100 % DC 12: Wonder Woman – Wer ist Wonder Woman?
Allan Heinberg, Will Pfeifer, Terry & Rachel Dodson, Gary Frank, Geraldo Borjes, Jean Diaz, Jon Sibal u. a.
(Wonder Woman 1-5: Who Is Wonder Woman, Part 1-5 Gimme Shelter, 2006/07)
Aus dem Amerikanischen von Steve Kups
Titelillustration von Terry Dodson
Panini, 2008, Paperback mit Klappenbroschur, 160 Seiten, 16,95 EUR
Von Irene Salzmann
Sicher zählt Wonder Woman mit zu den beliebtesten Figuren des DC-Universums. Nicht nur hat sie eine eigene Serie, sie tritt außerdem oft als Mitglied der JLA in Erscheinung, und gäbe es keine Lois Lane, wer weiß, welche Richtung ihre Beziehung zu Superman eingeschlagen hätte. Geschaffen von William Moulton Marston 1941 wurde „Wonder Woman“ seither von vielen namhaften Künstlern in Szene gesetzt, darunter George Pérez, Mike Deodato jr. und John Byrne.
Seltsamerweise wollte es nie recht gelingen, eine fortlaufende Serie in Deutschland zu etablieren. Warum – darüber mag jeder, der den Titel kennt, selbst Spekulationen anstellen. Panini startet nun einen neuerlichen Versuch, das Interesse der Leser für die aktuelle Reihe „Wonder Woman“ zu wecken, die einen Relaunch nach der Infinite Crisis erfahren hat.
Sammler und regelmäßige Leser kennen die Vorgeschichte: Wonder Woman tötete Maxwell Lord, da sie keinen anderen Weg sah, um Superman aus der Gewalt des einstigen Verbündeten zu befreien und ihn von weiteren Verbrechen abzuhalten. Diese Tat trieb einen Keil zwischen Wonder Woman, Batman und Superman, obgleich die Anklage auf Mord fallen gelassen wurde. Nach dem Ende der Infinite Crisis zogen sich alle drei aus verschiedenen Gründen zurück, und Wonder Woman alias Diana von Themyscira begann der Frage nachzugehen, wer sie eigentlich ist bzw. sein möchte.
In ihre Rolle schlüpfte nun das ehemalige Wonder Girl Donna Troy. Sie wird auch prompt von einigen Schurken gefangengenommen, die auf diese Weise die echte Wonder Woman hervorlocken wollen. Diese arbeitet mittlerweile als Agentin Diana Prince für das ‚Amt für Metawesen-Belange’.
Natürlich lässt sie ihre Freundin nicht im Stich und stellt sich Dr. Psycho und seinen Helfern. Zu ihrer Überraschung muss sie feststellen, dass sich die Fähigkeiten der Gegner etwas verändert haben. Dann taucht auch noch Herkules auf und behauptet, Wonder Woman habe in den Augen der Götter versagt, er sei ihr erwählter Nachfolger. Damit nicht genug, raubt Circe Wonder Woman ihre erstaunlichen Kräfte.
Obwohl sie immer wünschte, ein normaler Mensch zu sein, will Diana ihre Fähigkeiten zurück. Außerdem muss sie Circe stoppen, die den Namen Wonder Woman missbraucht, um unterdrückte Frauen zu befreit und ihre männlichen Peiniger mit brutaler Gewalt zur Strecke zu bringen. Gemeinsam mit Herkules stöbert Diana Circe auf der Insel Aiaia auf und erfährt nun endlich die Wahrheit…
Wer sich bisher wunderte, weshalb sich ein Superbabe wie „Wonder Woman“ als Serie nicht etablieren konnte, findet vielleicht eine mögliche Antwort in der vorliegenden Story.
Beim Lesen fragt man sich, was hier passiert, was dieses so offensichtliche Versteck- und Intrigenspiel eigentlich soll. Die Handlung bleibt verworren und spannungslos bis zum Schluss und gibt keine konkreten Antworten.
Wonder Woman möchte als Mensch mit Stärken und Schwächen betrachtet werden und wählen können, wann sie zur Superheldin und Ikone der Gerechtigkeit wird. Um sich neu zu definieren, nimmt sie eine Geheimidentität an und arbeitet als Agentin, wobei sie scheinbar weniger Probleme als Superman hat, sich in ihr Alter Ego zu verwandeln, sobald das erforderlich ist. Keiner ihrer Kollegen durchschaut die Tarnung - und das sollen erfahrene Spezial-Agenten sein…
Die von ihren Freunden angebotene Unterstützung lehnt Wonder Woman kategorisch ab. Sie isoliert sich, wodurch sie sich den Unmut des neuen Wonder Girls und einiger anderer zuzieht. Der einzige Sinn dieser Aktion ist, dass die anderen Helden dennoch zur Stelle sind, als Wonder Woman die wahren Pläne der Schurken herausfindet und Hilfe benötigt. Die Kameraden, darunter Robin, Power Girl, Superman u. v. m., demonstrieren, dass sie immer zu ihr halten werden, was auch kommen mag.
Die Männer haben weitgehend Nebenrollen inne, wirken dümmlich oder sind böse. Da man sich auf Wonder Woman als Emanze und Kämpferin für die Rechte der Frau besinnt, muss das wohl so sein und schafft dann auch die Überleitung zum letzten Teil des Paperbacks, der die Weichen für den nächsten Story-Arc stellt. Man darf ahnen, dass der Tod von Max Lord noch nicht ganz vom Tisch ist.
Durch den kleinen Appetithappen wirkt die Geschichte, obwohl in sich abgeschlossen, nicht ganz rund. Die Neugierde sollte ja auch geweckt werden, so dass man Interesse an einer Fortsetzung zeigt.
Der Plot und die Charaktere wirken arg konstruiert, schablonenhaft. Nach der Infinite Crisis scheint man die Rolle von Wonder Woman neu festlegen und sie stärker in das menschliche Umfeld einbinden zu wollen. Ob das funktionieren wird, bleibt abzuwarten, denn diese sechs Episoden können noch nicht überzeugen.
Das recht eigenwillige Einbringen von Personen und Motiven aus der griechischen Sagen-Welt dürfte ebenso wenig den Geschmack von jedem Leser treffen wie das Emanzen-Image der Titelheldin. Um alternativ die Leserinnen begeistern zu können, fehlt Wonder Woman allerdings ein reizvolles Umfeld mit interessanten Charakteren. Als coole Agentin mit Hightech-Equipment ist die Fantasy-Amazone schwer vorstellbar.
Die Illustrationen sind Geschmackssache. Zwar verstehen es die Zeichner, die Rundungen der Babes hervorzuheben, aber die glatten, ausdrucksarmen Gesichter gefallen nicht wirklich. Bei den Männern mit den kantigen Gesichtern und den massiven Unterkiefern fragt man sich, ob der Zeichner auf diese Weise die Machos parodieren wollte oder es einfach nicht besser kann.
Schade – vom Debüt der neuen „Wonder Woman“ hat man wirklich mehr erwartet.
Die Aufmachung des Bandes ist gelungen: Paperback mit Klappenbroschur, hochwertiges Papier, sauberer Druck. Der Preis dafür ist auch in Ordnung, da ein solcher Band doch anders in der Hand liegt als ein Heft.
Ebenfalls positiv ist, dass man keine Vorkenntnisse mitbringen muss, um der Handlung folgen zu können – ideal für Einsteiger und Gelegenheitsleser.
Ob er „Wonder Woman“ eine Chance geben will, sollte jeder Comic-Fan nach einem Blick in den Band selbst entscheiden.