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Masters of Horror: Pro-Life (DVD)

Pro-Life
USA 2006, Regie: John Carpenter, mit Ron Perlman, Mark Feuerstein, Emmanuelle Vaugier u.a.

Von Thomas Harbach

Mit John Carpenters „Pro-Life“ erscheint die fünfte Folge der zweiten „Masters of Horro“-Staffel auf DVD. In der ersten Season konnte John Carpenter mit seiner herausragenden Episode „Cigarette Burns“ sich nicht nur nachhaltig in Erinnerung bringen, sondern einen verstörenden Horrortrip mit sublimen Bildern inszenieren. Sein zweiter Beitrag zu dieser Serie ist vom gleichen Drehbuchteam – Carpenter hat mit ihnen zusammen einen sehr unterhaltsamen und informativen Audiokommentar aufgenommen – geschrieben worden, leidet aber unter einer zu bekannten Prämisse. Spätestens nach dreißig Minuten weiß der Zuschauer, dass es sich nicht nur um eine Larry Cohen Hommage handelt, sondern vor allem wie der Film ausgehen wird. Trotz dieser unübersehbaren Schwächen gelingt es Carpenter, zusammen mit einem ausgesuchten Team guter Schauspieler, den Zuschauer zumindest oberflächlich stimmig zu unterhalten.

Obwohl die Prämisse sich eng an „Rosemary’s Baby“ von Roman Polanski anlehnt, hat der Zuschauer an mehreren Stellen das angenehme Gefühl, dass John Carpenter aus seinen eigenen Filmen zitiert. Gleich zu Beginn flüchtet die schwangere Angelique – von Caitin Wachs gespielt, aber deutlich älter als die hier angesprochenen fünfzehn Jahre erscheinend – durch den dunklen Wald direkt vor das Auto eines Arztes, der sie in einem umstrittene und schwer bewachte Abtreibungsklinik mitnimmt. Ihr Vater ist ein bigotter religiöser Fanatiker – eine solide Leistung von Ron Perlman. Er folgt ihr mit seinem roten Van vor das abgeschlossene Tor der Klinik. Eine erste Hommage an „Christine“ und hier wäre es schön gewesen, wenn Carpenters für den Soundtrack verantwortlicher Sohn in seine nach gutem Auftakt sehr monotone Melodie „Bad to the Bones“ integriert hätte. Der Vater wird der Tür verwiesen, er hat anscheinend schon mehrmals zu gewalttätigen Protestaktionen gegen die Klinik aufgerufen. Zusammen mit seinen bewaffneten Söhnen beginnt er die Klink zu belagern, ein Verweis auf „Assault on Precinct 13“, Carpenters herausragenden Neo-Western. Im Inneren der Klinik berichtet Angelique von ihrer Vergewaltigung unter der Erde durch einen Dämon. Spätestens ab diesem Moment weiß der Zuschauer, in welche Richtung der Plot nur noch laufen kann. Vater und Söhne dringen in die Klinik ein, während bei seiner Tochter die Wehen einsetzen. Am Ende erscheint natürlich pünktlich zur Geburt der Vater des Babys. Dieses erinnert ein wenig an das spinnenartige Alien in „The Thing“. Während alle Protagonisten mehr oder minder überrascht erscheinen, ist es natürlich für das Publikum keine neue Erkenntnisse. Sehr mechanisch folgt das Drehbuch mit dem obligatorischen Blutbad den Gesetzen des Monsterfilms.

Der Unterschied zwischen „Pro- Life“ und „Cigarette Burns“ ist gewaltig. Es bleibt der Eindruck, als handele es sich beim vorliegenden Drehbuch um eine ältere Arbeit, welche nach dem Erfolg des originellen und verstörenden Scripts aus der ersten Staffel ein wenig aufpoliert worden ist. Insbesondere die Dialoge sind teilweise extrem stereotyp und erinnern an die unterkühlten Filme, welche John Carpenter allerdings mit deutlich besseren Plotprämissen in den siebziger Jahren machte. Wer erinnert sich an eine großartige Dialogpassage in „Assault on Precinct 13“? Und trotzdem beunruhigt der Film auch nach mehr als dreißig Jahren.
Die Klinik hätte nicht in einem isolierten Waldstück stehen dürfen, sondern in einem verwahrlosten Vorort einer größeren Stadt, in welcher sich die Menschen nicht um Gewalt auf den Straßen kümmern. Dazu kommen die handlungstechnischen Fehler. Als erstes schneiden die Söhne die Telefonleitungen durch, während der Vater betet. Wahrscheinlich erhofft er sich auf diese Art und Weise ein Funkloch, denn im Zeitalter der Handys ist es unwahrscheinlich, das die Ärzte so überrascht erscheinen und niemand die Polizei rufen kann. Weiterhin bittet Ron Perlman Gott um Hilfe auf seiner Mission und das Eintreten eines bestimmten Ereignisses. Im Verlaufe der Kampf um die Klinik wird diese Idee widerspruchslos verworfen und später vergessen. In einigen anderen Sequenzen stimmt die Kontinuität nicht. Der Klinikdirektor wird zu Rambo mit schusssicherer Weste und verschiedenen automatischen Waffen, während das bewaffnete Wachpersonal aus 1.5 Männern besteht. Im Gegensatz zu Perlman wissen die Söhne mit einem Kofferraum voll Waffen nichts anzufangen, wo doch vorher mehrmals expliziert davon gesprochen wird, dass Perlman mit seiner Familie zu den fanatischen, aber auch brutalen religiösen Extremisten gehört. Insbesondere die Söhne gehören mit ihrer dummen Art zu dem klassischen Opfermaterial. Der junge Klinikarzt scheint mit allem überfordert und wirkt inkompetent.

Es sind diese kleinen Unstimmigkeiten, welche „Pro-Life zu einem sehr frustrierenden Sehmissvergnügen machen. Dabei beinhaltet die Folge mit ihrer kritischen Haltung zu Abtreibungen als auch religiösem Fanatismus ausreichend Zündstoff, um im Korsett einer geradlinigen Horrorgeschichte eine wichtige Botschaft zu überbringen. Anstelle eines sozialkritischen Kommentars in eine nuancierte, wenn auch actionorientierte Handlung integriert, malt das Drehbuch alle Positionen schwarz oder weiß aus und verzichtet auf jegliche, aber notwendige Ambivalenz. Ansatzweise werden allerdings in den ersten zwanzig besseren Minuten die Argumente beider Seiten ausgetauscht und das Drehbuch bemüht sich, die Zuschauer nicht allzu sehr zu manipulieren. Kaum sind die Argumente ausgetauscht, wird die Moral beiseite geschoben und John Carpenter präsentiert eine schmierige Monsterbaby-Geschichte mit ausreichend Action, Blut und Gore, um das Publikum auf wenig subtile Weise zu unterhalten. Im Vergleich zu einigen anderen seiner Filme wirkt die Kamera deutlich statischer, die Perspektiven weniger innovativ. Make Up und Special Effects gehören allerdings zum Besten der Serie. Wenn Ron Perlman selbst eine „Abtreibung“ durchführt, wird die Episode ungemütlich realistisch. Sowohl das Monsterbaby als auch sein Vater – in einer Sequenz, welche durchaus aus dem unterschätzten „The Gate“ stammen könnte – sind monstertechnisch überzeugend gestaltet und wirken nicht so übertrieben künstlich wie einige andere Kreaturen insbesondere der zweiten „Masters of Horror“-Staffel. Insbesondere gegen Ende der Folge bemüht sich Carpenter, dem eher trocknen Stoff einige unbequeme und verstörende Szenen hinzuzufügen. Dabei reicht das Spektrum vom Fruchtwasser bis zur ultimativen Begegnung Vater/Großvater.

Im Vergleich zu einigen anderen seiner Filme fehlt allerdings „Pro-Life“ der Schuss sarkastischer Humor und Selbstironie, welcher dieser bekannten Thematik gut getan hätte. Während die zweite Hälfte der Folge klaustrophobisch und stellenweise sogar überzogen spannend wirkt, ist es die lethargische erste Hälfte, welche „Pro-Life“ so antiseptisch erscheinen lässt. Die Exposition mit dem schwangeren Mädchen, das fast zwei Minuten durch den Wald rennt, die langen Diskussionen am verschlossenen Tor, der Angriff der Söhne auf die Klinik, der Versuch, einen zweiten Eingang zu finden – alles Szenen, welche den dünnen Plot auf Fernsehfolgenlänge ziehen, ohne wirklich mit dem Herzen in der Hand inszeniert zu sein. Dazu kommen die Kürzungen. Die Folge ist – obwohl keine Jugendfreigabe – deutlich sichtbar gekürzt worden. Im Vergleich zu „Pelts“ ist diese Vorgehensweise allerdings unverständlich, auch wenn die Kastrationsszene zu sadistisch und pathetisch angelegt worden ist. Auf der anderen Seite sind mit den Kürzungen insbesondere in dieser Sequenz die ironisch überzogenen Zwischentöne ebenfalls eliminiert worden, denn Carpenter blendet zwischen dem Schmerz des Arztes und der gebärenden Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht hin und her. Jody Carpenters Musik kann nur die ersten Minuten überzeugen, danach variiert er zu wenig und unterstützt die Kampfszenen in der Klinik überhaupt nicht.

„Pro-Life“ ist eine der am schwierigsten zu beurteilenden Folgen der zweiten Staffel. Die Botschaft und das Ziel der Drehbuchautoren sind klar erkennbar und müssen positiv erwähnt werden. Weiterhin kennen sie sich sehr gut im Genre aus und scheuen sich nicht, umfangreich zu zitieren. Auch „Cigarette Burns“ extrapolierte eine Idee, welche insbesondere in der Horrorliteratur durch Ramsey Campbell, Theodore Roszack und nicht zuletzt Tim Lucas mehrfach aufgegriffen worden ist. Die Basis für „Pro-Life“ ist in diesem Fall deutlich bekannter. Den beiden Drehbuchautoren fehlt es allerdings an Routine und Erfahrung, um diese Prämissen mit einer soliden und spannenden sowie originellen Handlung zu umgeben. John Carpenters Leistung ist uneinheitlich. Mal hat er sichtlich Spaß, sich selbst zu zitieren, dann wirken einzelne Sequenzen seltsam leblos abgedreht. Alles in allem eine sehr durchschnittliche Folge, welche sich routiniert ansehen lässt, die aber keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Im Vergleich zu „Cigarette Burns“ eine Enttäuschung.

Die von Splendid Entertainment wieder im Metal Case veröffentlichte DVD ist technisch allerdings wieder souverän. Saubere und realistische Farben, beide Tonspuren sind gut verständlich und die Abstimmung zwischen Hintergrundgeräuschen und den Dialogen ordentlich. Die Synchronisation ist gut, es empfiehlt sich aber wegen der verschiedenen Akzente auf die Originalspur auszuweichen. Zu den Extras gehört der Audiokommentar von John Carpenter und den Drehbuchautoren Drew McWeeny & Scott Swan. Sie haben viel Spaß bei ihrem Kommentar und insbesondere Carpenter versucht, seine Inspiration zu verdeutlichen. Alles in allem sind die drei mit ihrer Arbeit allerdings auch wenig selbstkritisch sehr zufrieden. In zwei Features wird expliziert auf die Monster eingegangen. Dabei erhält der Zuschauer für die Kürze sehr kompakte und vielschichtige Informationen. In verschiedenen anderen Beiträgen kommen die Drehbuchautoren genauso zu Wort wie die einzelnen Zuschauer. Es ist nur schade, dass durch die Kürzungen der Folgen insbesondere die detailreiche Arbeit sowie die exemplarische Präsentation von Splendid Entertainment entwertet werden.

DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 2.0 Stereo (Audiokommentar)
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Audiokommentar mit den Drehbuchautoren und dem Regisseur, Features

hinzugefügt: February 2nd 2008
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: Splendid
Hits: 2965
Sprache:

  

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