Bill Willingham
Fables: 1001 Schneeweiße Nächte
(Fables: 1001 Nights of Snowfall, 2006)
Aus dem Englischen von Gerlinde Althoff
Titelillustration von James Jean
Zeichnungen von Esao Andrews, Brian Bolland, John Bolton, Michael W. Kaluta, Mark Buckingham, James Jean, Derek Kirk Kim, Tara McPherson, Jill Thompson, Charles Vess, Mark Wheatley
Panini, 2008, Paperback, 148 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86607-548-1
Von Christel Scheja
„1001 Schneeweiße Nächte” ist anders als die anderen „Fables”-Sonderbände nicht bereits in den Heften sondern gleich als Hardcover-Sonderausgabe erschienen. Die Graphic-Novel wurde mit dem 5. Eisner Award ausgezeichnet und bietet, auch wenn man die Serie sonst nicht kennt, einen guten Einstieg in die Welt zwischen Fiktion und Realität.
Vor langer Zeit, als noch Sultane und Emire in Pracht und Herrlichkeit über das Morgenland herrschen, kommt eine Reisende in das Land zwischen Wüste und Meer und verlangt, den dortigen Fürsten zu sprechen. Erst nach einer Ewigkeit gelingt es ihr, überhaupt eine Audienz beim Wesir zu erwirken, der ihr aber sehr schnell klar macht, dass der Sultan nur eine Art von Frauen bereit ist zu empfangen. Er könne sie dabei allerhöchstens unterstützen.
Da sie nicht noch länger warten will, stimmt die Fremde, die sich selbst Snow White nennt, zu und lässt sich wie eine Konkubine baden und kleiden.
Nun endlich hofft sie, den Herrscher sprechen und um Hilfe für das von ‚dem Feind’ verwüstete Heimatland bitten zu können.
Als sie vor den Sultan geführt wird, muss sie erkennen, dass sie in eine Falle gelaufen ist. Denn Fürst Shariyar pflegt seine nächtlichen Gefährtinnen am nächsten Morgen hinrichten zu lassen. Um diesem Schicksal zu entgehen, ersinnt Snow White verzweifelt eine List.
Und tatsächlich - sie funktioniert.
1001 Nächte lang erzählt sie dem Sultan magische und märchenhafte Geschichten aus ihrer Heimat: Von der Prinzessin, die nur dann die Aufmerksamkeit ihres Gatten erlangen konnte, wenn sie Fechtstunden bei ihm nahm, und durch ihre geheimen Übungen beinahe einen Krieg verursachte. Von dem Froschkönig, der ein tragisches Schicksal nur deswegen überlebte, weil er sich bei Aufregung wieder zurück verwandelte. Oder dem mutigen Fuchs, der sich vor ‚dem Feind’ als Verräter ausgab, nur um den magischen Tieren die Flucht in die Welt der Menschen zu ermöglichen. All dies sind Abenteuer aus dem Fabelreich - die teils in der glücklichen Zeit vor dem Angriff der feindlichen und teils auch während der Zeit des Kampfes und der Flucht spielen.
Damit gelingt es ihr, den Sultan zu besänftigen und schließlich die Freiheit und Hilfe zu erlangen. Das Schicksal anderer Mädchen kann sie allerdings nur bedingt ändern. Deshalb gibt sie bei ihrem Abschied ihrer Nachfolgerin einen wichtigen Tipp.
Während sich die vorherigen Bände überwiegend mit dem Leben der Figuren aus Märchen und Sagen nach dem Verlust ihrer Königreiche und der Flucht in die Menschenwelt beschäftigen, spielt „1001 Schneeweiße Nächte” in der Vergangenheit. Aber auch hier werden viele typische Klischees und Rollenmuster auf den Kopf gestellt und ad absurdum geführt - etwas, dass Bill Willingham in seiner Zeit als „Sandman“-Autor gelernt hat. Dabei nehmen die Eigenheiten der Figuren einen nicht unerheblichen Raum ein und sind oftmals Triebfeder für ihre Handlung. Und man erfährt etwas mehr über die Bedrohung, die für die „Fables“ aus ‚dem Feind’ erwachsen ist.
Man versteht recht schnell, warum „1001 Schneeweiße Nächte” mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Zwar weiß die Graphic Novel eine märchenhafte und versponnen lyrische Atmosphäre zu erzeugen, spart aber auch nicht mit leisem Spott auf überholte Klischees und überrascht dann und wann mit Wendungen, mit denen man so nicht gerechnet hat. Das macht die Graphic Novel zu einem kleinen Juwel für alle Fantasy- und Mystery-Fans.