine gewisse Zeit in die Irre führen lassen. Wer hätte schon hinter einer so schönen Frau, eine sadistische, skrupellose und kalte Massenmörderin – ob direkt oder indirekt ist hier nicht die Frage – vermutet?
In vielen der bisherigen Filmen (selbst den modernen Propagandaversuchen) sind Motive und Aspekte von Arthur Conan Doyles „Holmes“-Romanen und -Kurzgeschichten integriert worden. „Gefährliche Mission“, oder im Original „Pursuit to Algiers“, nimmt als Katalysator eine der Anmerkungen Holmes aus „The Return of Sherlock Holmes“, in welcher darauf hingewiesen wird, dass die Affäre um das Dampfschiff Friesland ihnen beiden beinahe das Leben gekostet hätte. Die Handlung von „Gefährliche Mission“ spielt fast ausschließlich auf diesem Dampfschiff, obwohl die Handlung fast fünfzig Jahre später einsetzt und damit aktuellere politische Bezüge hat. Insbesondere die Kommunisten machten sich daran, osteuropäische Monarchien zu sozialisieren. Wie schwer es den Drehbuchautoren gefallen ist, neue originelle Stoffe zu entwickeln, zeigt sich auch beim folgenden Film „Der Juwelenraub“. Dieser spielt fast ausschließlich in einem Zug. Mit diesen Prämissen schränken sie Holmes’ Actionradius unnötig ein und beide Filme nehmen sich die Effektivität. Es kommt ja nur ein sehr begrenzter Kreis von Verdächtigen in Frage und teilweise erinnern die Werke eher an Agatha Christie-Stoffe, als den berühmten Detektiv der Baker Street. Die Freiheiten, welche eine gänzlich originelle Geschichte den Drehbuchautoren bietet, nutzen sie kaum aus. Vielmehr wirkt der Film wie eine interessante Puzzlearbeit aus einer Reihe von bekannten Doyle-Geschichten, in denen Holmes dem einen oder anderen Adligen aus der Not geholfen hat. In der deutschen unglaubwürdigen Fassung hilft Holmes allerdings dem Sohn eines berühmten Wissenschaftlers, nach Alexandria und nicht nach Algier zu entfliehen. Anscheinend sind dunkle Mächte daran interessiert, nicht unbedingt die Erfindung in Händen zu halten, sondern den Sohn zu töten. Bei einem Adligen ist die Zerstörung der Thronfolge noch nachvollziehbar, die Ermordung des Sohnes eines Wissenschaftlers dagegen nicht. Dadurch wirkt insbesondere die deutsche, hier vorliegende Fassung unglaubwürdig und stellenweise unnötig bemüht. Wie so oft in den „Holmes“-Filmen trennt sich das Duo kurzfristig. Holmes soll mit einem Flugzeug vor fliegen - diese Prämisse ist in beiden Fassungen hanebüchen, denn er soll ja den Jungen schützen und das geht schwer, wenn er nicht auf dem Schiff ist, die Version, dass der Junge mit dem Flugzeug mitfliegt und Watson quasi mit dem Schiff irgendwann nachkommt, wirkt noch schwerfälliger und wird eher nachgeschoben -, Watson auf dem Schiff nachfolgen. Hier erfährt er, dass Holmes’ Flugzeug abgestürzt ist. Später stellt sich heraus, dass Holmes gar nicht in dem abgeschossenen Flugzeug gewesen ist. Zusammen mit den später an Bord kommenden Attentätern - eine interessante, sehr skurrile Gruppe aus ehemaligen Zirkusartisten - kommt es jetzt zum obligatorischen Katz- und Mausspiel, an dessen Ende scheinbar die Schurken siegen. Zumindest wird diese Sichtweise für den Zuschauer impliziert, doch natürlich triumphiert Holmes am Ende. Obwohl Holmes in der ersten, eher humorigen Hälfte gänzlich aus der Handlung verschwindet, ist er nach seinem überraschenden Auftauchen an Bord ist sehr guter Form. Er strahlt nicht nur eine unheimliche Ruhe aus, sondern hat das Geschehen gänzlich im Griff. Nur in einer Szene muss ihm Watson helfen. Dieser erkennt die sich flockende Milch im Kaffee des Jungen, nachdem er sich lange und breit über das wichtigste Attribut des britischen Empires, den Tee, ausgelassen hat. Holmes findet Spuren von Zyankali.
Der Film bezieht seine Spannung aus einer Handvoll potentieller Schurken. Dabei legt das Drehbuch eine interessante falsche Spur zu einer jungen Frau, die krampfhaft ihre Handtasche hält. Es stellt sich später heraus, dass sie das unschuldige Opfer einer Verschwörung geworden ist, die in den ersten Minuten nebenbei erwähnt wird. Diese Thematik wird in der nächsten Folge „Die Juwelenraub“ noch einmal aufgenommen. Da sich nicht zuletzt aufgrund des begrenzten Raums die Schurken und Holmes/Watson quasi immer wieder gegenüberstehen, ohne dass Holmes die Verbrecher bei den einzelnen Gelegenheiten von den Offizieren an Bord verhaften lässt, wirkt der Mittelteil vorhersehbar und verliert schnell an Dramatik. Höhepunkt ist der Anschlag mit einer in einem Tischfeuerwerk versteckten Bombe. Durch einen Zufall entdeckt Holmes den Fehler in der Beschriftung. Er nimmt die Bombe mit und konfrontiert die nervösen Schurken. Die Zwischenschnitte erinnern an die frühen Alfred Hitchcock-Thriller. Regisseur Roy William Neill hält das Tempo für einen knapp sechzigminütigen Film sehr hoch. Auch wenn Holmes weniger intellektuell als körperlich gefordert wird - und in dieser Kategorie eindeutig dem stummen Zirkusringer unterliegt -, ist er am Ende mit einem simplen Trick der Sieger. Diese Karte spielt er mit viel Risiko und entspricht eher einer Arthur Conan Doyle-Geschichte als dem technischen Stand der vierziger Jahre. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Täter nicht ihr Opfer sehr gut kennen. In einigen Szenen funktioniert vor allem die Hintergrundaufnahmetechnik vom auf hoher See fahrenden Schiff sehr gut, andere Szenen wirken ein wenig zu billig. Die Dialoge sind pointiert mit der richtigen Mischung aus in diesem Fall nicht kindischen Humor und bedrohlichen Anspielungen. Wenn Watson die legendäre Geschichte der Ratte von Sumatra erzählt und dabei mit dem Laib Käse und einer Lauchstange Holmes und Watson darstellt, erinnert diese Szene an Charlie Chaplin und seinen Kartoffeltanz. Nicht zuletzt aufgrund seiner geradlinigen, aber interessant erzählten Handlung gehört „Pursuit to Algiers“ allerdings nur in der englischen Originalfassung zu den besten der späten Einträge der Rathbone/Bruce-Serie.
Der nächste Film, „Der Juwelenraub“ („Terror by Night“), spielt nicht nur in einem Zug, sondern wirkt über weite Strecken wie ein Agatha Christie-Werk – insbesondere die Ähnlichkeiten zu „Mord im Orient Express“ sind teilweise bezeichnend – mit Anklängen an Alfred Hitchcocks „The Lady Vanishes“. Obwohl die Modellaufnahmen des dahin rasenden Zuges nicht immer überzeugend sind, bestimmt die klaustrophobe Atmosphäre das Geschehen. Der Film beginnt allerdings mit der dunklen Geschichte eines der wertvollsten Diamanten – dem Stern von Rhodesien -, die keinem ihrer vielen Besitzer wirklich Glück gebracht hat. Am Ende der Kette steht schließlich ein junger Adliger mit seiner Mutter, welche den wertvollen Stein mit dem Zug transportieren sollen. Holmes und Watson bürgen zusammen mit einem natürlich überforderten Lestrade für die Sicherheit des Steins. Ein Gruppe undurchsichtiger Gestalten – das Spektrum reicht von der attraktiven Lady, die ihre angeblich verstorbene Mutter im Sarg nach Hause überführen möchte, bis zum ehemaligen Kriegskameraden Watsons aus Indien – interessiert sich plötzlich für diesen Transport. Sehr schnell wird der junge Lord vergiftet und der wertvolle Stein anscheinend gestohlen. Während Lestrade wie immer hilflos überfordert ist, versucht Holmes die Kontrolle zu behalten und Watson sich als Privatdetektiv zu etablieren. Im Vergleich zu den vorangegangenen „Holmes“-Filmen wird insbesondere die Watson-Rolle wieder weitestgehend auf einen überforderten Stichwortgeber reduziert. In einer der schönsten verbalen Auseinandersetzungen gelingt es einem ältlichen Professor, Watson vollständig zu verwirren. Dabei wollte Watson nur einen Verdächtigen verhören.
Auch wenn „Der Juwelenraub“ nicht zu den besten Filmen der Serie gehört, ist er den populären Gruselfilmen am nächsten. Die Idee mit dem Hohlraum im Sarg wird nicht nur originell präsentiert, wer genau hinsieht, kann erkennen, dass der Zug auch einen ägyptischen Sarkophag transportiert. Ein deutlicher Hinweis auf die Mumie. Der Mörder mit seinem vernarbten Gesicht erinnert an die Rollen, die Lon Chaney Junior für den Rest seiner Karriere spielen musste und der Hinweis, es mit einem intelligenten, mathematischen begabten Schurken zu tun zu haben, impliziert Holmes’ Wunsch, sich wieder mit Professor Moriarty auseinandersetzen zu müssen. Es ist schade, dass Holmes’ Erzgegner in diesem wirklich klassisch angelegten Streifen fehlt. Eine Reihe falscher Spuren werden gelegt und der Zuschauer wird von Holmes unorthodoxer, aber im Endeffekt nicht immer überzeugender Vorgehensweise irritiert. Dass am Ende sogar Lestrade ungewöhnlich geistesgegenwärtig agiert, ist eine der Schwachstellen des Plots, die deutlich darauf hinweisen, dass man für die ungewöhnlich kurze Laufzeit von weniger als einer Stunde – gute fünf bis zehn Minuten kürzer als die meisten anderen Filme – nicht mehr genug Stoff hatte, um diesen packenden Thriller mit seiner soliden Mischung aus obskuren Gestalten und Bedrohungen wirklich überzeugend zu füllen. Dabei sind insbesondere die Nebendarsteller für die bisherigen Folgen exzellent ausgesucht worden und nicht selten wäre es schöner, mehr von ihnen zu erfahren und ihren brutalen Taten zu folgen. Viele Verästelungen des an sich geradlinigen Plots werden zu schnell und teilweise zu brachial abgeschnitten. In diesem Zusammenhang verlässt sich Holmes nicht mehr nur auf seine Beobachtungsgabe, sondern greift auch teilweise sehr kräftig bei der Ergreifung der Täter zu. Das klassische intellektuelle Spiel weicht einer stetigen Wiederholung, so dass selbst der Zuschauer die Zusammenhänge mit durchschnittlicher Beobachtungsgabe einen Schritt vor den Charakteren auf der Leinwand entschlüsseln kann. Während Basil Rathbone als Holmes weiterhin souverän und überlegen wird, wechseln sich bei Nigel Bruce Licht und Schatten gegenseitig ab. Trotz einiger plottechnischer Schwächen gehört „Der Juwelenraub“ nicht zuletzt aufgrund des gelungenen, wenn auch nicht immer sonderlich originellen Drehbuches von Frank Gruber und den grotesken, aber interessanten Nebenfiguren zu den unterschätzten Einträgen in die Serie.
Für viele Rathbone/Bruce-Fans gilt der letzte Teil der Serie, „Jagd auf Spieldosen“ („Dressed to Kill“) als einer der schwächsten Beiträgen. Bei dieser Kritik sollte deutlich zwischen dem Plot, den handelnden Personen und den vielen Hinweisen auf Doyles Originalgeschichten unterschieden werden. Gleich zu Beginn schlägt Watson den Bogen zu Irene Adler, ihre Geschichte ist gerade aus seiner Feder im „Strand Magazin” erschienen. Später will Watson bei seiner Begegnung mit einer schönen unbekannten Frau, die ihn natürlich hintergeht, von der einsamen Radfahrerin berichten und während ihrer Ermittlungen wird der eine oder andere Fall zumindest angedeutet. „Jagd auf Spieldosen” ist aber nicht nur wegen dieser Hinweise fast im Doyle’schen Holmeswerk verankert. Der Plot weist deutlich Ähnlichkeiten zu „The Six Napoleons” auf. Diese Geschichte ist als „Perle des Todes” ebenfalls für diese Reihe verfilmt worden. Drei unauffällige Spieldosen werden versteigert. Einer der Sammler und Käufer ist ein guter Freund Watsons. Er besucht diesen und berichtet von einem seltsamen Einbruch. Die Täter haben seine unwichtigste Spieldose gestohlen, während die wertvollen Stücke zurückgeblieben sind. In der gleichen Nacht erhält der ganz bewusst sehr schmierig dargestellte Sammler Besuch von einer schönen Dame. Ihr Chauffeur ermordet den Mann, sie stehlen die richtige Spieldose und die Ermittlungen beginnen. Im Gegensatz zu Holmes weiß der Zuschauer, dass seine Opponentin eine sehr schöne Frau ist. Es stellt sich heraus, dass in den insgesamt drei Spieldosen eine Botschaft versteckt ist. Ein Gefangener aus dem Gefängnis Dartmore möchte seine Komplizen informieren, die originalen Druckplatten aus dem sicheren Versteck zu bergen. Für diesen Raub ist er zu insgesamt sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Warum die Druckplatten jetzt plötzlich geborgen werden müssen, wird ebenso wenig überzeugend erläutert wie Holmes eher unwahrscheinliche Flucht aus den Händen seiner Gegner. Das vorliegende Drehbuch nimmt aber noch eine weitere Geschichte Doyles als Referenz für ein gut eingesetztes Stilmittel: In „Adventure of the Devil Foot Root” sterben einige Menschen durch ein undefinierbares Gift. Dieses setzen die Schurken auch ein, um erst wahrscheinlich Watson und dann Holmes auszuschalten. Bei Holmes ist dieses Mittel allerdings sehr unglücklich angewandt, niemand würde an einen Selbstmord glauben und erschießen des gefesselten Holmes wäre deutlich effektiver und vor allem in diesem Fall sicherer gewesen.
Der Film lebt weniger von Nigel Bruces in diesem Fall bezogener Darstellung des Watsons oder den Grübeleien eines Holmes. Im Vergleich zu den Vorgängerfilmen wie „Terror by Night” ist über weite Strecken sein Intellekt gefordert, wenn auch Watson die beiden Schlüsselinformationen eher unfreiwillig in seiner poltrigen Art liefert. Ohne diese Hinweise hätte Holmes weder die Informationen entschlüsseln, noch die Täter stellen können. Augenfällig sind auch die Hinweise, welcher er der Polizei gibt. Der Zuschauer weiß, dass der Täter knapp fünfzehn Minuten nach einem Diebstahl verhaftet worden ist. Das Versteck soll bei einem Doktor S sein. Trotzdem will Holmes, dass die Polizei alle zehntausend (!) Doktoren, deren Vor- und Zunamen mit einem „S” beginnen, verhören, obwohl viele wahrscheinlich gar nicht in dem fünfzehn Minuten Zeitfenster leben. In diesen Szenen zeigt sich, dass das ansonsten sehr geradlinige Drehbuch teilweise fast schlampig niedergeschrieben worden ist und einige der Dialoge ganz bewusst den Charakter von Füllmaterial haben. Einen Kompromiss stellt schließlich der Showdown dar. Wie sich Holmes aus der Klemme befreit ist eine sportliche Leistung, dass er schließlich doch alleine den Gangstern gegenübersteht, die einen Vorsprung haben, ist dagegen wieder eine Beugung aller Logik.
Zu den Höhenpunkten des letzten „Holmes“-Films gehört allerdings Mrs. Hilda Courtney. Sehr schön gespielt von Patricia Morrison, die auf den Audiokommentar über ihre Karriere spricht. Sie legt Holmes nicht nur in einer Szene herein, sie kokettiert mit der Persönlichkeit, die Watson genüsslich in seinen vielen im „Strand Magazin“ veröffentlichten Geschichten erschaffen hat und nutzt ein wenig Holmes’ Eitelkeit, um ihm zumindest auf der ersten Etappe einige Meter abzunehmen. Dass Holmes selbst nicht an eine Falle glaubt, spricht für seine „Irene Adler”-Schwäche. Patricia Morrison überrascht Holmes aber gleich zu Beginn des Films ein erstes Mal und zeigt ihre Wandlungsfähigkeit. Als strahlende, reiche Frau macht sie eine sehr überzeugende Figur, wenn sie zuerst Gewalt ablehnt, entpuppt sich diese Haltung als reine Farce. Sie möchte sich zwar selbst nicht die Hände schmutzig machen, empfindet aber ein perverses Vergnügen, zumindest kurzzeitig über Londons besten und bekanntesten Detektiv triumphiert zu haben. Das Spiel von Basil Rathbone und Patricia Morrison überdeckt einige handlungstechnische Schwächen des vorliegenden Films. Was allerdings für „Dressed to Kill” spricht, ist die Rückverlagerung der Handlung in das Doyle-Universum und der gänzliche Verzicht auf moderne Ermittlungstechnik - nur einmal werden die Spieldosen durchleuchtet - sowie die Versuche, Agatha Christie-Geschichten im Holmes-Gewand z erzählen. Auf den eigentlichen Plot hat wahrscheinlich auch Fritz Langs sehr populärer „Auch Henker sterben” einen kleinen Einfluss gehabt. In diesem Fall wollten dien Nazis die britische Währung durch sehr gute Fälschungen ruinieren und in beiden Filmen wäre der Aufwand, die Vorlagen zu ändern, die alten Scheine aus dem Verkehr zu ziehen und durch neue Scheine zu ersetzen ruinös gewesen. Trotz einiger Schwächen endet die Rathbone/Bruce-Serie nicht auf einem schwachen, sondern auf einem sehr unterhaltsamen, wenn auch nicht immer logisch durchdachten Film, welchen der Zuschauer wohlwollend als Zusammenfassung der ganzen Serie und vor allem als gut gespielte und vor allem mit dem notwendigen Humor geschriebene Hommage an Sherlock Holmes literarischen Vater Arthur Conan Doyle und sein unsterbliches Werk verstehen sollte.
Mit der vierten Collection liegt die Serie in einer vorzüglichen Ausstattung auf Deutsch vor. Vielleicht befinden sich wirklich die schwächsten Filme auf dieser vierten Sammelbox. Wer sich insbesondere auf das Zusammenspiel zwischen Watson und Holmes auf der einen Seite und ihre Konfrontation mit hübschen, aber gefährlichen Frauen auf der anderen Seite konzentriert, wird von diesen plottechnisch teilweise sehr mechanischen Filmen trotzdem gut unterhalten. Die Ähnlichkeit zu Doyles Originalgeschichten ist sicherlich größer, als in den reinen Propagandabeiträgen, welche nach den ersten beiden Langfilmen für Universal die Serie bestimmte. Unabhängig von der einzelnen Qualität der Filme lohnt es sich, die Reihe als Gesamtwerk zu betrachten. Und hier gehört diese Serie zu den Meilenstein im „Holmes“-Oevre.
Wie die ersten drei Veröffentlichungen ist die aufwendige Restaurierung der mehr als sechzig Jahre alten Filme exemplarisch. Das sich kleinere Defekte nicht gänzlich beseitigen lassen steht außer Frage. Die Filme werden wieder ungeschnitten präsentiert. Die fehlenden Passagen sind Deutsch untertitelt wieder eingesetzt worden. Die Kürzungen betreffen dieses Mal nicht übertrieben patriotische und polemische Passagen, sondern den Plot nicht vorantreibende Dialoge. Für drei der vier Filme liegen neben der neuen deutschen Synchronfassung die alte DDR-Version und die englische Tonspur vor. Die Qualität der einzelnen Tonspuren ist akzeptabel bis gut. Zu den Extras gehören neben dem obligatorischen, informativen 24seitigen Booklet drei Trailer. Diese sind nicht synchronisiert und nicht restauriert worden. An ihnen lässt sich am ehesten erkennen, welche Anstrengungen für die DVD-Veröffentlichungen unternommen worden sind. Eine Filmerinnerung an Sir Arthur Conan Doyle gibt einen Eindruck von Sherlock Holmes literarischen Vater. Es ist anlässlich Doyles Todestags ausgestrahlt worden. Die Bildergalerie fällt im Vergleich zu den ersten DVDs spärlicher aus. Dafür werden insgesamt zwanzig alternative Vor- und Nachspänne angeboten. Die Audiokommentare sind unterhaltsam David Stuart Davies geht sehr hart mit den vorliegenden und allgemein als schwächste Filme bezeichneten Teilen der Serie um. Weiterhin scheint er seinen ersten Kommentaren in den ersten Collections nichts mehr hinzufügen zu können oder zu wollen und schweigt teilweise sehr lange zwischen den einzelnen Kommentaren. „Jagd auf Spieldosen“ erhält mit der Schauspielerin Patricia Morrison, dem Moderator David Gregory und dem Herausgeber der auf alte Filme spezialisierten Zeitschrift „Scarlett Street“ Richard Valley augenscheinlich die interessantere Mischung. Wie so oft, wenn mehrere Beteiligte sich treffen, endet das Gespräch im Small Talk und altbekannten Informationen. Die einzigen interessanten Informationen liefert Patricia Morrison, auf deren Karriere sehr ausführlich eingegangen wird.
DVD-Facts:
Bild: 1,33:1 (Vollbild)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0 Mono, deutsch Dolby Digital 2.0 Mono, englisch Dolby Digital 2.0 Mono
Untertitel: deutsch
DVD-Extras:
Audiokommentare, Trailer, Booklet